Lesebühne

22 4 0
                                    

Ich bin aufgeregt, heute soll er sein, der große Tag. Lange habe ich mich darauf gefreut und nun ist es soweit - ich lese ein paar meiner Kurzgeschichten in einem Kino! Für gewöhnlich sind die Veranstaltungen der Reihe ausverkauft, mindestens 100 Menschen werden da sein um sich, unteranderem, meine Texte anzuhören. Wie aufregend! Doch nicht nur das, das Mädchen meiner Träume wird an diesem Abend auch anwesend sein, was meine Nervosität noch einmal in die Höhe schnellen lässt, jedes Mal, wenn ich daran denke.

Langsam fange ich an mich fertig zu machen: Duschen gehen, Haare föhnen und zurecht machen, Lieblingsshirt und Lieblingssocken anziehen. Hatte ich schon erwähnt, wie sehr ich mich freue? So wirklich entscheiden können, welche meiner Geschichten ich vortragen möchte, habe ich noch nicht; viele meiner Geschichten beinhalten meine tiefsten Gedanken - schließlich schreibe ich, um Träume festzuhalten und Gedanken aus meinem Kopf zu erlösen. Ich stand schon mit vielen meiner Texte auf der Bühne und habe somit dem Publikum, egal ob fremd oder bekannt, quasi mein Herz vor die Füße gekotzt, was viele Menschen sehr beeindruckt, doch meine Kurzgeschichten sind meine persönliche Schatzkammer, gefüllt mit Geschichten über verlorene Lieben und dem Beweis, dass ich vielleicht doch ein bisschen Romantik in mir schlummern habe. Gleichzeitig erzählen andere Geschichten von meinem inneren Konflikt zwischen mir und meinen Dämonen und dokumentieren die Zeit und die Wünsche mir manchmal eine Kugel in den Kopf jagen zu wollen oder von einer in Nebel eingetauchten Brücke zu springen.

Nun sitze ich also im Zug, die Füße auf den Sitz mir gegenüber beziehungsweise auf meinen darauf liegenden Rucksack gelegt und den Kopf auf die Hand gestützt, doch gleichzeitig auch in den Wolken habend. Ich habe mich für eines meiner Dramen, aber auch eine meiner schlecht schnulzigen Romanzen entschieden, ein gute Mischung aus beidem, denke ich. Der Himmel in Köln ist mit Wolken bedeckt, die Stadt wird in ein trübes grau gehüllt, vereinzelt fallen ein paar Tropfen, immer hin nicht mehr. Ich bin mit dem Longboard unterwegs und fahre durch eine Wohnsiedlung mit gut asphaltierten Straßen, aus Versehen nehme ich ein paar Pfützen mit, gar nicht gut für die Kugellager, aber sie werden es schon überstehen. Mit jedem Tritt, welcher das Board wieder beschleunigt, nimmt meine Aufregung ein kleines bisschen zu, ich strahle förmlich während ich durch die von einem Regenschauer leicht nassen Straßen fahre. Auf dem Weg fahre ich schließlich an einer Straße entlang, die ich mit dem Mädchen, welches heute Abend auch dort sein wird, verbinde und mein Herz beginnt zu rasen, irgendwas in mir hofft darauf ihr hier zu begegnen, doch es täuscht sich.

Bald komme ich am Kino an, viel zu früh, aber so fahren die Züge eben. Ich bin sehr gespannt auf das Publikum, die Location ist klein und kuschelig, ich verbinde besondere Momente mit diesem Ort und bin glücklich ausgerechnet hier lesen zu dürfen. Die Zeit verfliegt unfassbar schnell, schon nach gefühlt kurzer Zeit werden die Gäste hinein gelassen und der Saal füllt sich in nullkommanichts. Plötzlich sehe ich sie in den Raum laufen und einen Platz direkt vor der Bühne in der ersten Reihe einnehmen, was mich für die Show aber nicht weiter stören soll, im Gegenteil - es baut großen Druck in mir auf. Druck vernünftig zu performen. Wird ihr gefallen was ich schreibe? Sie kennt ein paar meiner Texte, aber was wird sie zu meinen Kurzgeschichten sagen?

Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als der Moderator auf die Bühne tritt und die erste Leserin ankündigt. Von nun an soll die Zeit sich wie ein Kaugummi ziehen, aus eigentlichen 10-15 Minuten werden gefühlte Stunden. Nach 2 Leser*innen vor mir soll nun endlich meine Zeit kommen. Mit Applaus werde ich auf die Bühne gerufen, ich nehme meinen Platz an dem mit Farbe verschmierten Tisch ein, stelle mich vor, atme tief durch und beginne zu lesen. Die Zeit auf der Bühne verfliegt sehr schnell, und nach gefühlten 5 Minuten verlasse ich unter müdem Applaus die Bühne - unsicher, was ich von diesem Auftritt halten soll. Vorher habe ich noch nie an einem Tisch gesessen und einfach gelesen, das Publikum schien nicht sehr begeistert von meinen Geschichten gewesen zu sein, doch auch ich bin nicht sehr überzeugt von mir und meiner Leistung.

Der Abend neigt sich dem Ende zu und ich gehe in Foyer, wo ich ohne damit zu rechnen freundlich von ein paar Leuten empfangen werde. Sie stellen mir Fragen, ob ich über mich geschrieben habe, klopfen mir aufbauend auf die Schulter und sagen mir, dass ich so weiter machen solle und das alles wieder gut würde. Wenig später löst sich die vier bis fünf Menschen große Gruppe um mich herum auf, bis ich plötzlich dem Mädchen gegenüber stehe, welches mir lächelnd eine Kola hinhält, welche ich dankend annehme, und mich zu meinem Auftritt beglückwünscht. Wir unterhalten und eine Weile über den Auftritt und was die Tage sonst so los war, bis sie sagt, dass sie gehen muss. Also umarmen wir uns kurz und sie verlässt das Kino, worauf hin ich allein im Foyer stehen bleibe, einzig ich und die Mitarbeiterin sind noch übrig. Also gebe ich meine leere Flasche ab und gehe die Treppe hinunter Richtung Ausgang, doch anstatt hinaus zu gehen biege ich ab und verschwinde neugierig in einem Gang ins dunkle am Ende der Treppe.

Der nächste Tag bricht an und ich öffne die von meiner Allergie gegen irgendwas verklebten Augen. Ich strecke mich kurz und schaue mich um - Moment, dieser Ort kommt mir nicht bekannt vor. Schnell zücke ich mein Handy und leuchte einen Raum aus, in welchem Unmengen von Kinoplakaten hängen und begutachte das eingestaubte Sofa, auf welchem ich anscheinend die Nacht verbracht habe. Plötzlich bekomme ich Panik, springe auf und renne durch den einzigen ansatzweise belichteten Korridor, welcher sich als der richtige Weg entpuppen soll - doch sprinte geradewegs in eine Gruppe von Mitarbeitern. Hektisch entschuldige ich mich und springe ihnen aus dem Weg, weiter den nächsten Gang entlang, welcher mich nach draußen führt, wo es wieder leicht regnet. Weiter völlig in Panik springe ich auf mein Longboard und fahre durch die gleiche Straße, auf der ich schon her gefahren bin, hinein in einen Platzregen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 04, 2018 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

LesebühneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt