Prolog

14 1 0
                                    

„Nein, das werde ich nicht tun. Niemals. Vorher musst du mich schon töten." Er grinst hämisch. „Dann werde ich das Wohl tun müssen. Schade um dich, mein Freund, aber du hast es ja nicht anders gewollt. Lieber diesen... Dreck schützen." Bei dem Wort ‚Dreck' stockt er, spuckt mir vor die Füße und umfasst mein Kinn mit seiner Rechten. Ein eiskalter Schauer durchfährt mich. „Ich dachte, jemand von uns wäre schlauer." Sein Blick ist hart, undurchdringlich. „Du Verräter!", wirft er mir hasserfüllt vor und geht dann bedächtig ein paar Schritte zurück. Er ist so angewidert, dass es scheint, als hätte ich eine tödliche Krankheit oder so. Was ja auch fast stimmt, ich bin schließlich ein Todgeweihter.

Diese Atmosphäre hier ist so...unheimlich. So ist es wohl, wenn man in den Kellern der regierenden Machtfestsitzt und auf seinen Tod wartet. Ich blinzle, doch ich kann die Tränennicht zurückhalten. Galle stößt mir auf. Meine Handgelenke sind wundgescheuert.Doch es ist mir egal. Mein Leben ist wohl an dieser Stelle vorbei. Doch ist esnicht eine gute Art zu sterben, wenn ich damit sie schützen kann? Doch was,wenn er sie finden würde? Und er würde sie finden, da war ich mir sicher. Auchwenn ich mir immer, immer wieder einrede, dass es ihr gut geht. Doch ich weiß,dass es nicht so ist. Die Angst um sie schnürt mir die Kehle zu, raubt mirjegliche Lebenskraft. Meine Laney. Meine ganze Hoffnung. Sie ist eine Heldin,keine Frage, doch gegen ihn hätte sie keine Chance.

Gegen SIE hätte sie keine Chance. Wenn ich sie nur warnen könnte, damit sie weglaufen kann. Doch würde man vor ihnen überhaupt weglaufen können? Hätte, könnte, würde. Nichts davon ist wahr, wird jemals passieren. Ich war hier gefangen, zum Tode verurteilt. Von einem hinterlistigen Mörder. Wut schwillt in mir auf, es kribbelt in meinen Fingern. Adrenalin strömt in jede Faser meines Körpers. Das typische Anzeichen dafür, dass etwas zu tun ist: Ich muss hier raus. Ich muss wenigstens versuchen, sie zu retten. Das ist das Einzigste, woran ich denken kann. Meine Muskeln beben und das Unglaubliche passiert: Meine Fesseln sprengen sich wie von selbst. Ich bin frei. Es tut gut, meine wundgescheuerten Handgelenke wieder bewegen zu können. Freiheit. Nun ja, fast. Erst einmal muss ich hier raus. Und das ist eine weitere Hürde, die ich überwinden muss. Doch ich muss es schaffen. Für meine Lay. Es gibt nur einen Weg nach draußen, der halbwegs sicher ist: Das Zellenfenster.

Ich rüttle daran, immerwieder, immer wieder. Doch es lässt sich partout nicht bewegen. Nicht einenMillimeter lässt es sich herausschieben. Was soll ich jetzt nur tun? Ich warverloren. Meine geliebte Lay war verloren. Es grenzt sowieso an ein Wunder, dasssie mit ihrer ach so technischen Ausrüstung noch nicht bemerkt hatten, dass ichnicht mehr in ihren elendigen Ketten lag. Doch jeden Moment konnten sie vor mirstehen, und was dann passieren würde, das will ich mir noch nicht einmal inmeinen kühnsten Träumen ausmalen.

Doch ich, Micah, würde es ertragen. Standhaft an die Liebe glaubend würde ich es ertragen. Für Laney. Meine geliebte Lay, für deren Sicherheit ich sterben würde. Doch sie würden sie trotzdem finden, wenn sie mich erst einmal gefunden hatten. Ich konnte in diesen Fesseln bestehen, da ich einer von ihnen war, doch für Lay wäre diese Folter tödlich.

MEIN LIEBSTER + FEINDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt