KAPITEL 1

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„But... I will love you... forever." Seine Stimme ist rau und traurig. Es zerreißt mir das Herz. Fast will ich nachgeben, nicht an die Konsequenzen denken, wenn ich ihm sagen würde, dass auch ich ihn liebte. Aber er durfte mich nicht lieben, niemals. Sonst würden SIE es erfahren und mein geliebter Micah... er würde erfahren, wer ich wirklich war, wer ER wirklich war. Und das musste ich um jeden Preis verhindern. Auch wenn mich die Sehnsucht nach seiner Nähe umbringen würde. Er war mein Feind. Ich sollte ihn abgrundtief hassen. Doch ich liebte ihn, wie ironisch das auch war. Ich liebte ihn, meinen Feind. Doch hieß es in der Bibel nicht, dass man seine Feinde lieben soll? Genau das tat ich: Ich liebte den, den ich töten sollte. Ich drehe mich von ihm weg. Ich muss loslassen können. Vergiss ihn, sage ich mir in Gedanken. Doch wenn ich ehrlich bin, dann werde ich ihn nie ganz vergessen können. Seine matt schimmernden, silbrigen Augen... sein unschuldiges Lächeln, wenn ich mich mal wieder ziemlich tollpatschig verhalten habe, ... sein... Hör auf. Du darfst nicht an ihn denken. An die wunderschönen, aber doch viel zu kurzen Stunden mit ihm. Diese unbeschwerte Zeit. Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen. Doch in Wahrheit war es fast ein Jahr. Was passiert ist? Warum ich ihn jetzt nicht mehr lieben darf? Warum ich ihn noch nicht einmal ansehen darf? Ganz einfach: Ich habe herausgefunden, wer er ist. Ich habe herausgefunden, dass ER mein Feind ist. Das ich ihn töten soll.

Das war er: Mein erster Auftrag als neue Schülerin an der Hinga-Akademie: Ich sollte ihn, mit dem ich die schönste Zeit meines Lebens verbracht hatte, töten. Für jeden anderen hier an der Akademie wäre es ein Leichtes gewesen. Er war nur ein unterbemittelter Jogal, nichts von Bedeutung, einfach zu töten. So sagten sie es. Und dann zeigten sie mir ein Bild von ihm. Ein Bild von meinem Micah. Er hatte keine Ahnung, was er war. Er dachte, er hätte eine ganz normale Familie. All die Sitten, all die Bräuche, mit denen er aufgewachsen war, er hielt sie für normal. Dachte, dass es auf der Welt friedlich zugeht. Dachte, dass er keine Feinde hatte. Dachte, er wäre ein ganz gewöhnlicher blondhaariger Junge mit Sommersprossen. Wusste nichts von der jahrelangen Feindschaft zwischen seiner und meiner Sippe. Zwischen den Hingas und den Jogalen. Zwischen den Guten und den Bösen. Doch wer war der Gute und wer war der Böse? Jede Sippe dachte, sie habe Recht, mit ihrer Lebensweise, ihren Traditionen. Und das war es, was sie anstachelte: Sie wollten die andere Sippe von ihrem ‚Glauben' überzeugen. Sie zurückführen zum Guten. Doch was wirklich gut war, dass weiß keiner. Bis heute nicht. Es war uns verboten, mit den Jogalen zu sprechen, geschweige denn, sie zu lieben. Wenn wir auffliegen würden, dann würden sie Micah hinrichten, dessen war ich mir gewiss. Was seine Sippe mit uns machen würde, weiß ich nicht. Doch ich glaube nicht, dass sie barmherzig waren. Nicht umsonst sind die Jogalen für ihre Brutalität bekannt. Wie man hört, prügeln sie ihre Kinder, allein, wenn diese nur ein bisschen zu laut sind. Sicher würde nicht nur ich, sondern auch Micah leiden. Und das würde ich niemals ertragen können. Es war alles so kompliziert, seit ich auf die Akademie ging. Dabei war die Hinga-Akademie immer mein größter Wunsch gewesen. Ich hatte immer gehofft, eines Tages dorthin gehen zu können. Denn die Hinga-Akademie war schließlich die Beste in unserer Sippe. Doch jetzt, da mein Wunsch endlich in Erfüllung gegangen war, verwandelte er sich in einen Alptraum.

„Pass gut auf dich auf", hatte meine Mutter gesagt, Tränen standen in ihren Augen. „Wir sind ja so stolz auf dich. Unsere Tochter, eine Schülerin der Hinga-Akademie!", sagte mein Vater, „Aber jetzt komm, nicht das du noch die Kutsche verpasst." Und dann hat er mich an die Hand genommen, wie ein kleines Mädchen und mich nach draußen geführt. Hinaus aus unserem sicheren Einfamilienhaus, dem Ort, an dem ich mich geborgen fühlte. Als die Kutsche dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich angerauscht kam, nahm mich meine Mutter noch einmal fest in die Arme „Gib auf dich Acht und traue niemandem, sondern höre auf dein Herz." Damals war ich vor Vorfreude fast umgekommen und die warnenden Worte meiner Mutter schienen mir sinnlos. Ich stieg also in die Kutsche ein. Drinnen saßen schon ein Mädchen und zwei Jungs. Das Mädchen, Beatrice, wie sich herausstellte, schaute mich unverhohlen an. Und auch die Blicke des braunhaarigen Jungen neben mir waren nicht sehr freundlich. Ein Jongal stieg ein. Na prima, jetzt war das Anti-Laney-Hass-Kommando also komplett. Doch die Blicke des Jungen waren keineswegs feindlich. Er hatte so eine seltsame Ausstrahlung. Einerseits zeigte seine Miene Abscheu und andererseits, sah er aus, als möchte er mit den Insassen dieser braunen Kutsche Freundschaften schließen. Doch das war ja nicht möglich: Bis auf ihn waren alle hier Hingas. Zwei Haltestellen weiter war die Kutsche dann endlich vollständig besetzt und wir ruckelten eine steile Anhöhe hinauf. Eine Gaingal und eine Dungas waren noch zugestiegen. Der abgewetzte moosgrüne Mantel der Gaingal stank fürchterlich. Was aber typisch war für die Gaingals. Es hieß, sie würden sich nur einmal im Jahr waschen, nämlich an Heilig Abend. Widerlich. Ich widerstand dem Drang, mir die Nase zuzuhalten. Doch dieser dämliche Jongal platzte heraus „Ich hätte Duschgel dabei, nur für den Fall, dass sich hier jemand waschen möchte, aber, was frage ich eigentlich, ich bin mir sicher, dass diejenige, die das bitter nötig hätte, es sowieso ablehnen würde, oder Xenia?" Er schaute sie demonstrativ an und sie schaute genauso zurück.

In ihr schwoll die Wut heran. Was bildete der sich eigentlich ein?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 04, 2019 ⏰

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