Auf holprigem halbem Weg

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Die Übergabe war ohne Probleme verlaufen. Damit war beinahe die Hälfte der Ware an ihrem Bestimmungsort – der Lastwagen beschleunigte die Sache ungemein. Trotzdem war es zum Feiern noch zu früh, denn in der alten Eisfabrik begannen die dort zwischengelagerten Bananen langsam braun zu werden. Die nächsten beiden Ladungen mussten innerhalb der nächsten 24 Stunden zur Übergabestelle, sonst würde das ganze unappetitlich. Zweimal den selben Grenzübergang zu passieren erschien Rodrigo zu riskant, die nötigen Umwege würden zu weiteren Verzögerungen führen. Katerine musste sich eingestehen, dass sie sich nicht ganz im Klaren darüber war, was es für sie bedeuten würde, wenn Rodrigo diesen Auftrag vermasselte. Sie hatte ihre Hilfe angeboten, ohne sich darüber wirklich den Kopf zu zerbrechen, so verzweifelt war sie gewesen. Ein Erfolg würde eine Beteiligung am Gewinn und hoffentlich die Rettung ihrer Firma bedeuten, aber was, wenn etwas schiefging? Konnte sie dafür mitverantwortlich gemacht werden? Würde Rodrigo die Schuld auf sie abschieben, könnte er das überhaupt? Was wäre gefährlicher für ihn, Katerines Beteiligung an der Sache zuzugeben und das Versagen ihr anzulasten, oder die Verantwortung selbst zu übernehmen Stillschweigen zu bewahren? Gäbe es für Katerine überhaupt eine Möglichkeit, ungeschoren davonzukommen? Sie befürchtete, dass die Antwort darauf Nein lautete. Alles musste einfach glattgehen, sonst hätte sie ein gewaltiges Problem.

Einige Meter hinter Katerine machte sich Rodrigo, nach der erfolgreichen Übergabe nun wieder in seinem eigenen Wagen, ganz ähnliche Gedanken. Wenn die Sache schiefging, hätte er ein gewaltiges Problem. Auch die Idee, das Ganze auf Katerine abzuschieben, war ihm gekommen, doch er wusste von vornherein, dass das nicht so einfach wäre. Die ganze Wahrheit konnte er so oder so nicht erzählen, ganz egal, wer von ihnen es im Endeffekt vermasselte. Doch er tappte absolut im Dunkeln darüber, was die Baronin bereits alles wusste – sie wusste immer mehr, als es einem lieb war, da durfte man sich nichts vormachen, - deshalb war er auch nicht sicher, in welchen Punkten eine Lüge ungefährlich war. Bei genauerer Überlegung war die Baronin anzulügen in etwa eine ebenso gute Idee, wie russisches Roulette mit Schrotflinten. Nein, es musste einfach alles gutgehen. Die Zeit lief ihnen davon, nichts desto trotz liefen die Dinge momentan ohnehin wesentlich besser, als Rodrigo das vor zwölf Stunden überhaupt noch für möglich gehalten hätte. Katerines Idee mit der Eisfabrik hatte ihn gerettet, das ließ sich nicht ändern. Doch auch die von Eddie geweckten Zweifel nagten an ihm. Konnte man der Frau wirklich vertrauen? Und dann war da auch noch diese Sache mit dem FBI-Agenten. Was war zwischen den beiden vorgefallen? Warum hatte der Agent sie durch die Grenzkontrolle geflößt? Das machte einfach überhauptkeinen Sinn. Und dass Katerine stur behauptete, sie hätte den Typ noch nie zuvor gesehen und er sei quasi ohne Erklärung wieder abgehauen, das klang doch einfach zu perfekt. Gerade jetzt, wo das FBI nach ihnen suchte, dafür gesorgt hatte, dass die Grenzkontrollen verschärft wurden, gerade als ein Grenzbeamter einen zugegebenermaßen nicht unverdächtigen Bananentransporter zur Kontrolle heranwinkte, der, was er noch nicht wusste, tatsächlich eine nicht unbeträchtliche Menge der gesuchten Drogen enthielt, gerade da sollte plötzlich aus dem Nichts ein Federal Agent aufgetaucht sein, rein zufällig genau diesen Transporter durch die Kontrolle geschleust haben und dann – ohne ein Wort der Erklärung – wieder verschwunden sein? Na schön, und jetzt bitte die Wahrheit, Fräulein. Aber Katerine hatte auf diese Wahrheit bestanden. Was konnte er tun? Ob er ihr vertraute oder nicht – Rodrigo konnte nichts tun. Wütend schlug er mit der Hand aufs Armaturenbrett. Niemals hätte er es so weit kommen lassen dürfen. Und irgendwie musste er nun sehen, dass er aus der ganzen Scheiße wieder herauskam. Entweder, er konnte Katerines Loyalität irgendwie sicherstellen, oder er musste sie loswerden. Doch was würde es werden?

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