Jane

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Jane spürte wie sich ihr Körper bog, wie sich die Hände streckten, am Boden aufkamen und sich gleich wieder abstießen. Das Publikum applaudierte, als sie den Flickflack beendete. Jane nahm Anlauf und sprang auf die Sprungscheibe, die sie zehn Meter in die Luft katapultierte, während sie einen vierfachen Rückwärtssalto schlug. Als sie vollkommen ausbalanciert aufkam brüllte das Publikum. Doch Jane achtete nicht darauf. Sie ließ sich elegant nach vorne zu Boden gleiten, rollte sich über die Brust ab und schwang die Beine über den Rücken, bis sie den Boden berührten. Das Publikum war atemlos. Selbst für die besten Akrobaten war das ein schweres Kunststück. Jane stand auf und verbeugte sich in einer einzigen fließenden Bewegung. Tosender Applaus folgte ihr als sie hinter der Bühne verschwand.
Jane seufzte. Wieder einmal ein Auftritt geschafft. "Morgen Abend ist die große Show. Schau das du 20 Minuten früher da bist!" "Ja", knurrte das Mädchen genervt: "Das hast du jetzt schin zum 300 mal gesagt. Ich hab's kapiert." "Ich will nur sicher stellen, dass du dich nicht schon wieder verspätest." Jane rollte bei den Worten ihres Vorgesetzten mit den Augen. Als dieser dass sah, beeilte er sich sein Verhalten zu entschuldigen und beteuerte: "Natürlich würdest du dich nicht verspäten. Ganz gewiss nicht. Ich wollte dich nur erinnern."
Tief einatmen. Nachdem Jane bis zehn gezählt hatte, drehte sie sich mit einem strahlenden Lächeln um. "Danke, dass ist sehr nett. Ich gehe mich jetzt umziehen." Kaum dass sie sich umgedreht hatte, sanken ihre Mundwinkel nach unten. Ein al zu bekannter Druck baute sich in ihrer Brust auf. Sie konnte dass nicht mehr.
Nachdem Jane sich umgezogen hatte, verließ sie das Gebäude. Auf der Straße vor ihr tummelten sich viele verschiedene Geschöpfe. Ein Steingolem rempelte einen Echsenmenschen, woraufhin dieser einen lauten Streit begann. Ein Troll unterhielt sich mit einer Meerjungfrau, die im Bach schwamm, der neben der Straße verlief und Kinder unterschiedlichster Art spielten mit einem Ball, der jedes mal die Farbe wechselte, wenn er berührt wurde.
Zügig ging Jane die Straße hinunter und immer hätte sie ihren geflüsterten Namen, wenn sie an Leuten vorbeiging. "Seht mal, da ist Jane Wanders!" "Jane Wanders..." "Papa schau, da ist die Akrobatin!" "Eine Ehre..." "Habt ihr gesehen was sie mit ihren Rücken machen kann?" "...Wunderkind..." Schnell ging Jane weiter und zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Sie hasste es. Immer wurde geflüstert, wenn sie in der Nähe war, niemanden interessierte es, wie sich fühlte, wenn die Leute sich immer verstellten sobald sie mit der berühmten Jane Wanders redeten. Sie war auch nur ein Mensch! Was man, korrekter Weise, auf einem Planeten voller unglaublicher Kreaturen schwer sagen kann. Aber trotzdem. Jane war - oder viel mehr wollte - ein ganz normales 16-jähriges Mädchen sein. Sie hatte seit ihrem vierten Lebensjahr trainiert um die Tatsache auszugleichen, dass sie ein Mensch war. Menschen waren schwach, gebrechlich. Doch so ein Leben wie Jane es jetzt hatte wollte sie nicht. Mit niemandem konnte sie sich ganz normal unterhalten. Ganz normal. Das wünschte sie sich. Sie wollte normal Behandelt werden.
Seufzend bog sie in die Seitengasse zu ihrem Haus ein. Dieser Wunsch würde ihr wohl nie erfüllt werden. Ihre Mutter öffnete ihr die Haustüre und machte ein Abendessen. Ihr dunkles Haar hatte sie elegant zu einem Zopf zurückgebunden. Jane kam ganz nach ihrer Mutter. Haar so schwarz wie die Sünde, die Augen ein dunkles Blau mit einem neckischen Glitzern, volle Lippen und eine kleine Nase. Janes Figur war schlank, hatte aber eindeutig weibliche Rundungen. Schon viele Jungs hatten versucht ihr Herz zu gewinnen, doch Jane kamen sie alle zu kindisch vor.
Das Aussehen hatte sie von ihrer Mutter geerbt, die Seele jedoch von ihrem Vater. Sie war gutmütig und normalerweise auch ziemlich geduldig, doch in ihrem momentanen Leben war das nicht so leicht.
Nachdem sie etwege Fragen ihrer Mutter beantwortet hatte, wich sie erfolgreich ihrem Vater aus. Jane stellte sich unter die Dusche und ließ das heiße Wasser ihre Sorgen wegwaschen. Frisch geduscht schlüpfte sie in ihren Pyjama und ging ins Bett. Doch der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Unruhig wälzte sie sich hin und her und dachte über ihre jetzige Situation nach.
Irgendwann musste sie doch eingeschlafen sein. Blinzelnd schlug Jane die Augen auf und starrte ins dunkle der Nacht. Irgendetwas hatte sie geweckt. Lauschend lag das Mädchen da. Die Treppen knarrten. Jemand kam zu ihr hinauf. Leises gefüster, dann Stille. Mit klopfendem Herzen schwang Jane die Beine übers Bett, als die Tür aufschwang und ein hünenhaften Männer und ein Steingolem hineinstürmten. Jane starrte sie mit großen Augen an und fragte: "Was wollen Sie hier?" Keine Antwort. Eine Gestalt kam auf sie zu, mit einem Schlagstöck in den breiten Händen. Der kleinere Mann packte Jane am Arm und zerrte sie auf die Beine. Sie zappelte und versuchte sich zu befreien doch der Griff um ihren Arm glich einem Schraubstock. "Wo ist es?" Die Stimme des Größeren war weich und samtig. "Wo ist was?", keuchte Jane.
"Tu nicht so dumm. Das Medalion!"
"Ich weiß nicht was ihr meint."
"Vier cm Durchmesser, schmucklos. Eine einfache Scheibe." Jane wusste sofort was er meinte. Das Schmuckstück ihrer Großmutter. Warum wollten sie es? Obwohl es überhaupt keinen Sinn machte antwortete sie: "Keine Ahnung was ihr meint."
Der Fremde drehte ihren Arm auf den Rücken und drückte. Jane schrie. "Wo ist es?", flüsterte die Stimme ganz nah an ihrem Ohr.
"Sag ich euch nicht", presste sie zwischen zusammengepresten Zähnen hervor.
"Hol ihren Bruder, Kes", befahl der Mann worauf der Steingolem aus dem Zimmer ging. Ein paar Minuten später kam er mit Janes kleinem Bruder zurück. Fabio weinte und schlug mit den Armen um sich, aber gegen eine Kreatur aus Stein hatte er keine Chance.
Jane schaute entsetzt zu wie ihr Bruder mit dem Schlagstock in die Knie gezwungen wurde. Ihren Fabio so zu sehen war zu viel für sie. Eine glühende Wut machte sich in ihrem Körper breit bis sie glaubt zu brennen. Sie baute sich weiter auf und lechzte danach freigelassen zu werden. Ein tiefes, tierisches Brüllen bahnte sich Janes Kehle hinauf. Ihr Körper begann zu kribbeln, allerdings nicht unangenehm. Die Fremden wichen mit einem Laut des Entzsetzens zurück, als Janes wuchs und sich ihr Körper streckt und dehnte. Flügel wuchsen und ihre Fingernägel fielen ab, an deren Stellen Klauen wuchsen. Das Zimmer wurde zu klein, doch die Verwandlung war noch nicht vollendet. Die Decke stürzte ein, kaum eine Sekunde nachdem Fabio sich in Sicherheit gebracht hatte.
Und dann war alles vorbei. Jane erstarrte in der Stille. Was war passiert? Sie fühlte sich komisch. "Jane?", hörte sie ihren geflüsterten Namen, der in ihren sensiblen Ohren wie ein Ruf klang. Der Ferkehrslärm klang übermäßig laut. Helles Licht fiel auf ihren Körper und eine sanfte Brise streifte sie. Fabio kam in einem Loch in der Wand zum Vorschein, in dem ein dunkelblauer, mit Schuppen besetzter.... Jane wusste nicht was es war. Sie wusste überhaupt nicht mehr. Fabio war klein, sehr klein. Das Haus, das nur noch halb stand, war klein. Alles war klein. Oder war sie groß? Jane wusste es nicht. Fabio starrte sie an, aber warum? Sie versuchte zu sprechen, brachte aber nur gebrüllt zu stande. Ihr Körper machte nicht das was sie wollte. Jane bekam Panik. Sie wandte sich dem Abgrund zu, wo einmal eine Zimmerwand gewesen war. Alles war so klein. In ihren Augen befand sie sich nur ein paar Zentimeter über der Straße, obwohl es vorhin doch noch Meter waren. Der Boden bebte unter ihrem Gewicht. Jane wollte das Haus nicht noch weiter zerstören, deshalb sprang sie - oder wollte - auf die Straße springen. Mitten in der Luft breiteten sich instinktiv ihre dunkelblauen Flügel aus. Jane schlug kräftig damit und ungeschickt stieg sie in die Luft hinauf. Unter sich sah sie die Stadt. Jane war ein Drache.

Drachen - Janes BestimmumgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt