Schicksal

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Nachdem Jane erkannt hatte, dass sie ein Drache war, ließ sie sich über die Dächer der Stadt gleiten. Erstaunte Ausrufe drangen an ihre sensible Ohren. Schnell drehte sie ab und schwang sich höher in die Luft. Bald wurde es kälter und ihre Flügel begannen zu brennen. Sie fragte sich, was passieren würde wenn sie einen Krampf bekam und ob sie dann wohl einfach abstürzen würde. Sicherheitshalber ließ sie sich sinken und steuerte auf eine Wiese, hinter der Stadt zu. Schräg schoss Jane darauf zu, bemerkte aber erst viel zu spät, dass sie zu schnell war. Nach einem verzweifelten Flügelschlagen schlug sie hart auf dem Boden auf und überschlug sich ein mal. Stöhnend blieb sie liegen. Ihr linker Flügel lag eingequetscht unter ihrem Körper und sie konnte sicher etliche blaue Flecken auf ihrem Körper finden. Gut, dass sie kein Mensch war. Zumindest im Moment nicht. Als Mensch wäre sie im besten Fall mit ein paar Brüchen davon gekommen. Mit langsamen Bewegungen rappelte sie sich auf. Durch ihren Körper lief ein kribbeln. Stocksteif stand Jane da. Das Kribbeln wurde stärker. Die Welt begann sich zu drehen und ein paar Momente später stand sie als Mensch an genau der Stelle, wo sich ihr Drachenherz befunden hatte. Verwirrt schaute Jane sich um. Was war da gerade passiert? Im einen Moment ein Drache und dann plötzlich ein Mensch.
Unschlüssig schaute Jane sich um. Sie stand auf einer Wiese, die auf einer Seite von einem Wald begrenzt wurde. Hinter den Bäumen waren Berge zu sehen. Versonnen sah sie in den hellblauen Himmel, der sich im Westen rosarot färbte. Jane sah zu wie die Sonne zu einem orangenen Ball wurde und schließlich hinter den Bergen verschwand. Sie stand einfach nur da und genoss die Stille, nutzte die Zeit um ihre wirren Gedanken zu ordnen.
Nachdem Jane sich wieder beruhigt hatte, ging sie auf die Stadt zu. Die Straßen waren dunkel, doch noch immer war Lärm zu hören. Die Bewohner von Kelteltown gingen nicht früh schlafen. Sie bog in eine Gasse und ging langsam auf ihr halb zerstörtes Haus zu. Vor dem Unfallsort standen Fahrzeuge der Polizei, die Rotlichter blinckten. Ein geschäftiges Treiben herschte, als Kreaturen die Zerstörung begutachteten und Protokollierten.
Langsam kam Jane auf sie zu. Ihre Gedanken rasten. Sollte sie zugeben, dass sie das gewesen war? Das sie einer der fast ausgestorbenen Drachenmenschen war? Niemand wusste viel über sie. Es gab nur zwei Legenden, in denen sie als monsturiöse, alte Wesen beschrieben wurden. Angeblich gab es nichts, was einen Drachenmenschen aufhalten konnte. Die eine war eine Kindergeschichte, die man den Kleinen erzählte, wenn sie schlimm waren. Die Drachenmenschen würden sie holen, sollten sie nicht brav sein.
Die andere Legende erzählte von einer tragischen Liebe, in der sich ein Drachenmensch in ein junges Mädchen verliebte. Da man über diese außergewöhnliche Spezies kaum etwas wusste, hatte das Mädchen Angst und floh. Doch einem Drachenmenschen könnte man nicht entrinnen. Der Mann folgte ihr wohin sie auch ging und schließlich war es dem armen Mädchen zu fiel. Sie erdolchte sich. Von Verlust in den Wahnsinn getrieben, brannte der Drachenmensch die ganze Stadt nieder, mit seinem feurigen Atem. Seitdem war kein solches Wesen mehr gesehen worden und alle Welt dachte sie sei nur eine Legende.
Jane war der Gegenbeweis und eines war klar: Sollte die Regierung herausfinden, dass es noch Drachenmenschen gab, würde sie an Jane Experimente durchführen und nach anderen von ihrer Art suchen. Ein Leben in Gefangenschaft, nicht entscheiden können was man machen will und wahrscheinlich nicht einemal ob man Kinder bekommen möchte. Man würde sie geheim halten, eingepfercht wie ein Tier. Jane wollte dass nicht. Sie wollte keine Verräter in ihrer eigenen Art sein. Und das währe sie, wenn sie sich der Regierung übergeben würde.
Inzwischen war Jane bei dem ersten Fahrzeug angekommen, doch sie blieb unschlüssig stehen. Noch hatte sie niemand gesehen. Sie könnte immer noch weg gehen. Aber wohin?
Langsam zog Jane sich zurück. Mit leisen Schritten schlich sie auf den dunklen Schatten der Gasse zu, als sie hinter sich Flügelschläge hörte. Ruckartig drehte sie sich um. Sie schaute in die schwarzen Augen eines Greifs. Sofort meldete sich Janes Schuldgefühl. Verärgert drängte sie es weg. "Sind Sie Zeuge?", ertönte die tiefe, krächzende Stimme des fliegenden Polizistens. "Ähm, nein. Ich wohne hier, bin aber gerade erst zurück gekommen."
"Wo waren zu zu der Tatzeit?"
"Blubberkuchen essen. Ich bin von einem Auftritt nach Hause gekommen und habe meine Sachen dort gelassen. Dann bin ich zu dem Stand an der Hauptstraße gegangen."
"Kann das irgendjemand bestätigen?"
"Nein, ich war alleine."
"Haben Sie eine Ahnung was diesen Zusammenbruch des Hauses verursacht haben könnte?"
"Nein, ich habe keinen blassen Schimmer. Aber es muss groß sein, oder? Hat ihr Team schon Spuren gefunden?"
"Wir suchen noch."
"Wars dass?"
"Fürs erste, ja danke." Der Greif überreichte mir eine Visitenkarte. "Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt."
"Mache ich. Wissen Sie wo meine Familie ist?"
"Ihr habt eine Wohnung in einem Wohnhaus bekommen, bis euer Haus wieder repariert wurde."
Der Polizist beschrieb Jane den Weg und sie verabschiedete sich. Doch statt zu der Wohnung zu gehen, liegen ihre Beine wie von selbst zu dem Wiesenstück auf dem sie sich verwandelt hatte. Jane traf ihre Entscheidung. Sie würde nicht zu ihrer Familie zurückgehen. Fabio wusste über sie Bescheid und Jane wollte nicht, dass er Ärger bekam, wenn alles auffliegen würde. Und das musste so kommen. Spätestens das nächste mal wenn sie sich verwandeln würde, kämen alle dahinter.
Nein, Jane würde zu der verbrannten Stadt aus den Legenden gehen und ihre ausgestorben geglaubte Art suchen.

Drachen - Janes BestimmumgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt