Süßes oder Saures! (Teil 1/3)

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"Was soll das heißen, LaBuff hat immer noch nicht gezahlt?"

Thomas wütendes Wiehern hallte durch die große, marmorne Villa am Stadtrand. Womöglich konnte man es bis auf die Straße hinaus hören, doch das war ihm egal. Er war stinksauer. Seit Wochen zögerte dieser Hengst die Zahlung seiner Waren heraus - Wahrscheinlich weil er ausgeraubt worden war und nicht zahlen konnte. Aber das spielte keine Rolle. Wenn es so weiterging, würde er eliminiert werden müssen.

Thomas schüttelte wutschnaubend seine blond gelockte Mähne.

Manch ein Pferd hätte gesagt, dass sein Anwesen zu protzig sei für einen Drogendealer, der eigentlich im Untergrund agierte und nicht auffallen sollte, aber der doch recht kleine Fuchs mit der flachsfarbenen, lockigen Mähne fand sie genau richtig. Außerdem war sie ein Erbstück seiner Eltern. Nichts allzu Auffälliges jedenfalls und gerade groß genug, um seine Seele baumeln zu lassen oder dem Klang seines Cellos zu lauschen, wenn er an entspannten Abenden sie Saiten erklingen ließ.

Aber nicht heute.

Es schien ein Tag wie jeder andere zu sein, dennoch befand sich Southbank in feierlicher Stimmung. Halloween stand vor der Tür und hätte Thomas nicht schon eine halbe Woche im Voraus das Tor zur Einfahrt verriegelt, würde wohl schon seit mehreren Tagen die Klingel im Sturm rasseln. Schließlich war die Jugend von heute schrecklich ungeduldig und schaffte es nicht einmal mehr, bis zum richtigen Tag zu warten, ehe sie die Pferde von ganz Southbank heimsuchten.

Ein Pferd schnaubte am anderen Ende der Leitung des Telefons, das auf einem kleinen, weißen Holztischchen vor dem fuchsfarbenen Hengst lag, doch je länger sein Gesprächspartner sich zu erklären versuchte, desto grimmiger wurde Thomas Miene.

"Chad...! CHAD! HEY! Jetzt halt mal für einen Moment die Luft an, ja?", knurrte der helle Hengst ungehalten. "Es interessiert mich nicht, wessen schuld es ist, kapiert? DU bist dafür verantwortlich, dass die Kunden zahlen. Niemand anders! und solange sie nicht Zahlen, ist das Dein verdienst und wird Konsequenzen mit sich ziehen. Haben wir uns verstanden?"

Wieder ein Schnauben und ein verzweifeltes Wiehern am anderen Ende der Leitung, doch Thomas ließ sich nicht weichklopfen.

"Kein Aber, Chad! Du kannst das, das hast du schon oft bewiesen und jetzt beweg deinen Hintern da raus und suche diesen vermaledeiten Fettwanst! Das wäre ja nochmal schöner, wenn der uns so ungestraft davonkommt! Das würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen und unsere Glaubwürdigkeit zunichtemachen, verstehst du?"

Zustimmendes Schnauben am anderen Ende der Leitung. Ganz ins Gespräch vertieft bemerkte Thomas gar nicht, wie sich ihm vier kleine Hufe von hinten näherten und immer weiter an ihn heranschlichen.

"Schön, dass wir uns wenigstens hier einig sind! und jetzt zackig! Sonst werde ich-"

"Buh!"

Ein Schrei entfuhr der Kehle des Hengstes und mit einer ungeschickten Bewegung wischte er das Telefon von der Ablage, als er herumfuhr. Mit vor Schreck klopfendem Herzen fand er sich Auge in Auge mit einem kleinen blau-schwarzen Einhorn wieder, dessen Horn silbrig und in allen Regenbogenfarben schillerte, als es ihn angrinste. Der Hörer knallte auf dem weiß-grau marmorierten Boden auf und am anderen Ende war entsetztes, besorgtes Wiehern zu hören.

Behutsam nahm Thomas den Hörer wieder auf, als er seine Tochter in ihrem Lieblings-Einhornkostüm erkannte und legte ihn noch einmal kurz auf die Ablage, ehe er seinen Gesprächspartner beruhigte.

"Nichts passiert. Entschuldige, Chad. Muss Schluss machen. Wir hören uns. bye-bye."

Er legte den Hörer wieder in die Station und begann dann, seine kleine Tochter durchzukitzeln, die lauthals kicherte und sich kieksend zu Boden fallen ließ. Ihr dunkler Umhang rutschte zur Seite und gab den Blick auf ihr wundervolles, hell-cremefarbenes Fell frei, das sich unter ihrem Kostüm verbarg. Nur die blauen Augen, die hatte sie von ihrer Mutter.

Trick or Treat - Eine Mindset KurzgeschichteWhere stories live. Discover now