Der Strumpfmörder, erstes Kapitel

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Als ich an diesem trüben Vormittag ins Büro kam, fand ich meine blonde Vorzimmer-Queen Lucy in Tränen aufgelöst vor.

Freunde, ich bin bestimmt keine Memme. Aber wenn mich etwas aus der Bahn werfen kann, ist es der Anblick einer weinenden Frau. Vor allem, wenn es sich um meine hübsche und kluge Sekretärin handelt.

Ich verwandelte mich schlagartig in einen tollwütigen Bisonbullen.

Während ich mich vor ihrem Schreibtisch aufbaute, ballte ich die Fäuste.

„Lucy. wie heißt der Bastard? Er kann sich schon mal von seinen Zähnen verabschieden und seine Knochen nummerieren."

Meine Sekretärin blickte auf. In ihrem heulenden Elend hatte sie meine Ankunft gar nicht bemerkt.

„Welcher Bastard, Chef?"

„Der Hurensohn, der dein Herz gebrochen hat", knurrte ich.

Lucy blickte zu mir auf. Ihr schöner Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln.

„Ach, Chef - es geht hier gar nicht um Liebe. Der Kerl, wegen dem ich auch nur eine Träne vergießen würde, ist mir noch nicht begegnet. Ich habe geweint, weil meine Freundin Mary umgebracht wurde."

Diese Neuigkeit musste ich erstmal verdauen. Sicher, ich habe eine Detektei. Aber normalerweise kommen Klienten bei uns hereingeschneit, um unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manchmal bleiben auch längere Zeit die Aufträge aus. Dann üben wir uns in der Kunst, den Gürtel enger zu schnallen. Doch dass der Sensenmann in unserem Freundeskreis zuschlägt, kommt eher selten vor. Ich hakte nach.

„Was genau ist denn geschehen? Und wann?"

Lucy atmete tief durch, wobei sich ihr imposanter Busen hob und senkte. Doch ich schaute gar nicht hin. Naja, fast gar nicht. Ich bin eben auch nur ein Mann. Sie zerknüllte ihr spitzenumhäkeltes Taschentuch zwischen ihren Fingern, während sie nach den richtigen Worten suchte.

„Gestern Abend wollten Mary und ich tanzen gehen. Ich hatte gesagt, dass ich sie um neun Uhr abholen könnte. Aber die U-Bahn fuhr mir vor der Nase weg. Also kam ich erst um zehn nach neun bei ihr an."

Ich hielt meiner Sekretärin meine Packung Lucky Strike hin. Lucy nickte mir dankbar zu und nahm einen Sargnagel. Ich bediente mich ebenfalls. Nachdem ich uns Feuer gegeben hatte, löcherte ich sie weiter.

„Wo hat deine Freundin gewohnt?"

„Hudson Street 234."

Ich überlegte kurz.

„Dann bist du mit der U-Bahn wahrscheinlich bis zur Station Christopher Street gefahren?"

Lucy nickte.

„Richtig, Chef. - Ich betrat also die Wohnung. Mrs. Ferris öffnete mir. Sie war Marys Vermieterin, denn meine Freundin wohnte zur Untermiete. Die alte Hexe machte noch eine schnippische Bemerkung über junge Mädchen, die nur ihr Vergnügen im Kopf hätten. Aber ich beachtete die verknöcherte Betschwester gar nicht, sondern klopfte an Marys Tür. Innen war es totenstill. Da beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Ich öffnete..."

„Es war also nicht von innen abgeschlossen?"

„Nein, Chef." Lucy rang nach Atem, bevor sie fortfuhr. „Mary lag auf dem Boden. Sie war halb angezogen, trug nur einen Strumpf. Mit dem anderen hat der Killer sie erwürgt."

Ich konnte mir vorstellen, dass meine Sekretärin innerlich die Situation noch einmal durchlebte.

Und das musste verflixt hart für sie sein.

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⏰ Last updated: Oct 17, 2018 ⏰

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