Mörderische Reben

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Ich fahre gerade die lange Auffahrt zum Haus hinauf. Es war lange her, dass ich das letzte Mal auf dem Anwesen war. Ich war noch neu bei der Mordkommission. Es musste etwa fünfzehn Jahre her sein. Der Hausherr war verstorben. Ein nicht natürlicher Tod. Man munkelte, er hätte seinem Leben ein Ende gesetzt. Gerüchte besagten, dass er sich verspekuliert hatte und er kurz vor dem Konkurs stand. Aber man sehe jetzt. Der Betrieb stand besser da als jemals vorher.

Ich stand vor dem pompösen Anwesen. Schon die Fahrt hier hoch hielt atemberaubende Aussichten parat. Diese Weinberge waren malerisch. Wie viele dieser Schauplätze in meiner langen Zeit als Inspektor hatte ich schon betreten? Zu viele!

Aber ich will mich ihnen erst einmal vorstellen. Mein Name ist Neusüß, Christian. Warum wurde ich immer zu solchen Einsätzen geschickt?

„Christian, du weißt doch, dass du am besten geeignet bist mit den Reichen und Schönen zu arbeiten. Deine Ruhe und Besonnenheit. Das ist halt dein Ding." Soviel zu der Erklärung meines Chefs. Ruhe und Besonnenheit.

Außerdem entspreche ich keinem herkömmlichen Polizistenklischee. Ich bin ledig, ja ein lediger Polizist, ohne schwierige Ehefrau, oder ein Trauma aus meiner Vergangenheit. Manchmal wünschte ich mir schon eine Familie. Zwei bis vier Bälger und eine hübsche liebevolle Frau, die mich nach Feierabend mit leckerem Essen begrüßt. Zuschriften bitte an das Revier. Dort halte ich mich eh am meisten auf.

Ich kann diesen Reichen Schnöseln echt nichts abgewinnen. Mein Chef schätz meine Unvoreingenommenheit. Ich behandle alle Verdächtigen gleich. Kein Vorurteil. Vor allem hier nicht. Aber dazu später noch mehr.

+++

Sarah Finelli hatte ein Juwel erschaffen. Eine Goldgrube, nach der sich so manch einer die Finger leckte. Aber sie regierte ihr Königreich mit eiserner Hand. Es war damals kein Mord nach zu weisen. Man tat es als Unfall ab. Wenn man ausversehen mit dem Seil um den Hals stirbt – gut, dann war es wohl ein Unfall. Das waren die Gründe, warum ich solche Aufträge verabscheute. Es ging immer um den guten Ruf.

Ich steige aus dem Auto und blicke die lange, beeindruckende Treppe hinauf. Sie war ganz in weiß. Am Fußende standen jeweils zu beiden Seiten schön gestaltete Buchsbäume. Der Butler kam mir entgegen. Er, wiederum bediente das klassische Klischee eines Butlers. Immer die Nase etwas zu hoch für seinen Stand.

„Herr Inspektor? Sie werden erwartet. Die Familie ist im Salon. Bitte folgen sie mir."

Ich folge. Es hatte sich in den fünfzehn Jahren nicht viel geändert. Das war so in diesen Umgebungen üblich. Da wurde einmal teuer eingerichtet, und das blieb dann mindestens bis zum Tod des Kopfes der Familie. Je nachdem wie gut man sich mit den Hausherren verstand und wie viel man erbte, änderten die Kinder dann alles um es dann wieder bis zu deren verscheiden so zu belassen.

**

Wir betraten den Salon. Ich erfasste schnellstens die Situation. Zwei Frauen ein Mann. Bis auf Frau Finelli waren mir die anderen Unbekannt. Ich muss zugeben, die Frau hat sich ziemlich gut gehalten. Erfolg steht ihr gut.

„Inspektor Neusüß." Kündigte mich der Butler an.

„Inspektor, welch eine Tragödie, die sie hier her führt. Wir wissen ja, dass wir mit ihrer Diskretion rechnen dürfen, bis der Fall gelöst ist?" „Natürlich. Das ist selbstredend. Darf ich mir selbst ein Bild machen von der Situation?" „Aber selbstverständlich. Folgen sie mir. Wir haben alles so belassen wie Vega es gefunden hat." Ich drehte mich um zu Vega und sah ein schüchternes Mädchen auf dem Sessel sitzen, die kaum ihren Kopf anhob um mich anzublicken. „Vega war mit dem Hund unterwegs. Das macht sie morgens immer. Sie ist da immer sehr gewissenhaft. Ich würde den Köter wahrscheinlich immer nur die Tür rauslassen und warten bis er von alleine zurückkam." Sagte ein Mann, der an der Bar stand. Er kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. „Mein Name ist Jan, Jan Scherke. Ich bin Vegas Ehemann." Ich ergriff die Hand und stellte fest, dass ich diesen Mann nicht leiden konnte. Soviel zu Unvoreingenommenheit, Chef.

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