ZWEI

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Gerade sitze ich mit Liam und Owen am Tisch. Sally habe ich schon lange verloren, wahrscheinlich, weil sie gerade einem super heißen Typen die Zunge in den Hals steckt. Aber mir war es egal. Mit Liam verstehe ich mich gut, und ich kann mir vorstellen, dass ich ihn gerne öfter sehen würde in Zukunft. Owen war ein Kapitel für sich. Ein eingebildeter, arroganter Wixxer mit einem gebrochenen Herzen. Seine Freundin, Amanda hat ihn vor zirka einem Monat verlassen und jetzt lebt er diesen Badboy Lebensstil, obwohl er eigentlich ein Herz voller Gefühle hat und sich schnell neu verliebt. Ich habe versucht, ihn zu trösten, doch das einzige, was aus seinen Lippen zurückkam war ein „Wenn du mich trösten möchtest, mach was anderes." Ich weiß, was er meint.

Mittlerweile merke ich, wie mein Alkoholspiegel steigt. Ich nehme die Musik viel intensiver wahr, mein Kopf schmerzt, mir ist übel, jedoch finde ich meinen aktuellen Gefühlszustand ziemlich amüsant, weshalb ich mir noch ein paar weitere Shots in meinen unerfahrenen Körper hineinschütte. Liam versucht nicht mich aufzuhalten, womöglich weil er mich nicht kennt und es lustig findet, dass ich aus mir herauskomme.

„Wo ist Sally?", lalle ich, während ich mit meinen Händen meinen Kopf versuche zu stützen, welcher von der Musik und den hochprozentigen Gemischen ziemlich angestrengt sein muss. Liam zuckt mit den Schultern, danach fragt er mich ob wir sie gemeinsam suchen gehen wollen. Ich bejahe, da ich einfach nach Hause möchte und meinen Rausch ausschlafen möchte. Hätte ich gewusst, dass sich betrunken sein so anfühlt, hätte ich meine Freundin nie begleitet. Anfangs fand ich es lustig, meine Hemmungen zu verlieren, doch jetzt möchte ich nur, dass dieses Gefühl so schnell wie möglich schwindet. Außerdem möchte ich gar nicht wissen, wie unelegant es aussehen muss, wie ich versucht habe, mich von meinem Sitzplatz aufzuhieven um einen Punkt zu finden, an welchem sich meine Umgebung nicht mehr dreht. Doch, vergebens, es dreht sich immer weiter.

Liam stützt mich, so gut es eben geht, da er selbst nicht mehr bei null Promille ist und er ebenfalls schwankend seinen Weg durch die Menschenmenge finden muss.

„Wo ist sie?", plärre ich ungeniert in Liams Ohr und meinen Schrei mit einem „Sei leise" dokumentiert. Ich lache, da ich weiß, dass er es ironisch meint, jedoch steigt meine Sorge um meine Freundin immer mehr. Sie hat mir doch versprochen, dass sie immer mal wieder nach mir sieht, um sich einen Treffpunkt auszumachen an welchem wir dann gemeinsam nach Hause fahren! Aber, Moment mal... Sally ist definitiv nicht mehr nüchtern, sonst hätte sie sich bei mir gemeldet, aber wir sind mit dem Auto da. Scheisse. Auf was habe ich mich da bitte eingelassen?

„Versuch sie mal anzurufen.", schlägt Liam vor und ich begleite ihn auf den Parkplatz, an welchem wir unsere erste Begegnung erlebt hatten. Ihr Audi steht noch immer unberührt da, das heißt, sie ist auf jeden Fall noch nicht ohne mich gefahren. Erleichtert atme ich aus und zünde mir eine Zigarette an. Ungeschickt taumele ich zurück und lehne mich an die kühle Wand des kargen Gebäudes. Dieses Grundstück betrete ich mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nie wieder. Ich inhaliere den heißen Dampf meines Glimmstängels und atme ihn beruhigt wieder aus.

„Claire!", winkend und lachend kommt Sally auf mich zugestürmt. Als ich realisiere, dass sie es ist, ziehe ich sie in eine lange Umarmung.
„Wo warst du, Sally?"
„Ach, mal hier, mal da. Ich habe jemanden kennengelernt. Tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe, aber du weißt doch, nach Jack..."
„Ja, du brauchst deine Ablenkung, ich weiß."

Jack war der langjährige Lebensgefährte meiner besten Freundin. Seitdem die beiden fünfzehn waren waren sie ein Paar. Heute ist Sally 23. Und er ist im Gefängnis. Er hat ihr lange versprochen, nicht mehr zu dealen, doch da das gute Geld, was er mit dem illegalen Job verdiente viel zu verlockend für ihn erschien, macht er weiter. Sally war ihm dabei anscheinend völlig egal. Bis die Polizisten eines Tages bei ihm vor der Haustür standen und eine Durchsuchung vollzogen. Zehn Gramm Koks, ein knappes Kilo Marihuana und ein paar Pillen fanden sie. Sally war an diesem Tag gerade bei ihm gewesen, und während er verzweifelt am Küchentisch saß und den Tränen nahe war, schmiss sie ihm die Schlüssel hin, holte ihre Sachen und war weg. Jack's bester Freund erzählte ihr eine Woche später, dass er zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

„Möchtest du nach Hause?", fragt sie mich besorgt.
Ich kann nicht antworten, da mir meine Magensäure ruckartig den Hals hinaufkommt und ich mit peinlichen Würg -& Hustgeräuschen versuche, mich gerade zu halten. Ich hätte nicht mitkommen sollen.

„Claire, was übertreibst du denn so?", lacht Sally. Ich zucke mit den Schultern, spüle mir mit Wasser aus meiner Wasserflasche, welche ich zum Notfall in meiner Tasche aufbewahre den Mund aus und folge Sally zu ihrem Auto.

Diese Nacht war womöglich die Schlimmste in meinem Leben.

»kiss,bite«Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt