Langsam laufe ich durch die nächtlichen Straßen Seouls.
Hier gibt es, trotzdem ich eher am Stadtrand lebe, für meinen Geschmack nachts auch noch zu viel künstliches Licht.Ich freue mich schon wenn gleich alles dunkel ist und nur noch die Lichter am Himmel alles erleuchten.
Je näher ich meinem Ziel komme desto schneller laufe ich.Gleich bin ich da.
Hoffentlich kommt er heute auch wieder.
Ich konnte ihn die letzten Tage nie erreichen, wenn er heute Nacht wieder nicht auftaucht, werde ich wohl oder übel morgen meinen Nachmittagsschlaf ausfallen lassen müssen, um ihn zu suchen.Unsere Beziehung wurde von unseren Eltern nicht geduldet und sie setzten, als sie es herausfanden, alles in Kraft, damit wir keinen Kontakt mehr hatten. Da wir uns aber sowieso auf dieser Brücke erst kennen gelernt hatten, trafen wir uns dann schließlich nur noch Nachts da.
Ich konnte mich noch gut an unser erstes Treffen erinnern, als er gedacht hatte, ich hätte vor mich umzubringen und er mir alle schönen Dinge auf dieser Welt aufgezählt hatte, für die es sich zu leben lohnt.
Als ich ihn dann erklärt hatte, dass ich keinesfalls vor hatte mein Leben zu beenden, war er aber nicht einfach weggegangen, sondern hatte sich zu mir gesetzt.
Er hatte mir erzählt das er nachts nicht schlafen konnte und deswegen oft nachts durch die Straßen Seouls wanderte. Den Grund dafür hatte ich erst viel später erfahren.
Wir verstanden uns auch ohne große Wortwechsel unwahrscheinlich gut und so kam es das wir uns ab da jede Nacht trafen. Im Winter kam es dann durch Glatteis und einen unglücklichen Fang, zum ersten Kuss und nach zwei Wochen peinlichem Schweigen zum zweiten Kuss und die Nacht darauf waren wir dann ein Paar.Zwei Monate lief alles prächtig, wir trafen uns auch tagsüber und unternahmen gemeinsame Sachen, doch dann kam er eines Nachts mit blauen Flecken überall im Gesicht zu unserem Treffen. Sein Vater hatte ihn geschlagen, da er uns zusammen auf der Straße gesehen hatte.
Ich wurde wütend und wollte mit seinem Vater sprechen, er informierte jedoch nur meine Eltern und da die nunmal homophobe Arschlöcher waren, verboten sie uns unsere Treffen und so kam es zu unseren heimlichen, nächtlichen Treffen.Doch in der letzten Zeit kam er immer unregelmäßiger, weswegen ich dann oft alleine die ganze Nächte dort saß.
Schon bevor wir uns kannten, hatte ich da nachts alleine gesessen und es hatte mir nie etwas ausgemacht, doch jetzt wo ich ihn kannte war, wenn er auch da war, tausendmal schöner.Ich hasse unsere Eltern unendlich für diese engstirnige, altmodische und vor allem egoistische Art.
Jedes Treffen mit ihm genieße ich in vollen Zügen, doch ich würde ihn am liebsten den ganzen Tag bei mir haben und ihn nicht nur Nachts treffen können. Vorausgesetzt er tauchte überhaupt auf...Ich liebe es auf der Brücke in der nächtlichen Stille zu sitzen, nur im Licht des Mondes. Einfach alles um sich herum vergessen, alle seine Sorgen sind dann weg und man fühlt sich unendlich frei.
Im schnellem Tempo kletter ich über die Absperrung und drücke mich in den Schatten der großen Eisensäulen, hier soll mich besser niemand erwischen.
Kurz linse ich um die Ecke, ob die Luft rein ist und als ich nichts entdecken kann, hüpfe schnell über die rostige Seitenplanke und laufe dort über den aufgerissenen Asphalt.
In der Mitte der Brücke kletter ich über das Eisengitter und setzte mich dahinter auf die schmale Plattform und lasse meine Beine über den Rand baumeln.
So sitze ich da.
Alles ist ruhig.
Nur das rauschen des großen Flusses unter mir ist zu hören.
Ich hoffe so sehr das er kommen wird.Ich lehne meinen Kopf ein Stück zurück bis ich das kalte Metall an meinem Hinterkopf spüre und starre in den nur von Sternen und Mond erleuchteten Himmel.
Wegen den hellen Lichtern der Großstadt sind nicht alle Sterne zu sehen, doch trotzdem ist es ein sehr schöner Anblick den ich jede Nacht bis in die letzte Sekunde genoss und das natürlich am liebsten mit ihm...
Irgendwann vergesse ich die Zeit und starrte in das tintenschwarze Wasser unter meinen Füßen. Ich habe alles um mich herum vergessen, die Stille scheint wie Watte um meinen Körper herum zu sein, die mich weich einhüllt.
In so welchen Momenten, werde ich immer sehr tiefsinnig und denke darüber nach warum ich überhaupt lebte und worin der Sinn meines daseins eigendlich ist und immer komme ich auf die gleiche Antworte......immer ist der Grund Jin und unsere gemeinsamen Nächte auf dieser Brücke.
Ohne ihn würde nichts mehr einen Sinn machen und alles zusammenbrechen.Verliebt lächelnd starre ich vor mich hin als ich plötzlich in der nächtlichen Stille das knirschen von Schuhen auf lose Kieselsteinen höre.
Vor Freunde überschlägt sich mein Herz und schlägt im doppelten Tempo weiter.
Endlich ist er wieder da, ich habe ihn so vermisst.
Er klettert er über das Gitter und setzt sich seufzent neben mich.
Ein kurzen Augenblick schaute ich noch versonnen in das Licht des Mondes, dann drehe ich meinen Kopf lächelnd nach rechts.Eigendlich sind unsere Begrüßungen immer still und voller Liebe, wir waren nie das Pärchen gewesen das sich kreischend und wild knutschend begrüßt, doch diesmal ziehe ich nur erschrocken die Luft ein.
"Oh nein", flüstere ich und streiche vorsichtig über den blauen Fleck seitlich seines Auges. Meinen Magen zieht sich vor Wut krampfhaft zusammen, doch ich weiß das ich sie unter keinen Umständen heraus lassen durfte, wir dürfen nicht riskieren das unsere Eltern noch Mittel fanden uns zu trennen.
"Ich wollte warten bis es weg ist und du dir keine Sorgen machen musst, aber ich habe dich schrecklich vermisst." flüstert Jin mit leiser, leichte heiser Stimme, bis zum Ende hin seine Stimme bricht und Tränen über seine Wangen kullern.
Schnell ziehe ich ihn an mich und umarme ihn so gut es bei so wenig Platz. Vorsichtig streiche ich ihm immer wieder über die weichen Haare.
"Nicht weinen, baby " raune ich leise, doch er krallt nur seine Finger in meinen Rücken und schluchzt bitterlich an meiner Schulter.
"..., Moonchild, don't cry. When moon rises, it's your time..."
singe ich leise unser altes Lied an seinem Ohr und streiche ihm immer wieder beruhigend über den Rücken.
Schließlich beruhigt er sich und seine Schluchzer werden immer weniger bis sie schließlich ganz aufhören.
Er löst sich von mir und schaut mir verschnieft in die Augen.
"Bald wird alles gut, Jin. Dann haben wir genug Geld gespart um uns eine Wohnung leisten zu können und unsere Vergangenheit hinter uns zu lassen. Wir schaffen das okay."Jin nickt leicht und lächelt mich schief an. Lange schauen wir uns einfach nur in die Augen, dann lege ich einen Arm um seine Schulter und wir schauen in das helle Licht des Mondes.