Am nächsten morgen traf ich die anderen beiden wie gewohnt in der Schule. Wir unterhielten uns über die Geschehnisse des vorigen Tages und Maya erzählte, wie ihre Eltern rausbekamen, dass sie nicht mehr zum Geigenunterricht ging. Schöne Scheiße. Ob sie nun am Abend auch mit zu Josh könne, blieb fraglich. Sie bestand jedoch darauf, mitzukommen. Dass sie sich dafür herausschleichen musste, war ihr egal; es wäre ja nicht das erste Mal. Nach und nach verging die Schulzeit und ehe ich mich versah, war es bereits 16 Uhr und ich befand mich auf dem Weg nach Hause. Ich kam gerade zu Hause an, als das Telefon klingelte. "Ja?"
Eine altbekannte Stimme war am anderen Ende des schnurlosen Telefons zu hören. "Ich bins." "Maya? Wieso rufst du über das Festnetz an?" Ich runzelte die Stirn. "Meine Eltern haben mir mein Handy abgenommen, ich muss mich beeilen. Sie merken bestimmt bald, dass ich telefoniere. Wie dem auch sei, ich bin in 20 Minuten bei dir." Und schon war die Leitung tot.
Die Tür klingelte gerade, als ich aus der Dusche kam. Gerade, als ich runtergehen wollte, kam mir Maya entgegen. Mein Blick musste sehr verwirrt gewesen sein, denn Maya sagte nur: ,,Ich weiß, wo euer Schlüssel liegt. Schon vergessen? Die Fußmatte ist kein besonders kreatives Versteck." Ich nickte nur ein bisschen verwirrt und ging dann, von Maya gefolgt, in mein Zimmer.
"Willst du so gehen oder dir was anderes anziehen?" Ich deutete auf Mayas Kleidung. Sie lachte und zog aus ihrer Tasche ein Kleid heraus, was ich nur zu gut kannte. "Wirklich, das kleine Rote?" Mir entwich ein Lachen. Maya trug dieses Kleid immer, wenn es was zu feiern gab- ob das nun der 5. Juli, eine bestandene Prüfung oder Rabatt bei Tracey's, unsrer Lieblingsboutique, war. Ihr Nicken bestätigte meine obligatorische Frage und so zog ich mir ebenfalls passende Kleidung an. Ich entschied mich gegen ein Kleid und einfach nur für eine bequeme Jeans mit einem schwarzen AC/DC Bandshirt.
Hätte ich gewusst, was an diesem Abend geschehen würde, hätte ich mich definitiv nicht für dieses Shirt entschieden, und wäre vorallem einfach mit Sam und Maya zu Hause geblieben.
Gerade, als Maya und ich fertig waren, fuhr auch schon ein blauer BMW 320 D ein, Sams Auto. Er hatte es sich letztes Jahr nach langer, harter Arbeit gekauft. Sein Traumauto, oder auch "Betsy", wie er das Auto liebevoll nannte.
Wir trafen, nach einem kleinen Anfangsbierchen und Begrüßungsjoint, um kurz nach halb acht bei Josh ein. Die Party war bereits in vollem Gang. Ein Teil der Menschen war schon zu betrunken, um gerade zu stehen, einige reiherten in den Hausgang. Im Wohnzimmer saß Josh mit einigen anderen und zog Lines von einem kleinen Glastisch in der Mitte des Raumes. Ich musste sofort daran denken, wie das damals war, als ich zum ersten Mal mit Sam Meth nahm- zum ersten und letzten Mal. Als Sam das Grüppchen sah, ging er sofort zu ihnen hin und setzte sich dazu. Da wir keine Lust hatten, bei den Junkies der Stadt zu verweilen, gingen Maya und ich in die Küche und holten uns etwas zu trinken. Nachdem wir einige Zeit mit irgendwelchen Menschen geredet hatten, gingen wir zurück ins Wohnzimmer, wo wir auch wieder Sam antrafen. Dieser war jedoch ziemlich zugedröhnt. Ich hasste es, wenn er so war. In diesem Zustand war er unberechenbar. Vor ein paar Monaten war er richtiggehend aggressiv und dies führte bei uns beiden zum Streit. Nach ein paar Stunden hatten wir das Kriegsbeil natürlich wieder begraben, doch ich hatte seitdem stets kein gutes Gefühl, wenn er so war. Natürlich sollte ich das auch haben, selbst wenn wir uns nicht gestritten hätten; er konsumierte ja immerhin höchst abhängig machende Drogen. Doch dies machte mir irgendwie nicht viel aus. Ich hatte ja selbst ein kleines Drogensuchtproblem. Zwar "nur" mit Zigaretten, aber das zählt.
Als Sam uns sah, kam er direkt auf uns zugewankt. "Heeeeey." Er zog das Wort unnatürlich lange und umarmte uns. Er stützte sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf uns und ich wurde annähernd erdrückt. "Sam geh zur Seite." Ich versuchte, unter seinem Körper wegzutauchen, wobei ich sein Getränk verschüttete. "Hey!" Jetzt war das Wort nicht mehr langgezogen, sondern nur wütend. Oh Nein. Maya fing meinen Blick auf und versuchte gleichzeitig, Sam und mich irgendwie zu stabilisieren. Sam hatte sich jedoch wütend aufgebaut und funkelte mich an. "Du hast mein Trinken verschüttet! Wieso hast du das gemacht?!" Ich hatte mich nun wieder gefangen und schaute ihn grimmig an. 'Das ist nicht er, das sind die Drogen. Er ist nicht wütend. Das endet nicht, wie letztes Mal.' Ich versuchte mir, diese Sätze einzureden. Voller Hoffnung, sie würden ihn irgendwie telephatisch erreichen. "Sam, das war nur ein Getränk. Komm runter und hol dir ein neues. Und wie wärs mit ein bisschen frischer Luft, damit du ein bisschen runterkommst?" Maya versuchte, ihn zu beruhigen. Seine Reaktion belief sich darauf, dass er sich noch aggressiver hinstellte. Es erschreckte mich, ihn so zu sehen. So kannte ich ihn nicht. Aus irgendeinem Grund sammelten sich Tränen in meinen Augen, vielleicht, weil es mich verletzte, ihn so zu sehen. "Ich weiß nicht, was du von mir willst. Sie hat mein Trinken verschüttet und jetzt wollt ihr mich loswerden, alles klar. Ich kann gehen." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging auf die Terrasse nach draußen. Maya und Ich schauten ihm nach. "Sollten wir hinterher?" Ich überlegte kurz, doch entschied mich dagegen. "Lieber nicht. Das könnte Öl ins Feuer gießen. Du kennst ihn doch."
Da Ich nun dringend etwas Luft und Nikotin brauchte, ging ich auf die Vorderseite des Hauses und setzte mich auf den Bordstein. Maya wurde auf dem Weg nach draußen von einem ihrer Mitschüler aufgehalten.
Nachdenklich rauchte ich meine Zigarette und musterte die Autos, die vor dem Haus standen. Mein Blick blieb an Sam's BMW hängen. Was hatten wir schon alles mit Betsy erlebt? Meine erste Fahrstunde, welche in einem Disaster endete; Mayas erster Joint, nachdem sie ins Auto brach; unzählige Fahrten durch die Nacht. Wir stritten in diesem Auto und lachten- alles gemeinsam. Auch, wenn es Sam nicht gefallen würde, aber ich musste ihn zu einer Therapie zwingen. Marihuana war noch einigermaßen akzeptabel, aber diese ganzen Anderen Dinge, die er mittlerweile einwarf, das war einfach nicht mehr gut für ihn. Ich rauchte die Zigarette zu ende und beschloss, drinnen Sam zu suchen und mit ihm zu reden. Das musste ein Ende haben.
Auf der Suche nach Sam fand ich Maya und rettete sie vor ihrem Mitschüler, von dem sie offensichtlich ziemlich genervt war. Sie bedankte sich überschwänglich, als wir außer Sichtweite waren und dann half sie mir, Sam zu suchen. Wir befanden uns gerade im Wohnzimmer, als wir sahen, dass Josh, Sam und einige andere nicht mehr da waren. Auf die Frage hin, wo sie seien, antworteten andere Gäste meist nur mit einem Schulterzucken.
Gerade, als wir nach oben gehen wollten, passierte es. Ein lauter Knall, der selbst die viel zu laute Musik übertönte. Sofort bekam ich Angst. Dann hörte ich die Schreie. Ich rannte aus der Haustüre nach draußen und blieb dann wie angewurzelt stehen, sodass Maya fast in mich rein rannte. Ein Auto hatte den großen Ahorn vor dem Haus gerammt. Ein blauer BMW 320 mit schwarzen Felgen und einem großen, hässlichen "Pokémon"-Aufkleber auf dem Kofferraum.
Aus dem Autoradio tönten noch die Klänge von "Hells Bells" von AC/DC.
DU LIEST GERADE
Ice
Teen FictionMaya, Sam und Alane. Jung, frei und glücklich. Doch was passiert, wenn ihnen ihr Alltag viel zu langweilig wird? Was ist, wenn eine einzelne Entscheidung ihr Leben für immer verändert? Maya,Sam und Alane. Gefährlich, zerstört, abhängig. ...