Kapitel 1

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Nur die Stille und Kälte kann ich um mich realisieren, während ich noch meine Gefangene im meinem eigenen, von mir kreierten Traum bin.

Ich sitze zwischen zwei Wänden, die eine Ecke bilden, auf einer glatten Oberfläche. Der ganze Raum ist so von Stille erfüllt, dass ich jeden Schlag meines Herzens höre. Es pocht und pocht und wartet nur, endlich in die Luft zu springen, wie eine tickende Zeitbombe. Und es ist so extrem kalt, dass nicht einmal mein Angstschweiß mich wärmen kann. Das Schlimmste, ist die Dunkelheit hier. Jeder Blick den ich wage, führt ins Ungewisse, alle meine Bewegungen werden von ihr verschlungen und es nimmt mir jegliche Zeichen, das ich überhaupt noch existiere. Vielleicht ist es aber auch nur die Leere hier, die den Raum schwarz erscheinen lässt. Vielleicht ist da was, aber ich kann es nicht sehen, weil alles schwarz ist. Vielleicht ist der Weg hieraus, zum Greifen nahe, aber ich sehe es nicht, weil alles dunkel ist. Aber was macht es auch für ein Unterschied, ob es leer ist oder schwarz. Beides ist doch irgendwie miteinander verknüpft. Es wirkt leer, weil alles schwarz ist und es ist schwarz und dunkel, weil der ganze Raum einfach nur leer ist. Egal, beides hindert mich aus diesen Raum und Traum zu entkommen. Somit gibt es keinen Weg hinein und hinaus, kein noch so kleines Schlupfloch das ich sehen kann. Aber auch keine Kraft, die diese Mauer Patrouille bieten könnte. Jeder Versuch zu entkommen scheitert und jeder Schlag von mir, gegen diese Wand raubt mir nur jegliche Kraft aus meinen Armen und Beinen. Nichts das durch meine Schläge irgendwie zerbricht. Es bleibt einfach genauso stehen, als wäre nichts passiert.

Das Einzige, das in der Zelle letztendlich zerbricht ist meine Hoffnung zu entkommen und meine Knochen, die es satt haben immer wieder aufs Neue gebrochen zu werden. Auch nicht mein Schreien nach Hilfe dringt aus diesen Raum. Oder es ist einfach keiner da, der mir helfen will und kann, den es gleichgültig ist das ich hier meine Seele aus mir herausschreie und weine bis alle Emotionen die ich jemals besaß komplett verblassen.

Am Ende bin ich wieder am Anfang. Ich sitze wieder in meine Ecke, umhüllt von der ständigen Kälte und Stille und blicke wie gelähmt ins Leere oder ins Schwarze. Und höre zu wie mein Schicksal lacht und lacht, weil es weiß, ich komme nicht mehr raus.

Diese Zelle aus der ich immer und immer wieder versuche zuentkommen ist mein verdammtes Leben. Das Leben, das ich seit zwei Jahren versuche zu führen. Und jetzt beginnt schon wieder ein weiterer Tag, ein weiterer Morgen, ein weiterer Fehlschlag zu entkommen.

Ich wache wieder durch eine Art Panikanfall auf, schweißnass liege mit dem Rücken auf dem Bett da und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Mein Herz pocht und mein restlicher Körper zittert wie wild. Jede Vene in mir pulsiert und das einzige was ich tun kann ist zu fühlen wie das Blut durch meinen Körper ein und ausfließt, bis in mein Herz. Und mein Kopf explodiert durch die Hitze. Ich versuche es erneut und schließe meine Augen, so tief und fest ich kann, um mich auf einen normalen Rhythmus zu fokussieren, doch mein Herz lässt sich einfach nicht besänftigen.

Es dauerte weitere 10 Minuten bis ich meinen Körper wieder richtig unter Kontrolle habe und meine Atmung gleichmäßig und langsamer wurde. Die Kontrolle über meinem Körper ist wieder da. Und nun liege ich hier und starre gegen die Decke, während noch ein Gedanke mich plagt. Wann wird mein Verstand endlich verstehen, dass das alles nur ein verdammt schlechter Traum ist, dass das alles nicht real ist. Dass ein Traum und das Leben zwei unterschiedliche Welten sind, die man auseinanderhalten sollte. Aber nach Jahren versteht mein Verstand es einfach nicht und lässt es zu das mein Traum mein Leben ständig verfolgt und einholt.

Ich streife mir die Decke von meinem Körper und ich spüre sofort wie die Kälte mich wieder umhüllt. Am liebsten würde ich einfach nur hier liegen bleiben wollen, in meiner Decke verschlungen. In der Wärme, geschützt von allem was draußen ist. Genau das würde ich tun, wenn ich nicht auf die Arbeit müsste. Und diese kleinen hartnäckigen Perlen auf der Haut machen es einen auch nicht leichter aufzustehen, was für eine Gänsehaut. Ich drehe mich nach rechts, setze mich auf die Bettkante und suche nach meinen Pantoffeln. Langsam gewöhne ich mich an die Kälte und wage die ersten Schritte aus dem Bett. Nachdem ich die Tür zum Wohnzimmer öffnete, spürte ich schon Piss zwischen meinen Beinen. Sein Fell ist so weich und warm, ein Hund müsste man sein, um sich diesen täglichen Morgen-Horror ersparen zu können.

„Du hast bestimmt Hunger meiner Großer?", fragte ich Piss, auch wenn ich genau wusste, dass ich keine Antwort bekommen würde.

Piss knurrte nur, während ich ihm am Hals graulte. Ich gab ihm die Leckerlies aus dem ersten Regal und stellte gleich eine Schale mit Milch in seine Ecke. Dann wandte er sich auch wieder weg von mir, als ich ihn sein Essen gemacht habe. Typisch Piss, liegt wahrscheinlich in den Genen, Männer sind auch nur so lange anhänglich, bis sie bekommen was sie wollen.

Während Piss noch mit seinem Frühstuck beschäftigt ist, gehe ich ins Bad um mich fertig für die Arbeit zu machen.

Ich spüre den kalten Windzug, als ich die Badezimmertür öffnete. Noch bevor ich das Fenster schließen wollte, fing es draußen an langsam zu regnen und aus einen leichten Nieseln würde ein richtiger Regenschauer. Ich hörte den Regen noch eine Weile lang zu, kippte dann das Fenster und widmete mich wieder meiner morgendlichen Tortur. Zu allererst wischte ich mir mein Gesicht mit Wasser ab, dann mit Gesichtswasser und im Anschluss cremte ich mich noch mit der Pflegecreme aus den dritte Fach ein.

Früher klatschte ich mir alles was die Schönheitsfabriken bieten konnte, und heute sind es immer diese simplen drei Schritte, die meine Prozedur am Morgen definieren. Und es hat seine Vorteile, denn somit kann man auch länger im warmen Bett bleiben. Warum sollte man sich auch Stunden vor den Spiegel stellen, um bereit für die Öffentlichkeit zu sein. Eigentlich idiotisch, aber gut, so war ich auch. Makeup war für mich wie ein Kleidungsstück, ohne das, würde man sich unwohl fühlen. Wie als wäre man nackt, und wer würde schon nackt aus dem Haus gehen? Was würden die Leute denken, wenn man auch so rausgehen würde. Und genau das war es, was mich wahrscheinlich antrieb, es zu tun, wie alle andren. Es kümmert einen doch selber nicht das man nackt auf die Straße geht. Es kümmert uns nur, was die anderen um einen denken. Deswegen ziehen wir uns so schön wie möglich an, klatschen uns alles Mögliche ins Gesicht. Dafür geben wir Geld aus, um auszusehen wie eine Barbie. Ja und genau das war ich: dünn aber nicht zu dünn, groß aber nicht zu groß, kurvig aber nicht zu kurvig. Dazu schön gebräunte Haut, große blaue Augen und die perfekten blonden Wellehaaren. Und ich wusste es, dass ich wunderschön war, aber trotzdem war es mir irgendwie nicht genug. Ich wollte Aufmerksamkeit, ich wollte das die Menschen um mich, mich sehen. Ich weiß es ist absurd, sich schöner zu machen als man ist. Und das nur für Blicke von unbekannten Leuten, die nur auf das Äußere fixiert sind und sich eigentlich ein Dreck um mich scheren. Ich habe es damals nicht verstanden, aber ich verstehe es heute.

Sie sollen mein wahres nacktes Gesicht sehen, denn ich habe keine Zeit und Kraft mehr, darüber zu grübeln, wie ich rausgehen soll, damit ich passend für die Öffentlichkeit bin. Es ist mir egal was sie denken, wie ich aussehe, wie ich bin. Eigentlich brauchen sie auch gar nicht zu wissen, dass ich überhaupt existiere. Ich selber weiß auch nicht mal, ob ich existiere, wenn ich in den Spiegel starre. Sowas ist nämlich schwer einzuschätzen, wenn man einfach nichts im Spiegel sieht. Manche suchen nach einem Pickel, nach Augenringen, nach Falten im Spiegel und ich suche erfolglos nach meinem Gesicht. Meine Nase, meine Augen, meinen Brauen, alles ist weg. Aber nicht nur mein Gesicht, sondern einfach alles an mir und um mich ist weg. Es ist weg und hat an Existenz verloren. Es ist nichts da, was man mit bloßen Auge unterschieden kann, weil es keinen einzigen bunten Fleck und kein Licht um mich gibt. Jemand hat einfach das Licht ausgemacht und alles hat an Farbe verloren. Alles hat an Wert verloren, als ein schwarzer Streifen meine Augen und mein Leben verdeckt haben.


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B.E.DWhere stories live. Discover now