Macht und Blutrausch in "Die Bruderschaft des Schmerzes"

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Blut, Macht und Gewalt

Schon allein der Titel dieses wundervoll blutigen Science Fiction Klassikers lässt erahnen, dass keine der handelnden Personen ohne wenigstens ein, zwei Kratzer am Körper und in der Psyche davon kommen wird. "Die Bruderschaft des Schmerzes" erzählt eindrucksvoll und erbarmungslos, wie ein ins Exil geschickter Diktator einen von einer gewalttätigen Bruderschaft regierten Planeten zeitweise übernimmt. Dabei ist eine bloße Übernahme noch stark geschönt ausgedrückt.

Handlung

Bart Fraden, von Beruf Arschloch und ehemaliger Präsident - Diktator, wenn man es genau nimmt - im Asteroidengürtel flieht mit seiner temperamentvollen Freundin und einem mehr oder weniger befreundeten Militärs ins Exil - nur um sich dort direkt einen Planeten zu suchen, auf dem er durch eine Revolution wieder an die Macht kommen kann. Dort angekommen müssen sie jedoch feststellen, dass durch die dortige Flora und Fauna lediglich Insekten und Menschen gedeihen, was dazu führte, dass eine gewaltversessene Bruderschaft Menschen, genannt Tiere und Fleischtiere, zum Vergnügen, Verspeisen und schöne Frauen auch zum Vernaschen züchtet. Fraden und sein Militärs beweisen jedoch, dass sie noch wesentlich ausgefuchster sein können, und beginnen mit ihrem Guerillakrieg. Was sie dabei erleben, vorfinden und bekämpfen müssen, schlägt ihnen jedoch mehr als einmal auf den Magen.

Die Bruderschaft des Schmerzes und ihr Planet

Was die Brüder sich aufgebaut haben, ist ein ausgeklügeltes System, aus welchem sie immer als Gewinner hervorgehen. Sie haben ihre Sklaven, die sie so gezüchtet haben, dass sie gefallen, haben ihre Töter, die sie bewachen und blutrünstig auf alles einschlagen, was auch nur halbwegs feindlich aussieht, und ihre Fleischtiere, die sie verspeisen, mit dem, was an Gemüse anbaubar ist. Richtig - die Brüder schwören nicht nur immer wieder auf Hitler, nein, sie sind auch Kannibalen, die sich mit Freude die Qual anderer ansehen, Sklaven gegeneinander kämpfen lassen oder Horden von ihnen Foltern. Auch ihr Initiationsritus hat es in sich. Aus Schmerzen anderer ziehen sie ihre Freude. Das sorgt auch dafür, dass sie ca. 15 Millionen Bewohner des Planeten neben den Brüdern und Tötern seit Jahrhunderten in Angst, Unterdrückung und Gewalt leben. Aus jedem Dorf müssen monatlich Tribute mitgenommen werden, die dann stumpfsinnig in den Tod gehen. Und so funktional doch das System ist, fällt immer wieder eines auf: Eigentlich gibt es außer den drei Außenweltlern nur Idioten.

Alles Idioten, außer uns!

Fraden ist ein absolutes Genie, wenn es um Propaganda geht, Willem, der Militärs, wenn es um Kriegsführung geht, und Sophia, Fradens Freundin, wenn es um die beiden machthungrigen Männer geht. Die drei haben sich, bevor sie ins Exil gingen, weit hoch gearbeitet und hatten außerordentliche Positionen inne, da ist ihr intellektueller Vorsprung sehr einleuchtend. Zwar scheint diese Prämisse, die sich immer mehr zeigt, etwas faul von Seiten des Autors zu sein, ergibt im Kontext aber auch Sinn: Auf Sangre haben sich die Verhältnisse seit so langen Zeiten nicht mehr geändert, es gab so wenige Bedrohungen, dass der Intellekt einschlief und nur noch das Vergnügen vorherrscht. Das also die drei von weit her einen Vorteil haben ist nicht nur für das Narrativ, sondern auch vom Worldbuilding her passend. Es sorgt zudem immer wieder für amüsante Momente, wenn Konzepte versucht werden den Sangranern beizubringen, in deren Köpfen einfach nur gähnende Leere herrscht. Jedoch darf das Oberhaupt der Sangraner nicht unterschätzt werden - wenngleich Fraden schlauer ist, ein Ass im Ärmel oder in seinen Fettschichten hat Moro doch immer wieder.

Machthunger und Blutdurst

Machthunger und Blutdurst haben nicht nur die Bruderschaft, sondern auch Fraden und seine Leute. Dies wird auf den ersten paar Seiten direkt klar: Fraden möchte regieren, möchte besitzen, möchte beherrschen. Aber auch Sophia hat eindeutige Tendenzen in diese Richtung, wenn auch etwas anders. Sie liebt Fraden größtenteils wegen seiner skrupellosen Art, die ihm zu Macht verhilft. In dem Moment, in dem er die Volksarmee aufbaut, liegt sie ihm quasi zu Füßen. Dennoch haben sie immer noch eine ausgeglichene Beziehung, in der sie ihn auch mal wieder auf den Boden der Tatsachen bringt. Gegenseitig können sie sich über sich selbst erheben, König und Königin der Welt werden und sich anbeten. Willem ist noch mal ein anderes Kaliber, er strebt nach exekutiver Macht. Und Gemetzel. Was ihn glücklich macht, ist die Möglichkeit, mit einem gewissen Nervenkitzel den Feind vollständig zu zerquetschen. Dabei zeigt er absolute Respektlosigkeit den Toten gegenüber, und hat unbändige Freude daran, abgetrennte Körperteile zu sehen. Jedenfalls scheint es zu Beginn so, also würde er nicht mehr wollen. Aber mit der Schlacht im Dreiertal wird langsam klar, dass Willem eigentlich vor Neid auf Fraden zerfressen wird. Er lässt seine Männer plündern und isst fleissig das Menschenfleisch der Fleischtierherden, ohne viel darüber nachzudenken. Und dann schafft er es tatsächlich, noch über die Skrupellosigkeit Fradens herauszugehen, und beginnt damit, seinen Sadismus vollkommen auszuleben. Und das ist sogar unserem eiskalten Protagonisten zu viel - denn irgendwo hat er doch noch ein Herz. Und trotz ihrer Differenzen bindet beide ihre ausgeprägte Gier. Denn was Willem gut kann, ist es, ein Gefecht auszuführen, wobei er mehrere Kamikaze-Wellen aus Banditen schickt, die Fraden vorher rekrutierte. Wenn das mal kein Teamwork ist. Aber auch das beste Team kann an Differenzen zu Grunde gehen!

Auch die Bruderschaft liebt ihre blutigen Wettkämpfe, ihr brutales Ritual, ihr Menschenfleisch, die Sklavinnen, mit denen sie sich vergnügen und die absolute Macht, die sie innehaben. Aber nach einiger Zeit weiß man um ihre fürchterliche Art, und sie erschreckt nicht mehr. Was dann aber erschreckt, ist die Brutalität der Sangraner. Sie sind von Gepeinigten zu Peinigern geworden, und leben das in aller Seelenruhe aus. Es dürstet sie nach Rache, nach dem Gefühl, auch jemanden quälen zu können, und es sich endlich gutgehen zu lassen. Da sie leider auch alle Idioten sind, können sie ihre neue Zerstörungswut auch nicht kontrollieren und fallen im Stadion sogar übereinander her.

Warum macht solch einen Spaß, dieses fiese Gemetzel zu lesen?

Bart Fraden und Sophia sind letztendlich tatsächlich am wenigsten schlimm, und man fängt an zu hoffen, dass sie gewinnen, hasst ihre Feinde, aber bekommt gleichzeitig auch immer wieder ihr menschliches Versagen vor Augen geführt. Damit sind sie tatsächlich runde Charaktere, ausgefüllt mit Leben, Stärken und Schwächen. Ihr Machthunger ist weitaus weniger sadistisch als der der anderen Parteien, sie sind intelligenter, sie sind sympathischer. Damit ist es dem Autor geschickt gelungen, eine Welt voller abscheulicher Gestalten zu schaffen, und die am wenigsten abscheulichen tatsächlich genug sympathisch zu gestalten, sodass man sie anfängt ernsthaft zu mögen und darüber hinwegsieht, dass sie gerade aus dem Nichts auf einen total zerrütteten Planeten gelangt sind und riesige Blutbäder anrichten, um einen von ihnen angezettelten Krieg zu gewinnen. Aber er enttäuscht uns nicht, der liebe Bart Fraden: Sein von ihm selbst dauernd angepriesener Intellekt bewahrt ihn nicht vor Fehlern, sorgt aber dafür, dass er wundervoll andere in ihre eigenen, idiotischen Fallen laufen lässt und als Sieger hervorgeht. Das er in dieser Rolle nicht bleiben will, wundert mich nicht. Der Planet ist ein wahres Dreckloch.

Die Menschlichkeit im ganzen Wahnsinn

Aber er macht es eben auch nicht ganz locker. Er steckt nicht all die Toten, all die Verspeisten, all die Gequälten weg. Er ekelt sich teilweise sogar vor sich selbst, ekelt sich vor den anderen, und ist auf einmal sehr menschlich. Generell ist, so überspitzt es auch sein mag, der Plot nicht aus den Sternen gegriffen. Im Gegenteil - die Art, wie Propaganda funktioniert, wie man Massen führt, wie Systeme verankert und nur schwer aufgebrochen werden, dass ist alles einwandfrei dargestellt. Außerdem ist die tieferwerdende, überraschend emotionale Beziehung von Fraden und Sophia ein seltsam positiver Ausblick. Denn in einer kalten, brutalen, unmenschlichen Welt sind beide miteinander menschlicher geworden. Ich sage nicht, dass das unbedingt gesund oder die perfekte Beziehung ist, aber rührend ist es schon.

Eine wirklich schwierige Moralfrage

Immer wieder wird begeistert Machiavelli zitiert, und damit indirekt auf die textimmanente Frage nach der Moral verwiesen. Darf man mit Gewalt gegen Gewalt gehen, wenn die Gewalt danach signifikant weniger wird? Der Roman antwortet darauf genauso unbarmherzig, wie auf alles andere auch: Fraden verliert seinen einzigen echten Freund, entfesselt eine ungeheure Macht der Zerstörung, stürzt einen Planeten ins Chaos, und flieht letztlich. Ist das eine Parodie eines Abenteuerromans, oder ist das einfach so genial, dass man niemals mit diesem Ende gerechnet hätte? Fraden kommt jedoch mit dem Schrecken und einem Sadisten weniger im Gepäck davon, daher vermute ich, dass die Moralfrage bewusst offen gelassen wird. Letztlich sind es alles moralisch verwerfliche Menschen, die moralisch verwerfliche Sachen aus moralisch verwerflichen Gründen tun. Und die noch am meisten nachvollziehbaren Charaktere überleben und reiten Hand in Hand in... Richtung Sonne.

Fazit

Ich kann diesen Roman wirklich sehr empfehlen, jedenfalls Menschen, die gern etwas blutiges und düsteres lesen. Es ist zynisch, intelligent, gemein, und unbarmherzig. Ein perfektes Leseerlebnis. Die allgemeine Mordlust, die ab einem Punkt sogar unserem Diktator zu Kopf steigt, ist faszinierend und glaubhaft aufgebaut. Dennoch ist er geblieben, bis er gewonnen hat! Ein Machtbesessener Diktator bis zum Schluss. Die Ironie und der Witz ist unfassbar.

Plot und NarrativeWhere stories live. Discover now