Die lang vermisste Magie, die Boku no Hero Academia wieder aufleben lässt

3 0 0
                                    


Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als Kind Sonntag morgens vorm Fernseher saß und mir die Kämpfe von Son Goku ansah. Ich war begeistert von Frieza, von Vegeta, von Trunks, und etwas weniger von Chi Chi. Es hat mich mitgerissen, mich berührt, und immer wieder ein Feuer der Aufregung geweckt, wenn ein Kampf gewonnen wurde. Auch Naruto riss mich mit, die Kämpfe wurden komplexer und strukturell anspruchsvoller, das Worldbuilding gefiel mir, die unterliegenden Themen waren häufig emotional und erstaunlich erwachsen. Fighting Shounen kann mit großer Bildgewalt, vielen Emotionen und enormer Spannung erzählen und mitreißen, und somit das Publikum in den Bann ziehen und dieses eine, alte Gefühl wecken, was ich schon so lange vermisst habe. Jeder Animefan erinnert sich vermutlich noch an seine ersten, erstaunlichen Erfahrungen. Als ich HunterxHunter das erste Mal sah beispielsweise veränderte sich für mich einfach alles. Die Art, wie dort Charaktere eingeführt und ausgebaut werden, wie sich langsam die Dinge zuspitzen und jeder Arc so verschieden, aber doch so passend ist - ich glaube, so fühlt sich Liebe an.

Worldbuilding

Um mal noch weitere Beispiele zu nennen, die mich und auch große Teile der Community in ihren Bann gezogen haben - Jo-Jo no kimyou na Bouken, Fullmetal Alchemist Brotherhood, Fairy Tail, One Piece, Inu Yasha und auch ältere wie Saint Seiya und Hokuto no Ken haben alle unter anderem das faszinierende Worldbuilding gemeinsam. Nicht immer ist die Handlung in einer völlig fremden Welt platziert, in Jo-Jos beispielsweise haben wir unsere alltägliche Welt mit neuen Elementen, später Standusern versehen - und natürlich einen absolut unverwechselbaren Stil. FMAB hingegen ist in einer ganz anderen, nicht nur zeitlich, geographisch und kulturell, sondern auch magisch ausgestatteten Welt angesiedelt. Die Entdeckung dieser Welt mit den Möglichkeiten und Grenzen der Alchemie, dem Konflikt und den Unterschieden von Westlicher und Östlicher Welt und all den bunten Charakteren sorgt durch das hervorragend angewandte Prinzip von "show, dont tell" zu einer früh entstehenden, tiefen Bindung an die Welt. Der Zuschauer wird mitgenommen auf eine Reise in fremde Gefilde, in denen es Neues und Spannendes zu entdecken gibt. Mal sind die Veränderungen und Abweichungen zu unserer Alltagswelt stärker, mal weniger stark ausgeprägt. Aber dieser Teil ist zumindest für mich eng mit Shounen verbunden - ich erwarte eine Welt mit vielen Perspektiven, Konfliktmöglichkeiten und dazu möglichst hübsche oder faszinierende Umwelt. Das ist ähnlich wie die Erwartung an Science Fiction, uns in eine noch stärker von Technik getriebenere Zukunft zu entführen, oder an Fantasy, uns fantastische, ätherische Welten zu zeigen.

In Boku no Hero Academia haben wir eine quasi parallele Zukunft, die technisch nicht weiter entwickelt scheint als die heutige Welt, in der jedoch Quirks auftauchten und vieles veränderten. Die Veränderungen entdecken wir über die Zeit, die Art, wie Helden gefeiert werden, es Syndikate gibt, die eine tatsächliche Bedrohung darstellen, Antagonisten mit einer tatsächlichen, stark ausgeprägten Philosophie (Stain!), das Trainings- und Lehrsystem der Hero Academia, und natürlich viel Zerstörung von mehr oder weniger Häusern. Die Quirks und ihre Ausprägungen sind alle sehr unterschiedlich, und damit hervorragend für einen Fighting Shonen geeignet. Sie können erforscht, ausgearbeitet, trainiert, kombiniert und taktisch eingesetzt werden. Es wird außerdem dargestellt, was es bedeutet, nicht mit einem Quirk geboren zu sein. Die neue Industrie der Heroes ist zudem gut durchdacht und ergibt durch die Bank weg Sinn. Sobald man also anfängt, die Welt zu verstehen, eröffnen sich unendlich viele Möglichkeiten - es gibt viel Raum für Trainingsarcs für den Eintritt, aber auch während er Zeit in der Akademie, Freundschaften, Slice of Life Momente, viele Kämpfe, Tournament Arcs und politische sowie gesellschaftliche Überlegungen und Reflexionen. Natürlich ist das die Voraussetzung für viele Shounen - nehmen wir mal Naruto als Beispiel, aber dennoch gibt es Unterschiede.

Umsetzung und Pacing

Hier hat Boku no Hero Academia eindeutig seine Stärken: Die Umsetzung jedes Arcs war bis jetzt zu meiner vollen Zufriedenheit. Es gab nichts, was völlig plattgetreten und in die Länge gezogen wurde - ein Kampf kann sogar oft in einer Episode beendet werden! Die Kämpfe haben immer eine emotionale oder Plotrelevanz. Es ist jedoch wenig ausgeführtes philosophieren über Taktik und Rückblenden (Naruto), ewiges Geschrei und neue, längere Haare und noch bessere Entwicklungen (Dragon Ball), sondern klare Taktik mit angenehmer Grafik, vielen schönen Martial-Arts Sequenzen, aber auch genügend Einblicken in die Motivationen und Überlegungen der Charaktere. Es wechselt jedoch genug zwischen Spannung und Entspannung ab, so dass jedes Hoch und Tief sich auch tatsächlich wie eines anfühlt, jedoch ohne langweilig zu werden. Auch, wenn es genug bekannte Shonen-Tropes gibt, die auch bei MHA genutzt werden, werden sie doch hervorragend umgesetzt und interpretiert. Es gibt gewisse Erwartungen, die an einen einen solchen Anime gestellt werden, und sie werden alle erfüllt, oder sogar übertroffen. Wir haben zwar einen recht typischen Underdog-Protagonisten, aber er wird nicht übermächtig oder völlig OP innerhalb der ersten Zeit - ja, er schlägt sich wacker im Tournament, gewinnt aber nicht! Auch werden andere Charaktere ausreichend beleuchtet und haben eine enorme Relevanz für die Story. Ich hoffe daher sehr, dass es nicht wird wie am Ende von Naruto, wo Naruto und Sasuke zu absolut übermenschlichen Halbgöttern werden, aber das wird sich zeigen.

Charaktere

Die Klassenkameraden von Deku sind alle klar abgegrenzt und voneinander klar zu unterscheiden. Der Fokus liegt dabei natürlich nicht auf allen gleich stark, aber wir wissen um die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen, und damit auch um deren Entwicklungspotential. Innerhalb der dargestellten Charaktere haben wir außerdem sehr viele Anspielungen auf amerikanische Comics und teilweise auf andere Anime. Die Charaktere wachsen jedoch über ihre Klischees oder Inspirationen weit hinaus und sind damit interessant. All Might beispielsweise ist der japanische Superman, absolut OP, aber mit einem ironischen Kryptonit: seiner Small Might Form, seinem Selbstanspruch und seinem Gegner, der nicht nur One for All sondern auch Small Might kreiert hat, All for One, sein Gegenstück. Die Veränderung seiner Formen, sein Anspruch und sein überzogener Idealismus werden facettenreich dargestellt, sorgen aber auch für humoristische Elemente. Das Selbe gilt für die anderen Charaktere, ihre Stärken können ebenso Schwächen sein, sie sind rund und humoristisch dargestellt. Obwohl das Setting ein typisch überzogenes Fighting-Shonen Setting ist, sind die Charaktere überraschend erfrischend und natürlich. Sogar Bakugo kann sympathisch sein, obwohl all seine Attribute dies auf den ersten Blick verbieten würden. Dies ist vermutlich der Punkt, der Boku no Hero vollkommen verkauft: Die brillante Charakterisierung. Die Designs, Quirks, Namen und im Anime Seijuus schaffen ein rundes, vollkommen wirkendes Bild, prägnant und sympathisch.

Plot

Der Plot ist auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas besonderes, wir haben eine "Gute" und eine "Schlechte" Seite mit Motivationen und konträren Motiven, die sich gegenseitig bekämpfen, schöne Meister-Schüler-Beziehungen auf beiden Seiten, Infiltrationen der Villains, Kämpfe, und sind auf dem Weg All for One und One for All zu verstehen. Diese beiden Quirks und damit Akteure ziehen sich über mehrere Generationen, die kommende, die wir begleiten, dargestellt durch Deku und Tomura. Wir folgen positiven, optimistischen Heldenschülern, die immer mehr von der wenig schönen Realität eingeholt werden, ohne dass es rein pessimistisch wird. Dekus Entwicklung von einem Quirklosen Versager und Träumer zu einem Kämpfer und Helden, der schließlich auf eigenen Beinen ohne die volle Unterstützung seines Mentors stehen muss - und damit den Kreislauf schließt. Es kann vermutet werden, dass er entweder den Kreislauf schließt oder unterbricht. Vieles ist recht vorhersehbar, bringt aber die Narrative einzelner Charaktere hervorragend voran. Der Plot ist jedoch mehr als eine bloße Abfolge von Ereignissen. Die Gründe und Motivationen für die Ereignisse, die langsam aufgedeckt werden, lassen uns in immer Komplexere Abläufe und Ideen blicken. Wir haben wunderschöne, beinahe schon zu gute Verflechtungen einzelnen Charaktere (Tomura und All Mights Mentor), aber auch immer größere und deutlicher werdende Auswirkungen der Villains, mit einem klaren Blick in die Zukunft und die Opfer, die erbracht werden müssen.

Die altbekannte Magie

Für mich kommt die Magie dann ins Spiel, wenn mich ein Anime wie eine Achterbahnfahrt mitreißt. Dafür braucht man eine gewisse Geschwindigkeit, Voraussetzungen für Entwicklungen, Charaktere die einen berühren und furiose Kämpfe. All das bringt MHA mit, ohne dabei in altbekannte Fallen zu tappen. Für mich fühlt es sich wieder so an, als wäre ich ein sorgloses Kind, was auf der Couch sitzt, und begeistert auf die nächsten Entwicklungen wartet. Es ist einfach, eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen und der nächsten Folge entgegen zu fiebern, ohne das auf nervige Mittel wie bei AOT 2 zurückgegriffen werden muss - 15 Minuten langweilige Konversationen und Action zum Schluss als Cliffhanger.

Ich freue mich auf weitere Folgen!

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Dec 16, 2018 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Plot und NarrativeWhere stories live. Discover now