Kapitel 5

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"Sag mir nicht, dass du freiwillig und ohne anstehende Klausur lernst."

Daniel kam belustigt zu meinem Schreibtisch und sah über meine Schulter. "Du weißt, dass das niemals passieren wird." "Und was machst du dann?" Schon seit ich heute von der Uni gekommen war hatte ich meine Nase in die Unterlagen meines Bruders gesteckt und versuchte aus all dem schlau zu werden. Bis jetzt allerdings mehr als nur vergeben.

Einzelne Sätze aus Verträgen, Abschriften von Telefonaten und Gesprächen, die verschiedensten Paragraphen, sogar verdammte Landkarten von Mexiko und Kolumbien, zu denen es allerdings weder Notizen noch irgendwelche Markierungen gab. Seit gefühlten Stunden ging ich die unzähligen Papiere durch und fragte mich mittlerweile tatsächlich ob er nicht einfach alles gesammelt hatte was er interessant fand und auf den Aktenordner einfach irgendeinen Namen draufgeklatscht hatte. Ich wurde aus diesem Wirrwarr nicht im geringsten schlau und war mir nicht mehr sicher, ob er überhaupt selbst seinen verworrenen Gedanken noch folgen konnte.

Was hatte sich mein Bruder dabei nur gedacht?

"Ich versuche nur ein paar Freunden zu helfen." Konnte ich die Brüder als Freunde bezeichnen? Wohl eher weniger. Auch wenn ich gestern noch lange mit dem Älteren der Beiden im Diner saß, geredet und auch gelacht hatte, er war doch mehr oder weniger ein Fremder für mich. "Na dann." Mein Mitbewohner ließ sich auf mein Bett fallen, die Hände hinterm Kopf verschränkt. "Wir wollten noch etwas feiern gehen. Kommst du mit?" Ich drehte mich auf meinem Stuhl, legte den Kopf in den Nacken und dachte nach. Eigentlich reizte es mich unglaublich da weiter zu machen, wo ich aufgehört hatte. Ich wollte hinter das Geheimnis meines Bruders kommen und wissen was die Salvatores verbargen. Allerdings war mir auch klar, dass ich heute nicht mehr weiter kommen würde und Ablenkung würde sicherlich auch nicht schaden. "Bin dabei. Wann wollt ihr los?" Ich löste meinen Zopf und fuhr mir seufzend durch die Haare. "So in zwei Stunden. Du hast also noch Zeit."

Von wegen.

Nur wenige Minuten nachdem Daniel mein Zimmer verlassen hatte kam Liz wie ein aufgescheuchtes Huhn hereingerannt und begann damit meinen Kleiderschrank in seine Einzelteile zu zerlegen. Und das obwohl ich das Gefühl hatte, dass sie besser wusste was sich darin befand als ich selbst. "Hier. Zieh das an." Zweifelnd betrachtete ich das kurze, enge Kleid. "Dir ist klar, dass wir Januar haben und es echt verdammt kalt ist, oder?" "Na schön.", seufzte sie theatralisch und wandte sich wieder meinem Kleiderschrank zu. Ich wich ab und zu einigen meiner Klamotten aus, die mir entgegen flogen und hoffte inständig, dass sie nachher dieses Chaos wieder beseitigen würde.

_ _ _ _

Schon seit ich Jacob und Daniel kennengelernt hatte, gingen wir immer wieder in den selben Club. Weshalb? Ganz einfach. Einer von Jacobs Freunden war Mitinhaber und wir kamen nicht nur ohne große Probleme rein, sondern durften uns auch immer mal wieder über Freigetränke oder den Zugang zur VIP-Lounge freuen.

Besser könnte es doch kaum sein.

Die Türsteher kannten uns, genauso wie die Barkeeper. Wir kamen also so gut wie immer ohne langes anstehen rein und Getränke hatten wir auch im Handumdrehen. Was wollte man schon mehr?

Heute war wieder einer der Abende, an denen sich die Zahl der feiernden Partymeute in Grenzen hielt. Wir mussten uns nicht durch eine unfassbare Menschenmenge kämpfen wie sonst so oft. An Wochenenden hier hin zu kommen grenzte an Selbstmord. Touristen mischten sich mit Studenten, die die Sau rauslassen wollten und Einheimische versuchten ihr Glück die große Liebe hier zu finden. Der Club war in der ganzen Stadt bekannt. Reiseführer beschrieben ihn als einzigartig und wenn man im Internet nach guten Feiermöglichkeiten suchte, war er ganz weit vorne.

Ich liebte das Good Room schon seit dem ich das erste Mal einen Fuß ins Innere gesetzt hatte. Und das war tatsächlich nicht mal mit meinen Mitbewohnern sondern mit Logan, dessen Kumpel das ganze Teil für seinen Geburtstag gemietet hatte. Jura-Student und Sohn eines reichen Anwalts. Da musste man protzen, nicht wahr?

Kaum stand ich an der Bar und hatte einen Drink von Josh, einem meiner aller liebsten Barkeepern, in der Hand gestellte sich Jacobs Kumpel Marley zu uns. Dafür, dass er so einen erfolgreichen Club betrieb, war er noch verdammt Jung. Erst 28, im Kopf manchmal auch gut 10 Jahre jünger. Ich mochte ihn schon seit ich ihn kennengelernt hatte. Er war locker drauf, hatte immer einen frechen Spruch auf den Lippen und nahm sich und das Leben nicht zu ernst.

"Wenn ihr wollt könnt ihr nachher in die Lounge." Grinsend legte er einen Arm und Liz' und meine Schultern und sah uns abwechselnd an. Trotz dass er immer mal wieder gerne mit uns flirtete, wussten wir beide, dass er das nur aus Spaß tat. Auch wenn ich mir recht sicher war, dass er zumindest einen kleinen Narren an meiner besten Freundin gefressen hatte.

_ _ _ _

"Ich hätte nicht erwartet dich hier zu sehen." Grinsend ließ sich Fabio neben mich auf das Sofa plumpsen und musterte mich. Nachdem Liz und ich uns auf der Tanzfläche amüsiert hatten, hatten wir uns in die VIP-Lounge verkrümelt wo Daniel und Jacob bereites auf uns gewartet hatten. Jetzt waren allerdings meine Freunde alle wieder ausgeflogen und ich saß mir nichts dir nichts alleine auf der Couch.

Bis jetzt zumindest.

Neben Fabio hatten sich noch zwei weitere junge Leute gesetzt und beobachteten mich aufmerksam. "Tja, mit Kontakten kommt selbst eine einfache Studentin zu den VIPs.", zwinkerte ich lachend. "So war das nicht gemeint." Verlegen kratzte er sich am Nacken und sah dann zu seinen beiden Begleitern. "Das sind übrigens meine Cousine Emilia und mein Cousin Toni. Leute, das ist Lilly, eine Freundin von Milo und mir." Lächelnd nickte ich den Beiden zu die mich nun auch breit angrinsten.

Wenn man vom Teufel sprach, kam Milo gerade in mein Sichtfeld, sah sich suchend in dem dunklen Raum um und blieb schließlich mit seinem Blick an unserer Sofaecke hängen. Auch er begann breit zu grinsen als er mich bei seinem Bruder entdeckte und ließ sich kurz darauf auf meine andere Seite fallen. "So sieht man sich wieder, Lilly." Schmunzelnd nickte ich. So schnell konnte es gehen. Gestern noch den halben Tag mit ihm verbracht und jetzt saß ich schon wieder neben ihm.

"Ganz ehrlich, ich weiß nicht ob ich euch helfen kann." Fragend sah der Italiener mich an, bis es bei ihm Klick zu machen schien. "Du hast es dir schon angesehen?" Ich nickte. "Logan hatte schon immer etwas besondere Gedankengänge, aber was er sich dabei gedacht hat kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen." Nachdenklich nickte Milo und drehte ein Glas in seinen Händen herum. "Das habe ich mir schon gedacht. Danke trotzdem." "Meinst du wirklich ich gebe so schnell auf? Ich studiere Journalismus weil ich verdammt neugierig bin. So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen." Er sah überrascht aus ehe er zu Lächeln begann. "Wirklich?" "Ja.", lachte ich. "Dafür spendier ich dir 'nen Drink!" "Zu spät, da war ich wohl schneller. Hier, Süße." Daniel kam zu uns und hielt mir ein Glas entgegen, während er Milo skeptisch musterte.

Oh, oh. Beschützerinstinkt.


Heyho 👋

Ich hoffe es gefällt euch 😊

Was haltet ihr bis jetzt von der Stroy?

Und wie findet ihr die Personen bislang?

Love you ♥️

Milo Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt