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Tja, der Wunschbaum.
Wieder so eine sinnlose Weihnachtstradition, die sich vor Jahren mal irgendwelche Studenten auf der Uni ausgedacht hatten.

Es war nicht einmal was besonderes. Es wurde nur eine große Tanne aufgestellt und dann sollten die Studenten ihre größten Wünsche auf einen Zettel schreiben und auf die Äste hängen.

Clay machte das nun zum zweiten Mal, aber letztes Jahr hatte er nur irgendeinen Blödsinn drauf geschrieben. Es gab nicht wirklich etwas, das er sich wünschte.

Morgen waren es nur mehr vier Tag vor Weihnachten und Clay hatte keine Ahnung, was er aufschreiben sollte.

Er war auch noch viel zu aufgewühlt von dem Gespräch, so weit man es Gespräch nennen konnte, zwischen ihm und Dylan, vor wenigen Stunden.

Er wusste einfach nicht mehr, wie er zu seinem Kumpel stand. War er überhaupt noch sein Kumpel? Die Bezeichnung kam ihm irgendwie falsch vor.

Clay hatte das Gefühl er würde mehr von ihm wollen, aber er wusste nicht was genau.

Gestresst raufte er sich durch die Haare und stieß seinen Kopf auf die Tischplatte. Am liebsten würde er sofort aufhören zu denken.

,,Ein grottenschlechter Küsser."

Der Satz fiel ihm plötzlich von einem Moment auf den anderen wieder ein. Jedoch zog er ihn nur noch mehr runter.

,,Vielen Dank, Dylan.", knirschte er mit fest zusammen gebissenen Zähnen.

Er war also ein schlechter Küsser? Wie sollte es denn anders sein, wenn er noch nie jemanden vorher geküsst hatte?

Er wurde sauer und würde Dylan am liebsten sofort eine verpassen.

Er nahm den Stift und kritzelte mit hässlicher Schrift ,,Ein besserer Küsser werden" auf ein Blatt. Das schnitt er dann aus und hing einen Faden dran.

Das war doch ein guter Wunsch, den er auf den Baum hängen konnte.

Dylan würde schon noch sehen. Clay würde einfach üben und noch ein viel besserer Küsser werden als er. Er würde es dem anderen zeigen!

Wieder schlug er seine Stirn auf die Tischplatte. Um Dylan zu zeigen, dass er auf einmal ein guter Küsser geworden war, müsste er ihn ja wieder küssen. Das ergab doch alles keinen Sinn.

Jemand sollte ihm die Fähigkeit zu Denken wegnehmen.

Mit einem kräftigen Sprung landete Clay auf seinem Bett und rollte sich auf den Rücken. Mit einem Arm bedeckte er seine Augen und seufzte laut auf.

,,Dylan...ich glaube....ich hab mich in dich verliebt...."

So ein Scheiß...

Mit wenig Begeisterung sah er den großen Baum hinauf, bis zur Spitze hinauf, was wahrscheinlich über zehn Meter waren. Überall hangen schon Zettel mit Wünschen drauf.

Clay hatte Angst, dass man ihn dabei sehen könnte, wie er seinen eigenen dazu gab. Er wollte nicht, dass irgendjemand wusste, was er sich da wünschte.

Zuerst drehte er unaufällig ein paar Runden um den Baum, um zu checken, wie viele Studenten drum herum standen.

Nicht viele, nur vier. Aber er würde trotzdem warten, bis auch diese verschwanden.

In der Zwischenzeit las er sich einfach ein paar Wünsche durch.

,,Ich will ein hübscheres Mädchen werden."

Fing ja schon mal viel versprechend an.

,,Ich will endlich heiraten."

,,Ich hätte gerne weichere Haare."

,,Ich will eine neue Grafikkarte."

,,Ich möchte endlich mit meinem Schwarm zusammen kommen."

Schien so, als hätten die meisten nicht verstanden, worum es hier ging. Außerdem merkte man, dass überwiegend Mädchen ihre Wünsche dran gehangen hatten.

Einer wünschte sich sogar einen Tesla Model S.

Clay kam sein Wunsch plötzlich gar nicht mehr so blöd vor, wenigstens war er realistisch.

Schnell hang er ihn an einen freien Ast und entfernte sich dann ein paar Schritte von der Stelle.

Dabei stieß er fast mit jemaden zusammen, der auch gerade seinen Wunsch an den Baum hang. Clay wollte sich zügig entschuldigen und weiter gehen, doch als er denjenigen erkannte, erstarrte er erstmal vor Schreck.

In wen sollte er auch sonst hinein laufen, als in Dylan. Sonst wäre das Leben ja ausnahmsweise mal freundlich zu ihm gewesen.

Er wollte sich auf dem Absatz umdrehen und sich schnell aus dem Staub machen, doch der andere hielt ihn an der Schulter zurück.

,,Hey! Weißt du eigentlich wie oft ich dich gestern noch angerufen und dir geschrieben habe?"

Ja, 57 mal angerufen und 92 Nachrichten.

Clay hatte sie alle ignoriert.

Er richtete seinen Blick stur auf den Boden und trat verunsichert von einen Fuß auf den anderen. Bloß nicht dem anderen in die Augen schauen.

Doch Dylan nahm das einfach selbst in die Hand und zwar wortwörtlich.

Er legte zwei Finger unter Clay's Kinn und hob sein Gesicht an, sodass er gezwungen war ihn anzusehen.

,,Bevor du wieder abhaust, hörst du mir zu! Du kannst ja dann immer noch abhauen, wenn du das unbedingt willst.", Dylan's Worte klangen fest und entschlossen.

Clay hatte Angst vor dem, was er ihm sagen wollte. Er würde sich gerne losreißen, nach Hause laufen und sich unter seiner Bettdecke vergraben, aber er musste das jetzt wohl hinter sich bringen.

Doch noch bevor Dylan irgendein Wort sagte, zog er Clay plötzlich an sich und drückte ihre Lippen aufeinander.

Das war der Moment, in dem alles in Clay aufhörte zu funktionieren und er den Schock seines Lebens erlebte. Sein Körper war wie angewurzelt und komplett versteift.

Nicht mal einen klaren Gedanken konnte er fassen, um genau zu sein, war sein Kopf wie leer gefegt.

Das einzige, was sich noch zu bewegen schien, war sein Herz, das gefühlte tausend Schläge pro Sekunde hinlegte.

Dylan lehnte seine Stirn an die des andere, kurz nachdem sie sich gelöst hatten und sah ihm tief in die Augen.

,,Man sagt, Taten sagen mehr als tausend Worte. Dann muss das doch eindeutig gewesen sein, oder?", Dylan flüsterte fast.

Clay spürte den warmen Atem von Dylan auf seiner Haut und in ihm stieg wieder unheimliche Hitze auf. Er konnte gar nichts dagegen tun rot anzulaufen und konnte es dieses Mal auch nicht verstecken.

,,H-heißt da-?", Dylan drückte ihm erneut einen leichten Kuss auf die Lippen und grinste dabei leicht.

,,Ich liebe dich, Clay. Mehr als ich je irgendjemanden anderen geliebt habe."

Clay schluckte schwer und blinzelte ungläubig. Er konnte sich kaum vorstellen, dass das hier gerade real war.

Wieso sollte Dylan, der größte Frauenheld, plötzlich auf Jungs stehen? Und wieso dann auch noch ausgerechnet auf seinen besten Kumpel?

,,I-ich weiß nicht...w-was ich sagen soll....", er war einfach nur verwirrt.

,,Am besten etwas wie ,,Ich liebe dich auch".", lachte Dylan und legte seine Hände auf Clay's Hüften, um ihn noch näher an sich zu drücken.

Clay lief noch roter an, trotzdem war er der Nähe nicht abgeneigt.

,,Ja, ich...äh...liebe...dich auch.", noch nie war ihm etwas so schwer gefallen, wie diese Worte über die Lippen zu bringen.

Er meinte es mehr als nur ernst, jedoch hatte er Angst, dass das hier alles doch nur ein Traum war.

Dylan lächelte ihn mit leuchtenden Augen an und legte seine Arme um Clay's schmalen Körper.

Wieder verband er ihre Lippen miteinander, dieses Mal aber viel sanfter und Clay konnte zum ersten Mal den Kuss auch erwidern.

Stupid Mistletoe (Boy×Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt