Vom Fisch und der Kaulquappe

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In einem schönen Teich am Rande eines weiten Feldes lebten einst ein Fisch und eine Kaulquappe. Ihre Freundschaft war älter, als sie selbst, denn schon ihre Eltern waren befreundet, seit diese selbst klein waren. Der Fisch und die Kaulquappe liebten es, zusammen zu schwimmen oder in den Himmel zu schauen und die Vögel zu zählen. Sie liebten ihren Teich, mit seinem Schilf und seinem klaren Wasser, mit seinen Bewohnern und seinen Seerosen. Die Liebe für ihre Heimat erlosch nie, aber langsam machte sich Sehnsucht im Herzen der Freunde breit. Die Sehnsucht nach der Welt. Sie begannen zu träumen, den Teich zu verlassen und das Feld zu erkunden sowie alles was dahinter lag.

„Ich habe es langsam satt, immer nur den Geschichten der Raben zu lauschen, denn die besten Geschichten sind die, die man selbst erzählt", sprach die Kaulquappe.

„Genauso geht es auch mir", meinte der Fisch: „Aber, mein Freund, mir ist es nicht möglich, fortzugehen. Du wirst eines Tages ein starker Frosch, mit gesunden Beinen, die dich überall hin tragen können. Ich jedoch werde immer ein Fisch bleiben. Ich bin an diesen Teich gebunden."

Die Kaulquappe fühlte sich schuldig, da sie so offen darüber gesprochen hatte.

„Oh, wie unsensibel von mir, ich hatte nicht mitgedacht.", sagte die Kaulquappe.

„Es ist in Ordnung", meinte der Fisch: „Meine Sehnsucht bestand schon zuvor."

„Dann werde ich hier bleiben. Ich muss die Welt nicht sehen, solange ich meinen Freund sehen kann", sagte die Kaulquappe.

„Nimm keine Rücksicht auf mich, ich bitte dich", sprach der Fisch. Beide seufzten tief, aber der Fisch schaffte es, seinen Freund doch zu überzeugen.

„Ich werde aufbrechen und bei meiner Rückkehr werde ich dir alle Geschichten erzählen. Und ich werde sie so erzählen, dass du denkst, du wärst dabei gewesen" Und so kam der Tag, an dem der Frosch, zu dem die Kaulquappe geworden war, den Teich verließ.

Jeden Tag schwamm der Fisch zum Rand des Teiches und wartete auf seinen Freund. Der Frühling ging zu Ende und auch der Sommer hatte nicht mehr lange, da fand der Frosch den Weg zurück zu seiner Heimat. Freudig wurde er empfangen und schnell begann er zu erzählen. Er erzählte von seinem Weg durch das weite Feld. Er erzählte von der Straße, die er zu überqueren hatte, und den seltsamen Metalltieren der Menschen. Er erzählte von seiner gefährlichen Flucht vor dem Storch und dem Baumstamm der ihm das Leben rettete. Und tatsächlich fühlte sich der Fisch während dieser Erzählungen, als hätte er jedes einzelne Abenteuer miterlebt. Die Wunder der Welt schienen plötzlich so nah zu sein.

Auch im nächsten Frühling ging der Frosch wieder auf lange Reise und der Fisch wartete. Das Warten war erträglich, denn er wusste, er würde seinen Freund bald wiedersehen und könnte dann wieder den tollen Geschichten lauschen.

Jahr um Jahr erzählte der Frosch von seinen Erlebnissen. Er berichtete, wie er seine große Liebe fand und dass er bald öfter Zuhause sein würde. Doch dieses Jahr wartete der Fisch länger als sonst. Er wartete bis zum Herbst, bis zum Winter und bis zum nächsten Jahr.

„Du warst doch Papas bester Freund?", fragte irgendwann eine Kaulquappe: „Bei all seinen Abenteuern, wärst du nicht wahnsinnig gerne dabei gewesen?"

Der Fisch lächelte sentimental und sagte sanft: „Aber das war ich doch."


Ende

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⏰ Last updated: Dec 27, 2018 ⏰

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Vom Fisch und der KaulquappeWhere stories live. Discover now