This etext was prepared by Michael Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com.
West-östlicher Divan
Johann Wolfgang Goethe
Inhalt:
Buch des Sängers Buch Hafis Buch der Liebe Buch der Betrachtungen Buch des Unmuts Buch der Sprüche Buch des Timur Buch Suleika Das Schenkenbuch Buch der Parabeln Buch des Parsen Buch des Paradieses
Buch des Sängers
Moganni Nameh: Buch des Sängers
Zwanzig Jahre ließ ich gehn Und genoß, was mir beschieden; Eine Reihe völlig schön Wie die Zeit der Barmekiden.
Hegire
Nord und West und Süd zersplittern, Throne bersten, Reiche zittern: Flüchte du, im reinen Osten Patriarchenluft zu kosten, Unter Lieben, Trinken, Singen Soll dich Chisers Quell verjüngen.
Dort im Reinen und im Rechten Will ich menschlichen Geschlechten In des Ursprungs Tiefe dringen, Wo sie noch von Gott empfingen Himmelslehr' in Erdesprachen Und sich nicht den Kopf zerbrachen.
Wo sie Väter hoch verehrten, Jeden fremden Dienst verwehrten; Will mich freun der Jugendschranke: Glaube weit, eng der Gedanke, Wie das Wort so wichtig dort war, Weil es ein gesprochen Wort war.
Will mich unter Hirten mischen, An Oasen mich erfrischen, Wenn mit Karawanen wandle, Shawl, Kaffee und Moschus handle; Jeden Pfad will ich betreten Von der Wüste zu den Städten.
Bösen Felsweg auf und nieder Trösten, Hafis, deine Lieder, Wenn der Führer mit Entzücken Von des Maultiers hohem Rücken Singt, die Sterne zu erwecken Und die Räuber zu erschrecken.
Will in Bädern und in Schenken, Heilger Hafis, dein gedenken, Wenn den Schleier Liebchen lüftet, Schüttelnd Ambralocken düftet. Ja, des Dichters Liebesflüstern Mache selbst die Huris lüstern.
Wolltet ihr ihm dies beneiden Oder etwa gar verleiden, Wisset nur, daß Dichterworte Um des Paradieses Pforte Immer leise klopfend schweben, Sich erbittend ewges Leben.
Segenspfänder
Talisman in Karneol, Gläubgen bringt er Glück und Wohl; Steht er gar auf Onyx' Grunde, Küß ihn, mit geweihtem Munde! Alles übel treibt er fort, Schützet dich und schützt den Ort: Wenn das eingegrabne Wort Allahs Namen rein verkündet, Dich zu Lieb und Tat entzündet. Und besonders werden Frauen Sich am Talisman erbauen.
Amulette sind dergleichen Auf Papier geschriebne Zeichen; Doch man ist nicht im Gedränge Wie auf edlen Steines Enge Und vergönnt ist frommen Seelen, Längre Verse hier zu wählen. Männer hängen die Papiere Gläubig um als Skapuliere.
Die Inschrift aber hat nichts hinter sich, Sie ist sie selbst und muß dir alles sagen, Was hintendrein mit redlichem Behagen Du gerne sagst: Ich sag' es! Ich!
Doch Abraxas bring ich selten! Hier soll meist das Fratzenhafte, Das ein düstrer Wahnsinn schaffte, Für das Allerhöchste gelten. Sag' ich euch absurde Dinge, Denkt, daß ich Abraxas bringe.
Ein Siegelring ist schwer zu zeichnen; Den höchsten Sinn im engsten Raum; Doch weißt du hier ein Echtes anzueignen, Gegraben steht das Wort, du denkst es kaum.
Freisinn
Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten! Bleibt in euren Hütten, euren Zelten! Und ich reite froh in alle Ferne, über meiner Mütze nur die Sterne.
Er hat euch die Gestirne gesetzt Als Leiter zu Land und See, Damit ihr euch daran ergetzt, Stets blickend in die Höh'.
Talismane