Little Minnington war bereits in dichten Schnee gehüllt, als ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Es war mitten im Dezember, und fühlte sich an wie der kälteste Tag des Jahres. Ich erinnere mich wie er 13 Minuten zu spät in unser Klassenzimmer geschlendert kam, und an die Stille, die sein Auftreten verursacht hatte, so plötzlich, als hätte sich eine dicke Decke über die sonst schnatternde Schülerschar gelegt.
Er war groß, und seine dunklen Haare klebten ihm völlig durchnässt an der Stirn. Man konnte noch vereinzelte Schneeflocken, die sich in seinen Locken verfangen hatten, erkennen. Er schien seine Verspätung nicht realisiert zu haben, oder es kümmerte ihn nicht sonderlich.
Mr. Wallace, der damit beschäftigt war eine Aufgabe an die Tafel zu schreiben, wandte ihm seinen Blick zu und fing an freundlich zu lächeln. ,,Sie müssen Azrael sein", sagte er und ging auf ihn zu. Azrael blickte ihn an und nickte kurz angebunden. ,,Aze", brachte er knapp hervor. ,,Wie bitte?", verwundert schaute der Lehrer ihn an. ,,Nur Aze", wiederholte er.
,,Na dann, herzlichen Willkommen in unserem Kurs, Aze. Es sind noch einige Plätze frei", Wallace machte eine überschwängliche Bewegung in unsere Richtung. ,,Sie können sich gerne setzten, und versuchen soweit es ihnen möglich ist mitzuarbeiten."
Azrael ließ seinen Blick kurz durch das Klassenzimmer schweifen. Dann steckte er eine Hand in seine Hosentasche und steuerte den Platz in der hintersten Reihe am Fenster an. Er wirkte fast gelangweilt.
Als Mr. Wallace sich bereits wieder dem Aufschrieb gewidmet hatte, lagen die Blicke der Schüler noch immer auf dem Neuen. Ich hörte zwei Mädchen, die hinter mir saßen, leise über ihn flüstern.
Blossom stupste mich leicht von der Seite an. ,,Wer wechselt die Schule denn mitten im Schuljahr?", murmelte sie und sah Azrael interessiert an. Ich zuckte nur kurz mit den Schultern und drehte mich ebenfalls zu ihm um.
Er blickte stur aus dem Fenster, und schenkte den Schülern, die ihn immer noch verstohlene Blicke zuwarfen, keine Beachtung. Er hatte ein sehr hübsches Gesicht, und über seine Wange zog sich eine feine Narbe. Es steckte etwas Geheimnisvolles, ja sogar Gefährliches in ihm, das meine Augen an ihm gefangen hielt, und ich konnte mich erst abwenden, als Mr. Wallace wiederholt um unsere Aufmerksamkeit bat.
Als wir zwei Stunden später versammelt in der Cafeteria aßen, war Azrael bereits in aller Munde.
,,Hat jemand von euch eine Ahnung warum er erst jetzt auf unsere Schule gekommen ist?", fragte Amberly-Rose interessiert und sah abwartend in die Runde.
,,Ich hab gehört er soll von seiner Alten geflogen sein", Blossom grinste und sah verstohlen über die Schulter zu Azrael, der alleine an einem der runden Tische saß.
,,Ich wusste doch gleich, dass er etwas Dunkles an sich hat", sagte ich und dachte daran wie er im Unterricht ununterbrochen aus dem Fenster gestarrt hatte.
Die anderen lachten.
,,War ja klar, dass so etwas von Romee kommen würde", Lee stupste mir spielerisch gegen die Schulter und ich musste schmunzeln.
,,Hey, steht das Treffen nach der Schule im Ryllis noch?", fragte Amberly und sah uns der Reihe nach an.
,,Kann nicht", Blossom warf uns einen vielsagenden Blick zu.
Lee verdrehte die Augen. ,,Lass mich raten... Es geht um einen deiner vielen Verehrer?"
Blossoms Mund verzog sich zu einem Lächeln. ,,Nicht ganz. Ein potentieller Neuer." Sie zwinkerte uns zu.
,,Lass den Neuen doch erstmal hier ankommen", schmunzelte ich, nachdem mir ihr heimlicher Blick zu Azrael nicht entgangen war.
Amberly und ich tauschten belustigte Blicke aus.
Blossom zuckte nur mit den Schultern, während sie einen weiteren ihrer Blusenknöpfe öffnete und sich durch ihr kastanienbraunes Haar fuhr.
,,Was auch immer", meinte Lee. ,,Ich hab heute Zeit."
Ich nickte zustimmend.
Es läutete, und auf dem Weg zu meinem nächsten Kurs lief ich Noah, meinem ehemaligen besten Freund über den Weg.
Noah und ich hatten uns bereits im Kindergarten kennengelernt. Obwohl es schon so lange her ist, erinnere mich an diesen Tag noch erstaunlich gut. Ich weiß noch wie eingeschüchtert ich, angesichts der ganzen anderen Kinder gewesen bin, und wieviel lieber ich eigentlich zuhause geblieben wäre. Der "böse Billy", wie er von den Kindern hinter seinem Rücken genannt wurde, hatte bereits an meinem ersten Tag seinem Spitznamen alle Ehre gemacht.
,,Na los, Pferdchen!", hatte er gerufen und so fest wie er konnte an meinem Zopf gezogen. ,,Galopp!" brüllte er und riss erneut meinen Kopf nach hinten.
Einige der Kinder hatten sich um uns versammelt, manche fingen an lauthals zu lachen und mit dem Finger auf mich zu zeigen, während andere Billy nur angsterfüllte Blicke zu warfen.
Und dann, wie aus dem Nichts, tauchte er auf. Noah. Er packte Billy bei de Schultern, zerrte ihn von mir weg und schubste ihn auf den sandigen Boden.
,,Hey! Leg dich das nächste Mal gefälligst mit Leuten in deinem Alter an!", rief Noah. Er drehte sich und hielt mir seine Hand hin um mir aufzuhelfen.
,,Alles okay?", fragte er mich.
Ich blickte ihn mit großen Augen an. Ich war so fasziniert, dass ich seine Frage nicht realisiert hatte.
,,Ich bin Noah", stellte er sich schließlich lächelnd vor.
Und von dem Tag an, war ich unsterblich in ihn verliebt.
Während es mir anfangs noch leicht fiel mein Gefühle vor ihm zu verbergen, wurde es mit der Zeit immer schwerer so zu tun als sei nichts. Vor allem in der Middle School, als sich sein Welt immer mehr um Mädchen drehte, erschien es mir unmöglich sich in seiner Gegenwart normal zu verhalten. Und so kam es dazu, dass wir immer weniger miteinander unternahmen, bis wir uns schließlich ganz aus den Augen verloren hatten.
Unsere Blicke trafen sich und Noahs Mund formte sich zu einem Lächeln.
,,Hey Romee."
Ich spürte wie die Röte in mein Gesicht schoss, und verfluchte mich innerlich dafür, nach all der Zeit noch so auf ihn zu reagieren. Ich lächelte und zwang mich in seine Augen zu blicken, hoffte aber mich nicht in ihnen zu verlieren.
,,Hi", brachte ich nervös heraus und wandte meinen Blick eiligst von ihm ab. Auf dem Weg zum nächsten Kurs drückte Amberly neben mir leicht meine Hand und dankbar warf ich ihr einen gequälten Blick zu.
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slow down love.
RomanceRomee führte ein geregeltes Leben. Eigentlich hatte sie nie Grund gehabt unglücklich zu sein, und doch fühlte sie sich, als würde etwas Entscheidendes in ihrem Leben fehlen, bis sie auf ihn traf und er ihrem Leben eine gewaltige Änderung gab.