Genetische Ahnenforschung

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Wenn man bisher auf der Suche nach entfernten Verwandten war, konnte man sich nur auf Taufbücher und Standesämter stützen. Nun entwickelt sich jedoch ein Trend, der neue Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Firmen wie beispielsweise „Ancestry" oder „23andme" bieten einen DNA-Test für Privatpersonen an, welche auch als DTC-Tests (direct to consumer) bezeichnet werden. Hierdurch ist es möglich, dass Privatpersonen ihr Genmaterial in Form einer Speichelprobe oder ähnlichem an die Firma sendet und diese die Ergebnisse bereits nach wenigen Wochen online zur Verfügung stellt und diese auch nach vielen Jahren noch regelmäßig aktualisiert. Da neben dem Verwandtschaftsgrad zusätzlich auch das Risiko, an gewissen genetischen Krankheiten zu erkranken, bestimmt wird, ist die Wahrung der Privatsphäre durch solche Firmen fragwürdig, da es sich bei solchen Informationen um äußerst sensible und wertvolle Daten handelt. Googles Tochterfirma „23andme" zum Beispiel schreibt in seinen Geschäftsbedingungen, dass die durch die DNA-Tests erlangten Ergebnisse an ein Pharmaunternehmen verkauft werden.

Um die genetische Ahnenforschung zu verstehen, ist es hilfreich, zu verstehen, wie sie funktioniert. Genetische Ahnenforschung, oder auch genetische Genealogie beschreibt die Verwendung der Genetik für die Stammbaumforschung, bei welcher durch Gen-Analysen der Verwandtschaftsgrad verschiedener Personen bestimmt werden kann.
Das menschliche Genom besteht aus 46 Chromosomen, welche sich aus 44 Autosomen und den zwei Gonosomen, auch Geschlechts Chromosomen genannt, zusammensetzt. Während eine Frau zwei X-Gonosomen besitzt, hat ein Mann ein X und ein Y. Sowohl die autosomale als auch die gonosomale DNA liegen in der Zelle im Zellkern vor. Zusätzlich verfügt man über die mitochondriale DNA (mtDNA), welche, wie der Name bereits sagt, in den Mitochondrien vorliegt. Die autosomale DNA wird von beiden Eltern vererbt, wobei es zur sogenannten Rekombination, also zur Vermischung der beiden Erbgüter kommt. Die Mutter vererbt an alle Kinder immer ein X-Chromosom, während der Vater an Söhne ein Y-Chromosom vererbt und an Töchter ein X-Chromosom. Die mtDNA wird von der Mutter an die Kinder weiter gegeben. Durch diesen Vorgang der Vererbung werden Y-Chromosomen und mtDNA als Kopie an die Kinder weitergegeben, während es bei X-Chromosomen und Autosomen zu einer Rekombination kommt. Weiterhin ist es möglich, dass es bei der Weitergabe von Erbgut zu Mutationen, also zufälligen Veränderungen kommt, deren Auswirkungen von nicht bemerkbar bis zu fatal reichen können und die sowohl schlechte als auch gute Folgen haben und so unter anderem zur Evolution beitragen.
Die DNA zweier beliebigen Menschen ist zu ungefähr 99,5% identisch, bei den übrigen 0,5% spricht man von der sogenannten genetischen Variation, die die Individualität des Menschen ausmacht. Zum Vergleich: die DNA eines Menschen stimmt zu 98,8% mit der eines Schimpansen überein. Die Genetische Variation ist jedoch keinesfalls überall auf der Erde gleich, sondern von Region zu Region verschieden, weshalb man durch eine Genanalyse relativ einfach die Herkunft eines Menschen bestimmen kann. Dazu ist es jedoch notwendig, dass man genügend Probanden hat, deren Herkunft bekannt ist, sodass man einen Bezugswert bilden kann. Bei der Analyse konzentriert man sich hauptsächlich auf Y-Chromosomen und mtDNA, da diese als Kopie vererbt werden und somit nicht „verunreinigt" sind. Mithilfe der Y-Chromosomen kann man die Abstammung Väterlicherseits untersuchen und mithilfe der mtDNA die Abstammung mütterlicherseits. Von der mtDNA liegen etwa 100 bis 1.000 Kopien in jeder Zelle vor und da diese einerseits einfacher als die autosomale DNA aufgebaut ist und leichter zu erreichen ist, bietet sie eine Möglichkeit zu kostengünstigen Gen-Analyse. Im Gegensatz dazu sind, um aus X-chromosomaler und autosomaler DNA Rückschlüsse ziehen zu können, aufgrund der Rekombination, komplexe Mutationsanalysen notwendig, die die Analyse dieses Erbmaterial stark verkomplizieren.
Der Verwandtschaftsgrad wird durch die Anzahl der übereinstimmenden Abschnitte an DNA bestimmt. Hierbei betrachtet man explizit die SNP-Mutationen (Single Nucleotide Polymorphism). Hierbei handelt es sich um die Mutation einzelner Basenpaare in einem Stück DNA, welche vererbbar sind und etwa 90% der genetischen Variation darstellen. Auch die Merkmale dieser Mutation sind regional Verschieden und geben so einen Anhaltspunkt zu der Herkunft des Probanden. Ist eine Übereinstimmung jedoch nicht lang genug, so ist zu beachten, dass es möglich ist, dass anstelle einer Übereinstimmung über Abstammung (Identical by Descent - IBD) eine Übereinstimmung durch Zustand (Identical By State – IBS) vorhanden ist, also nur durch Zufall dieselbe Mutation vorliegt. Die Länge der übereinstimmenden Segmente wird in Zentimorgan (cM) angegeben.
Zur Darstellung der Ergebnisse gibt es je nach Analysemethode verschiedene Möglichkeiten. So wird die Hauptkomponentenanalyse (PCA) meist in zweidimensionalen Diagrammen dargestellt, welche auf die aussagekräftigsten Komponenten beschränkt sind. Auch möglich ist eine multidimensionale Auswertung möglich, die den Probanden in prozentualen Werten oder in Form einer Landkarte ausgegeben wird. Weiterhin ist die Darstellung der Ergebnisse als Stammbaum denkbar, bei welcher der Proband durch die passenden Parameter die Weite der Verwandtschaften gut erkennen kann.

An DCT-Tests wird viel Kritik geübt, so ist neben der Wahrung der genetischen Privatsphäre auch die Genauigkeit der Arbeit der Anbieter fragwürdig, so lassen die meisten Anbieter die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht auf ausreichend wissenschaftliche Weise einsehen. Viele Aussagen im Bezug zu Verwandtschaften mit Clans und Stämmen sind eher Vermutungen, da diese Verbindungen noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht wurden. Auch ist die zufällige Mutationsrate von Y- und mtDNA zu hoch, um genaue aussagen über die Abstammungen von berühmten Persönlichkeiten wie Ötzi oder Tutanchamun treffen zu können. Genauso fragwürdig sind aussagen über genetische Krankheiten, da die Wissenschaft auch in diesem Gebiet nicht besonders weit vorangeschritten ist.

Dennoch kann eine Gen-Analyse bei Privatfirmen ein interessanter Spaß sein, da man für verhältnismäßig wenig Geld eine relativ sichere Aussage über seine Abstammung der letzten paar Generationen erhält und möglicherweise Cousinen oder Cousins zweiten oder dritten Grades findet, von denen man zuvor im Leben noch nichts erahnen konnte.

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