In between places

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Rotes Nass rinnt über deinen Arm. Ein dicker Strang, während sich andere, kleinere Stränge abteilen. Heißer Rauch entfleucht deinem Mund, entschwindet in den Tiefen, kühler Nacht. Eine Träne, fast aus Eis, ersucht ihren weg über deine Wange. Ein leichtes Lächeln zieht sich über dein Gesicht. Endlich empfindest du nach allzu langer Zeit einmal wieder etwas. Lange genug hat es gedauert. Du schaust auf deinen Arm, während dein Kopf nichts mehr sagen kann. Hat er doch vorher bereits viel zu viel von sich gegeben, auf dich eingeredet und dich versucht in den Wahnsinn zu treiben. Doch jetzt ist Stille, wenn auch nur für kurze Zeit. Du lässt die Rasierklinge aus deiner rechten Hand gleiten, fällst ins Gras. Deine Arme und Beine gleiten auf und ab. Als du aufstehst, bemerkst du, dass du einen Schneeengel hinterlassen hast. Geschockt setzt du dich. Es wirft dich zurück. Warum bist du bloß genau jetzt glücklich, wo du doch so etwas abscheuliches getan. Niemand darf es bemerken. Niemand darf es sehen, doch um deine Eltern musst du dir keine Sorgen machen. Dein Vater meidet es seit Jahren, mit dir auch nur ein Wort zu wechseln und deine Mutter hat selbst zu viel um die Ohren, sofern du lange Sachen trägst macht sie sich weder Sorgen, noch wird es ihr auffallen. Schnell nimmst du eine Zigarette, zündest sie vorsichtig an und rauchst sie genüsslich Zug für Zug. Wie soll es weitergehen? Was soll geschehen? Eigentlich hast du keine Lust mehr weiter hier auf Erden zu wandeln, doch deinen Freunden kannst du es nicht zumuten. Du kannst sie nicht verletzen. Egal, wie groß der Wille zu sterben ist oder besser gesagt der Wille, nicht mehr auf Erden sein zu müssen, so willst du ihnen nicht deinen Tod aufbürden. Seit Jahren überlegst du, hast dich informiert, alles geplant. Doch du kannst es nicht, denn du willst keinem Schmerzen zufügen. Vor allem nicht, wenn sie es gerade schwer genug haben. Die düstersten Gedanken hast du dir ausgemalt, dich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Dich stört der Gedanke sterben zu müssen nicht. Das hat es noch nie. Es stört lediglich die anderen. Deine Sichtweise auf den Tod ist nicht die, die andere Menschen teilen. Egal ob Glauben oder nicht, du sagst keiner Vorstellung davon zu. Einige sagten dir bereits, dass es feige sei, doch eigentlich gehört eine verdammte Menge Mut dazu, sich das Leben zu nehmen. Vor allem, wenn doch eigentlich alles super läuft. Lediglich dein Kopf und dein Selbst laufen nicht optimal. Nach außen hin jedoch, bekommt dies niemand mit. Keiner erkennt, was mit dir los ist oder kann es nicht richtig nachvollziehen. Du bist relativ alleine, denn selbst wenn Menschen die gleichen Gedanken teilen, so unterscheidest du dich immer noch. Der Wunsch nach dem Tod ergibt sich nicht einmal dort heraus, es gab ihn einfach schon immer. Es hat auch nichts mit Neugier zu tun. Du willst einfach nicht mehr in einer solch verkommen Welt leben, in welcher sich Menschen grundlos töten. Nur weil sie sich unterscheiden und damit nicht zurechtkommen herrscht krieg, nur weil man etwas nicht versteht gibt es Mobbing. Nur weil nicht alles schwarz und weiß ist, gibt es Tote. Wie oft hast du schon gesehen, wie Jemand, der dem Leben immer liebevoll und gerecht gegenüberstand, gestorben ist. Wie er leiden musste. Warum gibt es Menschen überhaupt? Diese Frage stellst du dir Tag für Tag. Warum gibt es Wesen, die sich jegliche Rechte herausnehmen, andere Lebewesen zum Spaß hinrichten. Sogar sich selbst zum Vergnügen töten. Warum gibt es so etwas. Sind diese Menschen nicht eigentlich die Schlimmste Tierrasse, die es gibt? Immerhin töten Tiere aus Instinkt, doch Menschen, diese müssten nicht töten. Sie könnten es unterlassen. Stattdessen schlachten sie sich ab, führen Kriege, in denen so viel Chaos verursacht wird. Hinzu kommt noch, dass Menschen, die absolut gierig und schlecht sind, eigentlich immer gutes abbekommen, während liebe, mitfühlende Menschen leiden dürfen. Sie ergötzen sich an dem Leid anderer. Zum Teufel mit ihnen. Sie haben das Leben nicht verdient. Egal wie oft man sagt, dass man niemandem den Tod wünscht, es gibt Menschen, die diesen durchaus verdienen würden. Nach einer Weile hören deine Gedanken auf, sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen und wenden sich erneut gegen dich. Du hebst einmal mehr die Rasierklinge auf, legst die Zigarette beiseite und beginnt, die Klinge langsam anzusetzen. Du überlegst nicht einmal mehr wo, denn es ist Routine geworden. Ein leises Geräusch. Du hörst wie deine Haut sich langsam öffnet, eine Schlucht bildet und du merkst ebenfalls, wie langsam etwas warmes deine Haut überströmt. Es fließt. Erst langsam, dann wird es etwas schneller. Es war ein tiefer Schnitt, denn das tiefrote Blut läuft bis zu deinen Fingern. Dort sammelt es sich an, tropft langsam hinunter auf die weißen, kleinen Kristalle, die es letztlich rot färbt. Du fühlst dich gut. Gänsehaut breitet sich aus, strömt über deinen ganzen Körper. Ein kribbeln, ein leichtes euphorisches Gefühl. Du beginnst erneut zu lächeln. Deine Augen strahlen, während sich deine Augen erneut mit Tränen füllen. Sie ergießen sich auf deinem Arm, vermischen sich langsam mit deinem Blut und hinterlassen einen herrlichen, stechenden Schmerz.

Aufgewachsen zwischen Engeln und Dämonen. Ständig kontrolliert, ständig verletzt. Niemals für ernst genommen, wenn es nötig war. Immer zurechtgewiesen worden, wenn es schon schlimm genug war. Einerseits geliebt, respektiert und beschützt, doch auf der anderen Seite wurdest du beschimpft, verscheucht. Du wurdest für die kleinste Sache direkt schlimm bestraft. Ob es nun einfach nur am zu lauten Spielen lag oder ob du was geklaut hast. Es war immer gleich schlimm. Deine Kindheit bestand auch aus schönen Momenten, doch es sind lediglich die negativen übrig geblieben. Ständig verletzt, gemobbt, ausgeschlossen. Nun benötigst du niemanden mehr, der das tut, denn du bekommst es selbst mittlerweile ganz gut hin. Erneut schaust du auf deine Wunde. Ein Karomuster. Zwei Schnitte haben sich gekreuzt, sodass die Wunde nun klafft. Jetzt kann dein Kopf bestimmt nichts mehr sagen. Du nimmst deine Zigarette, atmest sie noch einige Male genüsslich ein, spürst wie sich der Rauch in deinen Lungen wasserartig hin und her bewegt. Du schaust ihm hinterher, während du ausatmest. Schon immer fandest du es schön, wenn etwas geht, sich auflöst oder gar verschwindet. Nur bei Tieren oder geliebten Menschen hat es dich verletzt. Als kleines Kind schon schautest du dem Feuer zu, wie es langsam an dem Holz zerrte, bis letztlich nur noch Asche übrig blieb.

Ach könnte ich dir nur einen Ausweg zeigen. Du bist aufgewachsen zwischen zwei Fronten, gefangen zwischen zwei Welten. So sehr du dir wünscht, in die eine hinübergehen zu können, so kannst du es nicht. DU bist weiterhin dazu verdammt zu leiden.

In between placesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt