Ein Moment der Totenstille

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In der Nähe eines kleinen Dorfes im alten Japan spielten Ryuma und Kyota in einem kleinen Fluss. "Kyo! Kyo, komm her! Spring über die großen Steine im Wasser, dann kommst du schneller drüber!", rief der ältere von beiden Kyota zu. Er sprang selbst über die Steine und bahnte sich seinen Weg auf die andere Seite des Flussufers. "R-Ryu! Ich traue mich nicht! Das Wasser sieht so tief aus...!" Kyota, der jüngere der beiden war zu dem Zeitpunkt gerade zehn Jahre alt. Er hatte Angst vor tiefen Gewässern. Eigentlich hatte er sogar vor seinem eigenen Schatten Angst. Er sah seinen besten Freund mit großen funkelnden Augen an, was dadurch kam, dass er leichte Tränen in ihnen hatte und die sommerlichen Strahlen der Sonne sich in ihnen reflektierten."Ich schaffe das nicht! Bitte hilf' mir...!" Ryuma reichte ihm eine Hand und zog sich mit seiner freien Hand seine Hose etwas hoch, wegen dem Wasser. Er lächelte etwas und sagte zu Kyota mit einem vertrauensvollem Blick: "Komm. Ich lasse dich ja nicht hier, alles ist gut." Kyo nahm mit einem süßen kleinen Lächeln Ryus Hand und sprang rüber auf die andere Seite. Er wäre fast hingefallen, kein Wunder, er war sehr tollpatschig. Er grinste Ryuma etwas an und seine Wangen verfärbten sich leicht rosa. "Danke, Ryu! Was wäre ich nur ohne dich?", kicherte er niedlich. Sein Gegenüber wuschelte ihm durch die halblangen, dunkelbraunen Haare und erwiderte das kichern herzlich. "Hihi~ Lass uns weiter gehen. Der Alte vom Reisverkauf ist doch nicht ganz dicht! Die Preise sind viel zu hoch für seinen schäbigen Reis! Da ist der von deiner Mutter tausend mal besser!", Ryuma nahm mit dieser Aussage Kyotas Hand und ging in Richtung ihres Dorfes, am Geisterwald vorbei. "Hm.. Meine Mutter meinte, nur Erwachsene seien in diesem Wald erwünscht..." Kyota sah Ryuma etwas fraglich an, als dieser wie aus dem Nichts anfing zu grinsen. Er ließ seine Hand los, stellte sich vor den Eingang und drehte sich zu Kyo um. "Denkst du, auch wenn ich noch nicht zwanzig bin, dass sie mich da drin akzeptieren?" Er posierte männlich, wie es sein Onkel, der der jetzige Leibwächter des Kaisers ist, es immer tat. "Seh' ich nicht erwachsen aus, Huh?!" "Du bist so toll Ryu! Die akzeptieren dich bestimmt! Heh..❤️" Ryuma sah Kyota stolz lächelnd in die Augen und ging über die Schwelle zum Wald. Plötzlich stockte er und machte einen verwirrten Ausdruck. "H-Huh..? U-Uh... Was.. Was ist das denn..?" Er sah auf einmal Geister und andere Wesen die Kyota nicht sehen konnte, weshalb er ihn fraglich ansah. "Was ist denn los Ryu? Du guckst so verängstigt... Was siehst du denn?" Ryuma schluckte und lächelte etwas zu ihm, um seine Angst zu verbergen. "Alles ist bestens! Ich und Angst? Ich weiß nicht mal wie Angst buchstabiert wird! Haha!" Kyota seufzte leicht. "Du lügst doch...Was ist los mit dir? Sag schon!" Er sah ihn voller Sorge an und ging zu ihm, er konnte sich auch nicht verkneifen wieder einmal seine Hand zu nehmen. Ryu fasste sich ein Herz und rannte mit ihm zusammen zurück zum Dorf, atmete durch und ging mit ihm zusammen zu sich nach Hause. Sein kleiner Bruder war zu Hause und seine Mutter kochte gerade Reis und eine Soße. "Hallo Mutter, Hallo Ma-chan! Tschüss, ich geh' mit Kyo hoch auf mein Zimmer!" mit dieser schnellen Begrüßung und gleichzeitigen Verabschiedung tat er genau das, was er gerade beschrieben hatte. In seinem Zimmer angekommen setzte er sich mit Kyo auf seine Art Futon und seufzte erst einmal etwas." Uff...Hatte ich gerade eine heiden Angst...", dachte er. Er würde niemals freiwillig zugeben, dass er Angst hat vor etwas. "Jetzt sag mir endlich was los war!  Du lügst mich an! Ich mag es nicht, wenn du mich anlügst!", motze Kyo ihn etwas an. Er quengelte eigentlich immer herum, wenn er sich um seinen besten und im Grunde einzigen Freund sorgte. Es gab dafür genügend Gründe, zumal die anderen Kinder aus dem Dorf die beiden immer Cut-sleeves* nannten, da sie oft Händchen hielten und auch kuschelten. Ebenfalls ist Kyota sehr schüchtern und traute sich nicht wirklich mit anderen Leuten zu sprechen, außer natürlich mit Ryuma. Ryu schluckte etwas und murmelte: "Ich habe Geister und Dämonen gesehen..." Kyota weitete die Augen etwas und fing an zu stottern. "A-Aber du s-sagtest doch immer es g-gäbe sowas nicht?.." " Ich dachte meine Mutter und die anderen Erwachsenen sind alle verrückt aber... Anscheinend ja nicht..." Er hasste es zugeben zu müssen, dass er Unrecht hatte und schmollte etwas. Er verschränkte sogar die Arme bockig vor der Brust, was dazu führte, dass sich Kyo etwas das lachen unterdrücken musste. Vergeblich. Er kichert dann doch etwas und sah ihn grinsend an. "Gibst du etwa doch zu, dass du Unrecht hattest?" Er lächelte Ryu etwas provozierend an, der darauf hin anfing zu grummeln. Ryuma packte ihn an den Handgelenken, drückt ihn unter sich ins Bett und kitzelt ihn durch."Naw! Du wirst es noch bereuen mich auszulachen Kyo-Kyo-chan!" " L-Lass das! Ryu! Hör auf, Ryu! Heh.." Kyo versuchte lachend Ryuma von sich runter zu werfen, aber die beiden wurden unterbrochen, als plötzlich der kleine Bruder Ryumas in das Zimmer rein kam."Uff ihr zwei... Am besten werdet ihr irgendwann Kultivierungspartner." Nach dieser Aussage ging er dann wieder, die Schiebetür hinter sich schließend. Ryu lief rot an im Gesicht und ging von Kyo runter. "K-Klappe halten, Maquo!!", schrie er ihm nach. Kyota war ebenfalls total rot geworden und sah ihn schüchtern an, lächelte danach aber etwas. Sie schwiegen sich immer an, wenn das gesagt wurde. Es wurde auch immer von den anderen Jungs aus dem Dorf gesagt. Beide werden nur rot... Aber nie sagte jemand etwas dazu. "Hey, lass dir sowas nicht einreden! Du bist doch der aller stärkste und beste hier aus dem Dorf!" Kyo probierte ihm wohl etwas Mut zu machen. Er umarmte seinen, so wie es seine Mutter meinte, Seelenverwandten etwas und lächelte total niedlich. Er dachte darüber nach, was Maquo zu ihnen sagte. "Was.. ist wenn er später wirklich mein.. Kultivierungspartner wird.. n-nein! Bestimmt nicht.."

Ein paar Monate später besuchte Ryu gerade Kyo bei sich zu Hause. Sie saßen auf seinem Futon und knuddelten etwas miteinander. "Hast du schon gehört, dass der Kaiser sich mit dem Leiter des anliegenden Clans unseres Dorfes verstritten hat? Das ist anscheinend eine sehr große Sache.." "J-Ja, habe ich auch schon gehört... Uhm..", erwiderte Kyo auf Ryus Frage. Er sah ihm etwas niedergeschlagen in die Augen. "Was passiert, wenn jetzt Soldaten kommen? Ich habe Respekt vor denen... Die sind erfahrene Kämpfer..". Er sah unter sich und schien darüber intensiv nachzudenken. Er zitterte ebenfalls und umarmte ihn, nein, er krallte sich an Ryuma. "I-Ich habe Angst Ryu..  Was, wenn.. wir beide uns nie wieder sehen..? Was, wenn wir getrennt werden?" schluchzte er. Ryu schloss ihn tiefer in seine Arme und streichelte ihm etwas über den Kopf zur Beruhigung. "D-Das wird schon alles gut werden... Bestimmt. Und selbst wenn es Krieg geben sollte, dann sind wir ja zusammen... Stimmt's? Lass uns ein Versprechen daraus machen. Wir werden für immer zusammen bleiben!" "J-Ja.. Versprochen. Für immer und ewig." Tränen liefen über seine Wangen. Er zitterte etwas weniger und kuschelte sich etwas an Ryu.  "Ich habe so Angst dich zu verlieren..", dachte er. "Wie wäre es, wenn ich für die nächsten Tage hier übernachte, Hm?", fragte Ryu Kyo etwas liebevoll lächelnd. "J-ja, bitte bleib bei mir.. Danke.. Danke, dass du immer für mich da bist." "Ich bin so froh ihn zu haben .. Was wäre ich ohne ihn..?", dachte Kyo und sah ungewollt total verliebt aus. Die Tage vergingen, eine Woche war bereits vergangen, es war gerade mitten in der Nacht und Ryuma und Kyota schliefen zusammengekuschelt unter der Decke in Kyotas Futon. Es war schön warm und angenehm, vor allem weil sie sich gegenseitig wärmten. Sie waren noch wach, eigentlich sollten sie schon längst schlafen. "Ich hab dich...lieb Kyo-Kyo-chan..", murmelte Ryuma etwas müde, woraufhin Kyota sich mehr an ihn kuschelte und mit einem schüchternen: "I-Ich dich auch, Ryu..." knallrot antwortete. Man hörte auf einmal Pferde antraben und Männer die 'Raus aus den Häusern!!' schrien, ebenfalls hörte man Kinder weinen, Frauen und Männer schrien herum, Tiere waren unruhig. Ryu wusste was los war und versteckte sich mit Kyo in einem Teil unterhalb des Hauses, wo man sie nicht finden könnte. Kyota hatte panische Angst, versuchte jedoch so leise zu sein wie nur möglich. Er krallte sich ganz fest an Ryu und sah ihn ängstlich und hilflos an "W-Was sollen wir machen..?! Was ist wenn .. das unser Ende sein wird ?!" Er konnte nicht anders als anfangen zu weinen. Ryuma hielt ihm vorsichtig den Mund zu, damit er nicht zu laut war. Er streichelte ihm ebenfalls liebevoll zur Beruhigung über den Kopf. "Shh.. Ganz ruhig...", flüsterte er ihm ganz leise in sein Ohr. "Wir dürfen uns nicht bewegen und auch nicht reden..." Der jüngere nickte nur, stark zitternd und voller Angst, eingeschränkt in diesem kleinen Teil des Hauses, so nah in Ryumas Armen, wie er noch nie zuvor war. Nach mehr als drei Stunden, war das Dorf stumm, nur noch einzelne Tieren wimmerten manchmal, aber das verging auch langsam. "Bitte lass Maquo, Mutter, Vater und Kyos Eltern noch am Leben sein... Kami-sama, bitte..." Ryuma zitterte mittlerweile wie Ästelaub, umgriff Kyo mehr, er klammert sich eher schon um ihn. "Ich hab Angst... Ich will nicht sterben... Ich will nicht, dass dir etwas passiert..." "Ryuma...alles wird gut..", sagte Kyo und streichelte über seinen Rücken. Er versuchte ihn etwas zu beruhigen. Er küsste sanft seine Wange, worauf hin Ryuma leicht rot wurde und ihn abermals mehr umarmte. "Bald ist es vorbei... Es geht sicher allen gut... Das muss so sein...", sagte er zu sich selbst.  Nach einer weiteren halben Stunde entschieden sie sich, ihr Versteck zu verlassen. Sie nahmen sich an den Händen und gingen raus. Draußen brannten die meisten Häuser und es lagen überall Leichen herum, von Tieren, von Männern, von Frauen und Kindern, selbst schwangere wurden nicht verschont. Kein schöner Anblick, vor allem nicht für zwei Kinder, die so etwas noch nie gesehen, nur davon gehört hatten. Kyota fing an zu weinen und total panisch zu werden. "Shh.. Alles ist gut... Wir müssen nach unseren Familien sehen... Komm...", versuchte Ryu ihn zu beruhigen. Sie gingen zuerst zum Arbeitsplatz von Kyotas Eltern, die Schmiede und der Reisladen. Es war ein zusammenliegender Laden, mit getrennten Eingängen. Als sie in den Durchgang kamen, lagen Kyos Eltern nebeneinander, in Blutlachen, getötet von Soldaten. "N-Nein wieso...?" Ryuma konnte dieses Szenario nicht ertragen und hielt Kyota die Augen zu. "Sieh nicht hin... Nicht hinsehen... Wir müssen... Wir müssen nach weiteren überlebenden Leuten suchen.. Lass uns zum Kräuterladen meiner Mutter gehen... Mein Vater ist... Er..." Er wusste nicht was er noch weiter sagen sollte. Zum ersten Mal in seinem noch nicht so langen Leben, war er sprachlos, nicht in der Lage ein weiteres Wort zu sagen. Es herrschte Totenstille. Er ging einfach ohne ein weiteres Wort zu sagen mit Kyota in Richtung des Kräuterladens seiner Mutter.

(Notiz: im alten Japan war "cut-sleeve" ein gängiger Begriff, der verwendet wurde, um Homosexuelle zu kennzeichnen)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 19, 2019 ⏰

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