Tische die eigentlich Stühle sind

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Sarah. Sarah. "Sarah."
Alle Trans* Leute machen so einen Wirbel um ihren Geburtsnamen, ihren sogenannten „Deadname".
Der Name Sarah war für Felix jetzt wohl irgendwie wirklich gestorben, er war zwar noch nicht bei seinem Vater und auch noch nicht in der Schule geoutet gewesen, aber sein Vater wohnte nicht mehr mit seiner Mutter und ihm zusammen und vor seiner Klasse würde er sich eben noch outen müssen.
Vor ein paar Tagen war er das erste mal bei seiner Psychologin, sie hatten eine Stunde und er hatte viel reden müssen, eigentlich mochte er es nicht, so viel zu reden, aber seine Psychologin war eine sympathische ältere Dame mit einem nette Lächeln, spezialisiert auf Transidentität und eben eine Psychologin.

„Es macht mir eigentlich nichts aus, wenn man zu mir Sarah sagt; auch wenn ich zu diesem Stuhl da,
er zeigte auf einen alten Stuhl mit vielen verstaubten Psychologiemagazinen darauf, „Tisch" sage, bleibt es ein Stuhl, auch in der Funktion."

„Ich finde es schön, wenn man mich Felix nennt, aber es ist nicht der Weltuntergang, wenn man es nicht tut."

Er wusste wer er war und er war seinem Ziel so nah wie nie zuvor; er wurde akzeptiert.

Die Familie war schon immer das Wichtigste, das, was zählte. Es war ihm egal ob seine Klasse ihn akzeptieren würde oder nicht, im besten Fall tat sie es aber doch, seine Klassenkameraden waren sehr nett, er hatte positive Erwartungen. Im schlimmsten Fall würden sich ihre Wege in ein paar Jahren trennen, oder er würde die Schule wechseln, beides nichts all zu dramatisches.
Die Familie jedenfalls, war beängstigender.
Beängstigend, weil sie wichtig war.
Wenn irgend ein Klassenkamerad ihn nicht so akzeptieren würde wie er war, dann war es ihm egal.
Er mochte die meisten aus seiner Klasse, aber sie waren ihm nicht wichtig.
Hätte seine Mutter ihn nicht akzeptiert, das wäre ein Albtraum gewesen, nicht nur, weil er bei ihr lebte.
Es war seine Mutter, er wollte nur so geliebt werden wie er war.

Zeit vergeht schnell, wenn man so tief in einem Gespräch versinkt wie Felix an diesem Tag mit seiner Psychologin. Mit einem Händedruck und einem Lächeln verabschiedeten sie sich, Felix schmiess sich seinen Rucksack über die Schulter und verliess die Praxis.
Es sah nicht aus wie eine Praxis, es war der Hintereingang eines großen Hauses, verziert mit einer großen silbernen Plakete. Es fühlte sich nicht an wie eine dieser fremden, kalten Praxen, es war heimelig. Und er würde sich freuen das nächste mal auf dem bequemen Sofa im Gästezimmer zu warten.

Als er die Praxis verließ musste er grinsen, er freute sich so sehr, dass ihm die lange Heimfahrt nichts ausmachte. Eigentlich war er nur ein paar Dörfer und ein, zwei Städte von Zuhause entfernt, aber Samstags fuhren die Öffis zu wirklich unmenschlichen Zeiten.
Er hätte auch auf einem Esel nachhause reiten können, er war glücklich.

Trans* für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt