Kapitel 1

53 6 1
                                    

,,Aufstehen Schätzchen'', flüstert Mom als sie mein Zimmer betritt. Langsam öffne ich meine Augen und bemerke, dass mein Zimmerlicht schon längst angeschaltet ist. Sofort überkommt mich der unschöne Gedanke, bald schon wieder in der Schule zu sitzen. Könnte ich nur einfach wieder meine Augen schließen und erneut in meine perfekte Traumwelt ohne Probleme und Sorgen eintauchen. Naja so läuft das wohl nicht. ,,Bin doch schon längst wach Mama", brabbele ich vor mich hin. Meine Mutter ist einer der wenigen Menschen, auf die ich mich immer verlassen kann. Davon gibt es wirklich nicht viele, was mich jedes Mal ein bisschen traurig macht, wenn ich daran denke. Noch ein wenig schwarz vor Augen taumele ich in Richtung Badezimmer. Auf denn weg komme ich an dem verlassen Zimmer meines Vaters vorbei. Rasch steige ich unter die Dusche. Die Wärme des Wassers gibt mir ein gutes Gefühl und ich werde ein wenig wacher. Im Hintergrund läuft meine Playlist, die ich zuvor gestartet hatte. Als mein Lieblingslied ertönt, kommen leise Ansätze von Gesang aus meinem Mund. Nach etwa zehn Minuten schalte ich das Wasser aus, steige aus der Dusche und schlüpfe in meinem kuschligen Bademantel, der schon griffbereit an einem Haken hängt.  Auf dem Weg zurück in mein Zimmer kommt mir mein Kater entgegen und begrüßt mich mit einem freundlich klingenden ,,Miau". Bevor ich weitergehe streichele ich ihm über sein glänzendes schwarzes Fell. Es ertönt ein weiteres ,,Miau", das mich zum Schmunzeln bringt. Manchmal kommt es mir so vor als würde er mit mir reden. Vielleicht habe ich auch einfach zu wenig menschlichen Kontakt. ,, Ist alles in Ordnung?", fragt meine Mutter als sie das Zimmer meiner Schwestern verlässt. Plötzlich bemerke ich, dass ich noch immer mitten im Flur stehe. ,, Ja alles supi", antworte ich und begebe mich in mein Zimmer. ,, Was könnte ich nur anziehen", murmele ich vor mich hin. Da fällt mir meine schwarze Jeans ins Auge. Ich trage nicht sehr auffallende Klamotten. Sie drücken auch im Großen und Ganzen mein Verhalten in der Schule aus. Zurückhaltend, unauffällig, schüchtern...so bin ich. Damit hab ich aber eigentlich kein Problem. Entschlossen greife ich meinen schon etwas zerknitterten Strickpulli, der rechts von der Jeans liegt. Auch mein Pulli hat die Farbe schwarz. Das ist übrigens auch meine Lieblingsfarbe, wenn man es eine Farbe nennen kann. ,,Guten Morgen", rufen meine zwei Schwestern als sie mit vollem Elan am frühen Morgen in mein Zimmer springen. Sie sind Zwillinge und das kann man klar erkennen. Beide haben langes hellblondes Haar, große Rehbraune Augen und eine schlanke Figur. Sie sind zwölf Jahre alt  und beliebter als ich mit meinen fünfzehn Jahren. Schon ein wenig erniedrigend, wenn man darüber nachdenkt. ,,Raus aus meinem Zimmer'', schreie ich. Es freundlich zu sagen gelingt mir noch nicht. Generell weiß ich nicht ob ich mich je hundert Prozent unter Kontrolle habe. Anika und Emilie rennen kichernd aus dem Zimmer. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr ziehe ich mir meine Klamotten an und gehe hinüber zu einer kleinen Kommode, die sich gegenüber meines Schrankes befindet. Ich öffne mühsam die zweite Schublade und ziehe einen handlichen Föhn hervor. Mit ihm gehe ich ins Bad und schließe ihn an die Steckdose überhalb des großen eckigen Spiegels an, in dem ich mich jedes Mal für mein Aussehen schäme. Innerhalb von fünf Minuten ist meine gelockte dunkelblonde Mähne getrocknet. Mit einem erzwungene Lächeln blicke ich in den Spiegel, richte aber kurz darauf meinen Blick auf die Uhr, die im Bad hängt. ,,Shit in zehn Minuten kommt mein Bus'', sage ich erschrocken. Blitzschnell laufe ich in mein Zimmer und greife meinen ebenfalls schwarzen Schulrucksack, der an der linken Tür meines bescheidenen Schrankes lehnt. Panisch sprinte ich die hölzerne Wendeltreppe hinunter die in das Untergeschoss führt. Fast stolpere ich über einen Pokal, den meine Schwestern mal wieder in irgendeiner ihrer zahlreichen Sportarten gewonnen haben und der den Weg versperrt. Anika beobachtet mich dabei und fängt leise an zu kichern. ,,Räum lieber deinen Dreck weg, anstatt nur blöd zu Lachen", spotte ich obwohl ich doch ein wenig neidisch auf den Pokal bin. Natürlich habe ich noch nie eine Auszeichnung oder sonstiges erhalten. Wie auch ,ohne Talente. Dann erinnere ich mich daran, dass mir die Zeit davon läuft und bewege mich in Richtung Küche. Dort nehme ich eine kleine Trinkflasche aus dem weißen Schrank über der Spülmaschine. Diese fülle ich mit etwas Wasser aus dem Wasserhahn. Entschlossen schaue ich in den Brotkorb. Darin sollten sich üblicherweise ein paar Scheiben Brot befinden. ,,Auf der Arbeitsfläche in der Küche liegen 2€. Kauf dir dein Essen in der Schule", ertönte es aus dem oberen Stockwerk. Direkt erkannte ich die Stimme meiner Mutter und griff nach dem Geld. Leider ist meine Schule nicht sehr prachtvoll und das Essen dort erst recht nicht. Trotz allem verlasse ich zufrieden die Küche mit meiner Flasche und dem Geld in der Hand. Ich packe sie in die Tasche und ziehe zügig meine Schuhe an. Diese sind ausnahmsweise mal weiß und nicht schwarz. ,,Komm Trixi unser Bus ist gleich da'', ruft meine Schwester Emilie, die schon fertig mit Anika an der Tür steht. ,,Jaha bin doch schon fertig. Nerv mal nicht so." Die Zwillinge öffnen die Tür und ich gehe hinter ihnen her. Gemütlich stapfe ich den Weg zur Bushaltestelle entlang. Plötzlich schreit Anika:,, Emilie der Bus kommt!". Hastig fange ich genau wie die beiden an zu rennen, um den Bus noch zu erwischen. Eigentlich wäre es praktisch den verpassten Bus als Ausrede zu nehmen nicht in die Schule zu müssen. Dafür bin ich aber viel zu brav. In der letzten Sekunde können wir noch in den Bus einsteigen und die Türen schließen sich.

Complicated Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt