Nervös laufe ich auf das Tor meiner neuen Schule zu. Es ist quietschblau, und damit meine ich keinen schönen Pastellton. Es bildet einen ziemlich merkwürdigen Kontrast zu den mit Moos überwucherten Backsteinmauern, die aussehen, als hätten sie schon mehrere Tsunamies überlebt. Aber na gut, let's give it a try.
Überrascht von mir selbst laufe ich selbstbewusst los, bis ich etwa mittig rechts stehen bleibe und mich an eine der Mauern lehne. Das sollte eigentlich eher lässig wirken, allerdings knirscht es hinter mir verdächtig und ich schrecke zurück.
Schnell sehe ich mich um und bete innerlich, dass mich niemand beobachtet hat. Auf den ersten Blichk scheint mich niemand zu beachten, die meisten stehen in kleinen Grüppchen verteilt auf dem Schulhof und sind mit laut schnatternden Gesprächen über die Ferien oder die neuen Outfits der jeweils anderen beschäftigt - ja, auch die Jungs. Sie schnattern zwar nicht, reden aber zwischen dem ganzen Schulterboxen und dem abchecken der umliegenden Mächdentruppen mindestens genauso viel.
Automatisch fühle ich mich unwohl, ich hasse es die Neue zu sein. Nervös hole ich mein Handy heraus und hoffe auf neue Nachrichten, werde aber leider enttäuscht. Alibimäßig und um nicht ganz so mitleidig zu wirken, sehe ich mir trotzdem einen alten Chatverlauf an und tippe eine Nachricht, die ich aber vor dem absenden wieder lösche.
Zufrieden mit mir lasse ich mein Handy wieder in meine Tasche gleiten und sehe wieder hoch. Während ich meinen Blick über den Hof gleiten lasse und kurz die Augenbrauen über einen erschreckend kurzen Rock hochziehe, entdecke ich etwas Neues. Von der anderen Seite des Hofes, mir fast gegenüber, läuft ein Typ auf mich zu.
Nicht einfach nur in meine Richtung sondern direkt auf mich zu, denn er sieht mir die ganze Zeit durchdringend in die Augen, und auch nicht nur irgendein Typ. Mir leuchtet es jetzt schon blau entgegen, er trägt ein dunkelblaues T-Shirt mit V-Ausschnitt -ohhhh wie ich das liebe- und im Kontrast dazu blitzen mir seine Augen eisblau entgegen.
Seine karamellbraunen Haare klingeln sich zu leichten Locken, die beim gehen sanft mitwippen. Dazu hat er eine kleine Stupsnase. Eigentlich ist er einfach nur zuckersüß, wäre da nicht sein kantiges Gesicht in dem ein sexy Grinsen klebt. Seine "Jawline" sieht aus, als hätte man sie mit dem Geodreieck geschnitten. Außerdem kann ich unter dem T-Shitt auch noch alle verfügbaren Muskelgruppen erkennen, soll heißen: breite Schultern, Brustmuskeln, umd unser aller Liebling - das Sixpack! Yummy.
Er kommt immer näher, bis er sich vor mir bleibt stehen bleibt. Und zwar 20 zentimeter vor mir. Weil ich immer noch mit dem Rücken zur Mauer stehe, kann ich auch nicht zurückweichen. Als ich ihm ins Gesicht sehe, zieht er den linken Mundwinkel hoch, was unglaublich heiß aussieht.
Okay, tief durchatmen, dass weiß er bestimmt auch so. Ich stehe immer nich völlig erstarrt da. Er ist etwas größer als ich, so dass ich zu ihm aufschauen muss. Jetzt mustert er mich bis ins kleinste Detail. In Zeitlupe lässt er seinen Blick über mein Gesicht gleiten, und ich habe das Gefühl als würde mein Gesicht dort wo seine Augen mich streifen kribbeln. Ich schrumpfe innerlich zusammen, und richte mich darum noch etwas auf.
Ganz vorsichtig, als wäre ich etwas unheimlich zerbrechliches, legt er seine rechte Hand an meine linke Wange. Sie ist weich, nur die Fingerkuppen sind etwas rau. Er wartet einen Moment ab, und als ich nicht wegzucke, sondern ihn nur mit großen Augen ansehe, fährt er mit seinem Daumen über meine Lippen. Es kitzelt ein wenig, und ich öffne sie leicht.
Zitternd atme ich aus. Sein Gesicht ist inzwischen noch näher an meinem. Ich schließe meine Augen und spüre, wie er mit seinem Daumen nach unten auf mein Kinn fährt. Dabei bleibt meine Unterlippe an ihm hängen und ploppt leicht zurück, seine hand liegt immer nich an meiner Wange.
Und dann, als wäre es das natürlichste der Welt, legt er einfach seine Lippen auf meine.
Zuerst bin ich wie erstarrt und bewege mich nicht. Doch dann fange ich an es zu genießen, jedes Detail.
Seine unheimlich weichen Lippen, die ein bisschen größer sind als meine. Wie er nach Minze schmeckt, und etwas, dass ich nicht einordnen kann. Das er langsam anfängt seine Lippen gegen meine zu bewegen, und wie ich erwidere.
Wie seine Hand von meiner Wange an meinen Rücken gleitet, und er die andere an meine Hüfte legt. Das ich meine Hände vorsichtig in seinen Nacken lege, und wie wir uns gegenseitig noch näher ziehen. Wie wir miteinander verschmelzen.
Wie er mit seiner Zunge an meine lippen stößt, und ich sie bereitwillig öffne. Wie meine Hand in seine Haare fährt, und leicht an einzelnen Löckchen zieht. Wie er mit seinen Händen Muster auf meinen Rücken malt. Die Perfektion dieses Augenblickes, die totale Leichtigkeit, die unbeschreiblichen Gefühle.
Bis uns die Schulklingel jäh unterbricht. Ich glaube noch nie in meinem Leben habe ich in meinen Gedanken so laut, viel, und unanständig geflucht.
Keuchend lösen wir uns von einander. Seine Haare sind etwas durcheinander und seine Wangen sind etwas gerötet. Mit einer Hand fährt er durch sie, und sieht dabei zu Boden. Dann dreht er sich um und geht ohne ein weiteres Wort davon.
Fassunglos sehe ich ihm hinterher. Ich hätte ihm gern hinterhergerufen, wäre ihm gern hinterhergelaufen. Aber ich bleibe einfach genau da stehen wo ich bin, durchlaufen von Faszination darüber, wie genau ich alles wahrgenommen habe. Und natürlich dass mich ein verdammt heißer Typ einfach so geküsst hat.