Ich sah dich aufmerksam an.
Du starrtest mit diesem leeren Blick vor dich hin, doch deine Mundwinkel waren gehoben. Du starrtest einfach geradeaus, mit diesem Blick, den du sonst nur aufsetztest, wenn etwas Schlimmes passieren sollte. Mit diesem Blick, den du sonst nur in deinen Oculi trugst, wenn deine Gedanken dich wieder einmal verfolgten. Dennoch lächeltest du.
Deine Arme hattest du vor dich gestreckt und spreiztest deine Finger, betrachtestest sie ebenso aufmerksam, wie ich dich ansah.
Das einzige Licht, das in den Raum gelangte, war der dünne Strahl des Sonnenlichts, das durch die zugezogenen Vorhänge hindurchschien. Mein Blick lenkte sich auf den Staub, der in dem Licht beleuchtet und sichtbar gemacht wurde. Du schautest ebenfalls da hin, als du bemerktest, dass meine Konzentration geschwunden war.
"Denkst", begannst du, doch deine Stimme brach dadurch ab, dass du lange nichts gesagt hattest. Du räuspertest dich und es ging wieder besser. Du setztest erneut an. "Denkst du auch manchmal darüber nach, einfach zu sterben?", fragtest du.
Ich legte meinen Kopf schief und sah dir in die dunklen Augen. In diese traurigen Augen mit diesem tiefen Ausdruck, in dem ich hätte ertrinken können. So tief und dunkel wie braune Ozeane. Wie Schluchten.
Du warst in diesem Moment eine einzige große Schlucht. Du mit deinen Seelenspiegeln. Nur sie zeigten dein wahres Gesicht. Diesen verlorenen, lethargischen Träumer in dir."Vielleicht ist der Tod ja auch schön, weißt du? Dann kümmert dich nichts mehr, du bist vielleicht alleine, aber nicht einsam. Vielleicht bist du dann frei in der Dunkelheit, frei mit deinem Kopf. Vielleicht kannst du das dann erst richtig genießen, du selbst zu sein. Vielleicht ist das Leben tot einfacher."
Dann lächelte auch ich. Ich kannte dieses Spiel. Es war anders als sonst, doch ich kannte es schon. Wir sprachen nicht zum ersten Mal über den Tod. Es ist nicht das erste Mal, dass du davon redest zu sterben. Obwohl das Thema nichts zum Lachen bereithält, tun wir es dennoch. Denn der Tod kommt zu uns allen, früher oder später. Wann dieser Zeitpunkt ist, tut nichts zur Sache. "Denkst du auch manchmal über den Tod nach?"
"Nein."
Deine Mundwinkel sanken. "Denkst du nicht, es wäre viel einfacher, nicht mehr da zu sein?", brachtest du hervor und legtest die Arme, die du bisher vor sich ausgestreckt hattest um deinen schmalen Oberkörper. Auch ich hörte auf zu lächeln und biss mir auf die Unterlippe. "Einfacher, weil dich überhaupt nichts mehr interessieren würde? Einfacher, weil du dich um nichts mehr sorgen müsstest?", fuhrst du fort und ich schloss die Augen. Ich schüttelte mit dem Kopf, hin und her, hin und her. So lange, bis du mich wieder beachtetest und aufhörtest, nach weiteren Möglichkeiten, um deine Gedanken auszudrücken zu suchen.
"Ja. Einfacher", sagte ich nur sarkastisch und blickte dich erneut an. "Du hast doch gar keine Ahnung, wie der Tod aussieht, wie kannst du ihn dann so unbedingt wollen?"
Meine Worte verletzten dich und das wussten wir beide. Aber sie brachten etwas, das wusste ich für meinen Teil; selbst, wenn es dir nicht bewusst war. Es löste in dir einen Gedankengang aus, den du unbedingt weiterverfolgen würdest. Er würde wieder damit enden, dass du nichts mehr weißt. So wie die letzten Male. Jedes dieser Spiele war es das selbe Muster, denn am Ende gingst du verwirrt hinaus und ich mit meinem lebendigen besten Freund, der eine Weile nicht mehr darüber nachdachte. Meistens hielst du es einen Monat aus. Es war fast schon wie eine Gewohnheit, mit dir über den Tod mit all seinen Facetten zu sprechen.
"Für dich wäre es einfacher. Aber was ist mit deinem Umfeld? Mit deiner Familie, deinen Mitarbeitern, den anderen, mir?"
Du sahst ertappt auf deine nackten Füße, die auf dem hölzernen Boden standen. Du saßest zwar auf der Fensterbank, doch sie war niedrig. In Folge dessen kamst du dennoch an den Boden und deine Beine baumelten nicht wie sonst umher, wenn du ihn nicht erreichtest. Dieses kleine Detail brachte mich zum Lächeln, doch das hielt nicht besonders lange. Die erste Träne landete neben deinem Fuß. Doch ich rührte mich nicht. Stattdessen setzte ich noch einen drauf.
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LETHAL
Fanfiction"Denkst du auch manchmal über den Tod nach?" „lethal" ⛒ random oneshot ⛒ yoonseok