Rote Bank

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Sie saß, die langen Beine mit der blassen Haut übereinander geschlagen, auf der alten, ehemals Roten Bank, dessen Farbe aufgrund des ständigen Regens und des Alters schon beinah ausgeblichen war. Wie immer hielt sie ein Buch in ihren Händen, das aussah wie frisch aus der Buchhandlung und in regelmäßigen Abständen schlugen ihre zierlichen Finger, mit den Blutrot lackierten Nägeln, eine Seite um.


Er betrachtete die wirren Wellen ihrer Dunkelbraunen Haare, welche knapp über ihrer Schulter endeten und die sie sich immer wieder, trotz dessen das sie ständig wieder zurückfielen, aus ihrem Gesicht hinter ihr Ohr schob. Fasziniert studierte er diesen Vorgang, als wäre er ein einmaliges Naturphänomen, doch in Wahrheit kam ihm diese Geste, wie vieles an ihr, schon vertraut vor. Sein Blick glitt nach oben und blieb an den gesenkten Augenliedern hängen. Er musste sich garnicht vorstellen welche Farbe ihre Augen hatten, denn er wusste genau wie schön das Grün, mit den hellen braunen und sonnengelben Sprenkeln, war.

Sie trug heute ein schlichtes schwarzes Kleid, welches knapp über ihren Knien endete und das bei jeder anderen seine Fantasie angeregt hätte, doch an ihre fand er es einfach nur schön.


Sie saß dort jeden Mittwoch und las solange bis es Dunkel wurde, und doch hatte er kein einziges Mal in den vergangenen Wochen den Mut gefasst sie anzusprechen oder sich einfach neben sie zu setzen. Er konnte sich nicht erklären was mit ihm los war, er war nicht schüchtern, doch in ihrer Gegenwart war alles anders. Er war anders.

Völlig in Gedanken über sie versunken, bemerkte er nicht wie sie aufblickte, ein leises Seufzen durch ihre Lippen ließ und sich von ihrem Platz erhob, obwohl erst in einer Stunde die Dämmerung einsetzen würde.

Erst als sie schon fast vor ihm stand nahm er ihre anmutigen, fließenden Bewegungen aus dem Augenwinkel wahr und hob erstaunt den Blick und zog fragend die Augenbrauen nach oben. Sofort bohrte sich das Grün ihrer großen Augen in das stechende Blau der seinen und er vergaß zu atmen.


Im fiel sofort das kleine Grübchen in ihrer rechten Wange auf, welches durch das leichte Lächeln entstand, dass ihre Lippen zierte.

Festen Schrittes, der im Kontrast zu ihren zerbrechlich aussehenden dünnen Beinen stand, ging sie weiter auf die Bank zu, auf dessen halb kaputter Lehne er hockte.

Sie war ihm nun so nah, wie er es niemals zu träumen gewagt hätte und weil er nicht wusste was er in diesem Moment mit sich anfangen sollte, entschied er sich einfach ihr kleines Lächeln durch ein schiefes Grinsen zu erwidern.


Atemlos, mit funkelnden Augen und geröteten Wangen, kam sie vor ihn zum stehen und flüsterte mit zarter Stimme ein leises Hallo. Wie sie dort vor ihm stand, völlig unwissend darüber was sie mit ihm anstellte, überwältigte ihn ihrer vollkommene Perfektion auf ein neues.

Unfähig zu sprechen beugte er sich leicht vor und räusperte sich, doch anstatt sich wieder zurück zu lehnen und ihr zu antworten stütze er sich mit seinen Händen auf seinen aufgestellten Beinen ab, erhob sich in einem Schwung und stand nun so nah vor ihr, dass er meinte ihre Wärme zu spüren und ihr süßliches Parfum zu riechen.



Noch ehe er darüber nachdenken konnte vergrub er seine großen Hände in ihren weichen Haaren, während er sich leicht hinunterbeugte um den letzten Abstand zwischen ihren Mündern zu überbrücken. Kurz bevor seine Lippen ihre berührten und er ihren warmen, leichten Atem schon spürte, hielt er einen Sekundenbruchteil inne, öffnete seine Augen und blickte auf ihre geschlossenen Lieder. Und ohne weiter darüber nachzudenken, was er dort im Begriff war zu tun, schloss er seine Augen wieder und presste seine weichen, roten Lippen sanft auf ihre.

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