Kapitel 34: Morgendlicher Besuch

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•~ Amelia~•

"Hallo Amelia" begrüßte mich die Stimme, die pure Gänsehaut auf meinem ganzen Körper auslöste. Mein Körper hatte die Wirkung von Jack also nicht vergessen. Es dauerte einen kurzen Moment, bis mein Sprachsinn sich aktivierte "Komm doch rein" lächelte ich schüchtern & öffnete die Tür weiter, um ihm Eintritt zu gewähren.

So geschah es, dass die zwei besten Freunde im Flur ineinander liefen, da mein Cousin neugierig war, was denn solange dauerte. Gemeinsam gingen wir in die Küche, wobei J ihm sofort einen Teller anbot, was Jack jedoch dankend ablehnte "Kann ich dir dann was zu trinken anbieten? Einen Kaffee oder so?" fragte ich vorsichtig "Kaffee klingt gut" antwortete er knapp & trug zur seltsamen Atmosphere bei.

Eine Weile saßen wir stumm da, weder er noch ich trauten uns anzuschauen. Es gab zu viele unausgesprochene Emotionen zwischen uns; das dachte ich zumindestens "Nach Johnsons Besuch gestern habe ich kein Auge zugekriegt, weswegen ich auch so früh aufgetaucht bin" brach er die Stille "Ich weiß über alles Bescheid, Amelia" schaute er zu mir hoch, bevor er weitersprach & lies mir mein Herz in die Hose rutschen "Wieso du so aprupt gegangen bist, wieso du mir erneut das Herz gebrochen hast. Insbesondere weiß ich aber, wieso du zurückgekehrt bist" Als er das Baby ansprach, entwischte mir eine Träne, die ich ganz schnell wegwischte. Ich habe in den letzten Tagen genug geheult. Es wird Zeit, dass ich mich zusammenreiße.

"Hör zu. Ich werde dich auf diesem Weg nicht alleine lassen; es ist immer hin unser Kind. Du kannst aber nicht von mir erwarten, dass ich von heute auf morgen so tu, als ob nichts gesehen sei. Dass ich den Schmerz, die Wut & Enttäuschung der letzten sechs Wochen einfach so vergesse" entblößte er mir mit einem Blick die ganzen Gefühle, die sich in ihm gesammelt hatten.

"Es wird Zeit brauchen, dass ich wieder zu meinen Gefühlen für dich finde, denn die sind da. Das kann ich nicht verneinen. Aber du musst mir die Zeit geben mein Leben ein wenig zu ordnen, weil es definitiv kein Umfeld ist, in dem man ein Kind groß ziehen will. Ich habe mich geändert, nachdem du gegangen bist. Ich-" konnte er jedoch nicht weitersprachen, da er von Jack unterbrochen wurde "Was G damit sagen will, ist, dass er ein noch größeres Arschloch als auf der High School geworden ist und seine Zeit lieber mit Weibern, Alkohol und Gras verbringt, als mit seinen Verantwortungen"
Es löste schon ein schlechtes Gewissen in mir aus, aber es lag nicht in meiner Hand. Ich habe meinen Cousin vor ihn gestellt, denn Blut ist dicker als alles andere. Das bekomme ich selbst zur Zeit zu spüren.

"Danke für deine Ehrlichkeit, bro. Appreciate it" lächelte G seiner besseren Hälfte hintergangen zu, was mich leicht zum schmunzeln brachte "Ich wollte eigentlich sagen, dass wir das gemeinsam durchstehen werden. Ich werde bei jedem einzelnen Schritt an deiner Seite sein. Sei es ein Kontrollbesuch oder das Einrichten des Kinderzimmer, wir werden das schon packen" entwischte ihm ein schwaches Lächeln, doch ich konnte spüren, dass da noch ein fettes Aber folgte und ich hatte Recht.

"Aber es wird Zeit brauchen. Die Zeit, die du mir geben musst, damit das überhaupt funktionieren kann. Aber ich verspreche dir, dass ich alles geben werde, dass es funktioniert. Ich verspreche dir, ich werde alles mögliche auf dieser Welt tun, um ein guter Vater zu werden, um unserem Kind nicht nur eine tolle Kindheit, sondern auch ein tolles Leben zu ermöglich. Ein Leben, in welchem es umgeben von Leuten wie J & Em ist, die es genauso lieben wie seine Eltern" Ich weiß nicht, ob es die Hormone waren oder woran es lag, aber diese Worte aus Jacks Mund zu hören rührten mich zu Tränen. Ich wollte zwar nicht mehr weinen, aber Jack Gilinsky schaffte es immer wieder meine Emotionen auf Trap zu halten.

Als er meine Tränen bemerkte, zögerte er zwar einen Moment, öffnete aber dann seine Arme und umschloss mich mit einem "Komm her" in ihnen. Seinen Herzschlag an meinem Ohr zu hören und seinen Duft wieder einatmen zu können, überschwemmte mich schlagartig mit einer Welle von Ruhe. Mein ganzer Körper erweichten unter seiner Berührung. Meine Seele fühlte sich endlich zu hause. Ich kannte Jack aber zu gut, ich war mir sicher, dass es ihm genauso ging. Ich konnte nämlich spüren, wie seine Brust sich hob und er meinen Duft ebenfalls einatmete. "That's my fucking OTP. Right fucking here. Wuhuu" platzte plötzlich aus J ein unerwarteter Freudesruf, wodurch er uns beide aufschrecken ließ "Kein Ding, Leute. Macht ruhig weiter. Beachtet mich gar nicht" sagte er von einem Ohr zum anderen grinsend und brachte uns so zum Lachen.

"Uhm, dürfte ich fragen wie weit du bist?" wurde ich erneut von Jack angeschaut, doch dieses Mal war es ein vertrauter Blick, kein seltsamer, wo niemand weiß, was zu sagen ist "5 - 6 Woche, so um den Dreh" antwortete ich "Sie hat sogar schon ein Ultraschallbild. Los, Amelia, zeig es ihm" schritt mein Cousin ganz aufgeregt dazwischen & hetzte mich regelrecht in mein Zimmer, worauf ich nur lachend meinen Kopf schüttelte.

Mit dem Bild in der Hand setzte ich mich zu Jack & überreichte es ihm. Man konnte zwar fast nichts erkennen, aber der winzige Fleck reichte schon, um Jack umzuhauen "Dieser Punkt soll mal zu einem richtigen Baby werden? In deinem Bauch?" schaute er mit glasigen Augen hoch; die Tränen in den Startlöchern. Als ich seine Aussage mit einem Nicken bestätigte, kam von ihm nur ein "Damn". "Wann gehst du das nächste Mal hin? Dürfte ich dann mitkommen, um, you know, es in real life zu sehen?" fragte er erwartungsvoll "Wie du bereits gesagt hast: Es ist unser Kind. Natürlich kannst du mitkommen. Wann immer du willst" lachte ich, denn in diesem Moment schien es, als würde sich alles dem Guten zuwenden. Als würde es von jetzt an nur noch besser werden.

"So ihr Turteltäubchen. War schön und nett mit euch, aber die Arbeit ruft" erhob sich Johnson vom Tisch und wollte in sein Zimmer gehen, um sein Jackett holen zu können, als G ihm nachahmte "Wait up. Ich komme mit dir" Dies brachte J zum Stehen "Wie war das? Mr. Gilinsky hat sich endlich entschlossen in die Firma zu gehen, die er führt? Habe ich das richtig verstanden?" drehte er sich mit gehobener Braue um "Fuck off, Johnson" begleitete ein belustigender Ton Jacks Stimme, während er sich ebenfalls seine Jacke anzog.

"Falls irgendwas ist, meine Nummer hat sich nicht geändert, genauso wenig wie die im Büro" informierte mich Jack beim Hinausgehen, doch ich verstand den Sinn dahinter nicht. Will er also versuchen, dass wir uns wieder näher kommen oder tut er das nur wegen des Babys?
"Fühl dich wie zuhause. Wir sehen uns heute Abend" rief mein Cousin aus dem Außenflur, bevor er mit seinem Geschäftspartner sich aus meiner Sichtweite entfernte.

Damit die Verwirrung, die Jack in mir ausgelöst hatte, nicht die Überhand gewann, nutzte ich die Zeit, um mir eine To-Do-Liste zu erstellen. Es gab nämlich viele Sachen, die zu erledigen waren. "Punkt 1: Ich brauche einen Job. Am besten Pronto" sprach ich mit mir selbst, während mein Finger über das Papier gleitete "Ebenfalls muss ich mich beim Bürgeramt und meiner alten Frauenärztin melden. Wenn ich schon dabei bin, kann ich mir auch einen Termin holen" dachte ich laut nach. Zusätzlich fügte ich die Punkte nach einer Wohnung schauen & Gespräch mit meiner Familie auf die Liste.

Der letzte Punkt wird nicht einfach zum Abarbeiten sein. Um ehrlich zu sein hatte ich mega fucking Schiss davor. Moms Reaktion konnte ich mir eigentlich denken; sie würde zu 100% hinter mir stehen, ohne Bedenken. Bei Dad dagegen war ich mir nicht so sicher. Alle möglichen Szenarien konnte ich mir vorstellen: Dass er einfach aufsteht und geht, dass er mich anmeckert, weil ich sogar mit 25 noch keine Verantwortung übernehmen kann oder aber auch, dass er, sowie Mom, Verständnis zeigt & zu mir steht.

Leider hatte ich keine Glaskugel, in die ich schauen konnte. Wohl oder übel musste ich mich diesem Gespräch gegenüberstellen.

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