Nadja legte den Weg nach Hause alleine zurück. Als sie in ihre Straße einbog, hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich rufen: ,,Hey, Nadja sieh mal her!"
Sie drehte sich um und blickte in die Mündung einer Pistole. Sie war schwarz und hatte einen braunen Abzugbügel. Gehalten wurde sie von Kyrill, einem siebzehnjährigen Jungen mit einer Rabennase. Er, der Sohn eines Soldaten, war in Moskau berüchtigt dafür Passanten mit einer Wasserpistole zu überfallen. Wenn ihr Bruder nicht in der Nähe war, verfolgte er sie von der Schule nach Hause und machte ihr anzügliche Komplimente, einmal sagte er ihr sogar er wolle sie heiraten.
Jetzt winkte er mit der Pistole: ,,Keine Angst, was da rauskommt, sieht man nicht auf deinen blonden Haaren!" ,,Wag es nicht!" ,,Was willst du dagegen machen? Mir deinen Bruder auf den Hals hetzten?"
Nadja lief los, doch Kyrill pumpte schon am Abzug der Pistole. Wie aus dem nichts wurde er von einem Jungen aus dem Weg geschubst, sodass Nadja verfehlt wurde. Sie versuchte ihn näher zu betrachten, aber er war Kyrill zugewendet, welcher nun den Rückzug antrat: Er hatte braunes Haar und für sein Alter bereits eine kräftige Statur. Er drehte sich zu ihr um, und da er nah an ihr stand, fielen ihr seine dunkelgrünen Augen und sein markantes Kiefer ins Auge.
"Wer bist du?" "Iwan Karamakow. Wie lange hast du vor meinen Arm noch festzuhalten?" "Oh.", peinlich berührt ließ sie ihn los und trat einen Schritt zurück. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie seinen Arm festhielt. "Du hast letztes Jahr deinen Abschluss gemacht, oder?", fragte sie als ihr einfiel wieso er ihr so bekannt vorkam. "Mein Bruder war mit dir im selben Jahrgang, ich erkenne dich von der Abschlussfeier." "Dein Bruder?" "Ja, Dima Lykanov. Unserem Vater gehört der Kiosk am Ende der Straße. Ich bin Nadja, freut mich dich kennenzulernen."
Er sah sie zugleich belustigt und verwundert an: "Die Schwester von Lima lässt sich von einem Idioten wie Kyrill verfolgen? Hat er dir nicht gezeigt wie du dich verteidigen solltest?" "Nicht wirklich, bis vor kurzem sind wir ja zusammen nach Hause gegangen, da hat Kyrill sich nicht getraut so eine Aktion zu machen."
Er nickte langsam, machte dann aber auf einem Absatz kehrt und ging ruhig weiter. Verwirrt lief Nadja ihm ein paar Schritte hinterher, bis sie ihn eingeholt hatte: "Du hast mir geholfen, deshalb muss ich es dir gleichtun." "Das ist nicht nötig." "Was kann ich tun? Meine Mutter hat mir beigebracht, dass man seine Schuld immer zurückzahlen müsse." "Deine Mutter, Vera?" "Du kennst sie?" "Ich habe sie schon ein paarmal getroffen. Ich sehe sie oft, wenn ich in eurem Kiosk einkaufe und meine Mutter unterhält sich gerne mit ihr. Sie haben eine gute Beziehung zueeinander."
"Tatsächlich? Wieso hat sie mir nie von deiner Familie erzählt? Normalerweise erzählt sie von allen Menschen die unseren Kiosk besuchen." "Weisst du nicht, dass unsere Mütter damals dieselbe Klasse besuchten?", er drehte sich ruckartig zu ihr um, was dazu führte dass sie gegen ihn stieß, da sie nur knapp hinter ihm gelaufen war. Nadja erschrak, denn ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt und er sah ihr direkt in die Augen. "Wie lange hast du eigentlich vor mir noch zu folgen?" "Ich... ich möchte nur meine Schuld begleichen." "Da du Dimas Schwester bist schuldest du mir nichts. Aber wenn du weiter davon redest, vergib mir wenn ich unhöflich werde.", warnte er sie.
Inzwischen konnte Nadja schon ihr Haus sehen. Als sie näher kamen, sahen sie wie die Tür ihres Hauses sich öffnete und Dima heraustrat: "Nadja, wir warten seit einer Ewigkeit auf dich. Wir sind alle am Verhungern." "Kyrill hat sie belästigt, es ist nicht ihre Schuld.", erwiderte Iwan ruhig. "Das passiert wenn man mich alleine gehen lässt, obwohl man genau weiss wer sich hier rumtreibt."
Dima überlegte eine Weile: "Möchtest du, dass ich dich von der Schule abhole, damit du nicht alleine gehen musst?" "Das wird nicht nötig sein, ich kann sie jeden Tag nach Hause begleiten, schließlich muss ich nach der Arbeit ja den selben Weg nehmen wie sie nach der Schule.", sein Blick blieb auf Dima gerichtet. "Wenn du etwas dagegen haben solltest, sag mir Bescheid." "Nein überhaupt nicht, das kommt sehr gelegen, vielen Dank." Sie schüttelten sich die Hände. "Solltest du noch einmal mitbekommen wie Kyrill sie belästigt, informiere mich bitte.", sagte Iwan. "Das werde ich."
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Hättest du dich verliebt?
Romance1920, Moskau: In Zeiten der Unruhen verliebt sich Iwan in die starke Nadja, doch das Schicksal scheint sich gegen sie zu stellen. 2019, Berlin: Doch wie das Schicksal so spielt, laufen sich die beiden ein weiteres Mal über den Weg.