»Du musst rennen.«
Sie starrte ihn an, wie er langsam vor ihrem Blick verschwamm. Sein bleiches Gesicht und die Lippen, auf denen sonst immer ein Grinsen lag, jetzt vor Schmerz zusammengebissen.
Sie konnte nicht mehr fliehen.
»Ich darf dich nicht finden, sonst wirst du dich winden.«
Sie lauschte dem Singsang, versuchte ihn in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins zu drängen, aber die Worte blieben an ihr kleben, wie das Blut an ihren Fingernägeln.
»Du musst schneller sein als sie!«
Sie hörte das Fußgetrappel wie eine Herde wildgewordener Pferde. Dann Stille. Sie traute sich nicht zu atmen.
»Du musst versteckt sein, sonst bist du in Not.
Drei, zwei, eins, versteck dich, sonst bist du gleich tot.«
Sie spürte, wie sie näherkamen.
»Sei schneller!«, krächzte er und stieß ihre Hände von sich, das gurgelnde Geräusch ließ Übelkeit in ihr hochkommen.
»Eckstein, Eckstein«, flüsterten die Stimmen und rissen ihre Gedanken auseinander, mit jedem Schritt, den sie machten. Sie spürte sie hinter sich, wie einen heimlichen Beobachter, der sie fixierte. Der Kopf ihres Bruders fiel zur Seite.
»Es ist okay«, behauptete sie und strich ihm ein letztes Mal über die Wange, beschmierte seine Haut dabei versehentlich mit Blut. Brechreiz überschwemmte sie.
Etwas berührte sie. Sie fuhr herum. Die Rotte lehnte gegen sie mit ihrem verwesenden Körper, der aus verschiedenen Gebeinen bestand. Zu viele Köpfe, zu viele Augen, Hufen, Pfoten, Füße. Halbverfault stank es wie der Tod.
»Eins, zwei, drei, vier, du bist wir«, hauchten sie ihr ins Ohr.
[Interesse an einer Fortsetzung?]
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Eckstein [ Horror ]
HorrorSie lauschte dem Singsang, versuchte ihn in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins zu drängen, aber die Worte blieben an ihr kleben, wie das Blut an ihren Fingernägeln. [ Horror | Kurzgeschichte | Mikrochallenge | Flashfiction ]