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Als ich eintrete, steht ein Mädchen in meinem Alter vor mir und lächelt mich freundlich an. "Hallo! Du musst Amelie sein, ja? Ich bin Marie, deine neue Mitbewohnerin und ich habe schon auf dich gewartet!", rattert sie schnell runter. "Hallo", sage ich nur schüchtern und komme mir wieder mal ziemlich dämlich vor. Ich schaue mich schnell in dem Raum um. Ich sehe zwei Betten, wovon eines bereits belegt ist, daneben zwei kleine Kommoden und zwei Kästen. Eine Tür führt zu einem kleinen Badezimmer mit Dusche, WC und Waschbecken, auf welchem ebenfalls bereits Utensilien liegen. Außerdem gibt es ein Fenster mittig zwischen den Betten. Die Wände sind in einem zarten Hellrosa gestrichen, etwas mädchenhaft, aber hübsch. Auf der Seite mit dem bereits belegten Bett, hängen massenhaft Poster von Justin Bieber. Oje, na das kann ja heiter werden. "Magst du Biebs auch so gerne?", fragt mich Marie, als sie bemerkt worauf ich starre. Ich blicke wieder zu ihr und bemerke, dass ich gerade ziemlich lange nur dagestanden habe. "Hm, naja, eigentlich nicht sooo...", antworte ich ihr verlegen. "Ach, das macht nichts! Wir werden uns auch so verstehen! Auch wenn es für mich nicht nachvollziehbar ist, wie man Justin Bieber nicht mögen kann!", sagt sie und lacht dabei. Ich lächle zurück. Sie ist mir auf Anhieb sympathisch. "Also Amelie, wie alt bist du eigentlich und wieso kommst du erst jetzt zu uns aufs Internat?", fragt sie mich weiter. "Ich bin 17 Jahre und habe bis jetzt Privatunterricht erhalten", antworte ich wieder ziemlich knapp und ärgere mich über mich selbst. "Oh Mann, das muss ja sterbenslangweilig gewesen sein! Du Ärmste!", meint sie schließlich. "Eigentlich hat es mir ziemlich gut gefallen, wie es war, aber meine Mutter war da leider anderer Meinung..." "Du wirst sehen, dir wird es hier viel besser gefallen! Es ist wirklich toll und die Partys sind der HIT", meint sie wieder freudestrahlend. "Ich weiß nicht. Ich war noch nie auf einer Party", sage ich ziemlich kleinlaut und schaue schnell weg. Nun starrt mich Marie mit offenem Mund an. "Wie, du warst noch nie auf einer Party? Du bist doch 17!" Sie ist wirklich schockiert. Nun muss ich lachen. "Naja, ich habe mein Leben in einem Dorf mit fünfzig Einwohnern verbracht, wovon ein Achtel meine eigene Familie ist. Also nicht wirklich die richtigen Voraussetzungen für eine Party", sage ich und klopfe mir gedanklich auf die Schulter, weil ich einen so langen Satz rausgebracht habe. "WAS? Wahnsinn! Dabei wirkst du so normal! Ich wäre dort verrückt geworden, ganz ehrlich!" Ich nicke und setze mich endlich in Bewegung. Ich gehe direkt auf mein Bett zu, auf das ich mich augenblicklich fallen lasse und einmal tief durchatme. "Also, ich jedenfalls, bin mittlerweile das dritte Jahr hier auf dem Internat, bin 16. Jahre alt und Partys, Justin Bieber und Jungs sind so ziemlich das Wichtigste für mich", kichert sie nun. "Hattest du schon mal einen Freund oder gibt es keine Jungs in deinem Alter in eurer Gegend?", fragt sie neugierig. Ich stöhne innerlich auf und versuche so cool wie möglich zu antworten. "Nö, keine Jungs in meiner Umgebung. Ich bin so ziemlich die einzige 17-Jährige im gesamten Dorf gewesen. Deshalb bekam ich auch den Privatunterricht. Die nächste Schule wäre mehr als eine Stunde mit dem Bus entfernt gewesen und das wollte mir meine Mutter ersparen." Ich schaue verlegen zur Seite und rede weiter, denn ich möchte sie nicht im Unklaren darüber lassen, wieso ich so lange mein Dorf nicht verlassen habe. Jetzt, wo sie mit mir zusammenwohnen muss. "Sie... also ich...", ich puste die Luft aus. "Ich leide seit dem Grundschulalter unter Panikattacken. Große Menschenmassen und Aufregung lösen sie aus und zu allem Überfluss, habe ich einen Herzfehler. Deshalb hatte meine Mum immer große Angst um mich und..." Sie unterbricht mich, indem sie schnellen Schrittes auf mich zu kommt und mich umarmt. Völlig perplex und überrascht hocke ich da und kann nicht reagieren.

"Ich verstehe! Dann ist ja alles klar. Ich passe also auf dich auf!", meint sie wieder fröhlich. Sie bringt mich damit zum Lächeln. Mit Maries Hilfe könnte ich es vielleicht tatsächlich schaffen, meine Ängste in den Griff zu bekommen. Zumindest soweit, dass ich mich nicht selbst total bloßstelle. "So, nun aber genug. Die Schulstartparty fängt schließlich in zwei Stunden an und wir müssen uns noch aufbrezeln! Du kommst doch mit, ja? BITTE!" Ich erstarre bei ihren Worten. "Heute? Aber ich bin doch gerade erst angekommen und die Busfahrt war die Hölle!" Ich schüttle den Kopf. "Ach komm schon! Nur kurz, ja? Wir gehen hin, lassen uns sehen und verschwinden dann auch gleich wieder. Du wirst sehen, das wird SUPER und überhaupt nicht stressig oder aufregend!", fügt sie schnell hinzu als sie meinen Blick bemerkt. Wieder bringe ich nur ein Nicken zustande. Was soll schon passieren? Wir gehen kurz hin, schauen uns um und verschwinden wieder! Alles kein Problem! Ich stehe also auf und fange an meinen Koffer auszupacken, um meine Kleidung in den leeren Kasten zu legen. Leider habe ich absolut keine Ahnung, was ich für eine "Schulstartparty" anziehen soll. Also wende ich mich wieder Marie zu. "Und was muss man da so anziehen, Marie?" Sie kommt auf mich zu und schaut sich meine überwiegend schwarzen Kleider an. "Oh wow, du stehst auf Schwarz, oder? Na gut, ein kleines Schwarzes geht immer. Hast du sowas?" Sowas habe ich tatsächlich, denn auch wenn ich in der Einöde groß geworden bin, habe ich meiner Ansicht nach, einen ziemlich guten Kleidergeschmack. Also hole ich mein schwarzes Kleid aus dem Koffer, welches kurz oberhalb des Knies endet und verschwinde schnell im Badezimmer, um es anzuziehen. Ich kombiniere es mit meinen Sneakers, die ich so ziemlich zu jeder Gelegenheit trage und trete wieder aus dem Bad. "Und?", frage ich jetzt Marie. Sie lässt ihren Blick einmal auf und abwandern und nickt dann. Bis sie auf meine Füße trifft. "Du ziehst doch wohl nicht ernsthaft Sneakers zu diesem Kleid an, oder?", sagt sie und zieht ihre Augenbrauen nach oben. "Ähm, DOCH! Die trage ich immer. Und zu allem!", verteidige ich meine heiß geliebten Treter. "OK und ich kann dich nicht dazu überreden, doch andere anzuziehen?" Als ich den Kopf schüttle, nickt sie und atmet tief ein.

Right One [Bd.1] [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt