Knarrend berührten die Absätze meiner Schuhe die Stiegen der Treppe. Halt bekam ich durch das Geländer und den Blicken, die auf mir lagen. Ich genoss die Aufmerksamkeit, die mir zuteil wurde. So glitt ich über den ehrwürdigen Familienteppich bis ich die lange Tafel aus Mahagoni erreichte. Nun erst erwiderte ich den Augenkontakt meines Vaters.
Es war der einzige, den ich nicht lange auf mir haften lassen konnte. Die starren, kontrollierenden Augen wiegten in mir Unmut. Das sanfte Grau der Iris wirkte mit einem Mal erbost, unausweichlich. Ich wusste, dass es Vater keineswegs erfreute, meinen Privatunterricht einzustellen. Jedoch gelang es mir mit meinen Künsten der Manipulation ihn umzustimmen.
Langsam ließ ich mich auf einen Stuhl mit blutroten Verzierungen nieder. Ich spürte die Anwesenheit meines Zwillingsbruders an der linken Seite. Seine Gesichtszüge glichen die unseres Vaters so enorm, dass ich beinahe vor meinem Bruder selbst Furcht und Respekt verspürte. Doch immer, wenn sich diese Mauer zwischen uns auftat, zerbrach ich sie, indem meine Hände über seinen glatt gekämmten, blonden Schopf wüteten.
„Mach nicht so ein Gesicht, Draco", spottete ich immer über ihn. Er befreite jedes Mal gelassen seinen Kopf von meinen Fingern und erwiderte höhnisch: „Du würdest auch solch ein Gesicht ziehen, meine liebe Schwester, wenn du jeden verdammten Tag von elenden Schlammblütern umgeben wärst." Ich lachte und verneinte.
Allerdings unterdrückte ich mein Verlangen, die Laune meines Bruders anzusprechen, da sich neben meinem Vater eine weitere Person befand. In so vielen Jahren meines Daseins befand ich mich in der Anwesenheit dieser Person, und doch, seitdem ich den langersehnten Brief der Eule empfangen hatte, wirkte er fremd. Für das heutige Mahl hatte der Mann eine teure Weste mit allerlei bestickten mythischen Wesen und ein schlichtes Hemd übergezogen. Im Schein des mittigen Kronleuchters schimmerten die Darstellungen in undenklichen Grüntönen. Sie schienen lebendig und hypnotisierend.
Sofort schoss mir das Bild in die Gedankenströme, wie sich der ältere Mann in seinem Gemach den Kopf zerbrach, was er wohl bei einem Festmahl im Herrenhaus der Malfoys tragen sollte. So waren sie alle.
„Nun...", räusperte er sich und tupfte unruhig mit einem Tuch über seine Mundwinkel. „Herr und Frau Malfoy, eure Tochter ist eine wahrhaft talentierte Hexe. Ihre Heilkunde steigt über ihre Erfahrung und ihr Alter hinaus. Ich kann durchaus guten Gewissens meinen, dass sie meine vortrefflichste Schülerin ist... war." Nach diesen Worten legte mein Lehrer das Tuch beiseite und widmete sich dem genüsslichen Rotwein. Es war eine Lüge. Lügen, die meine geliebten Eltern glauben sollten, die sie stolz machen sollten. Auf ihre einzige, wunderschöne, intelligente Tochter. Die Worte, die noch immer im Saal lagen, wurden mit der Wirkung beantwortet, die Herrn Bletchey auslösen wollte. Die Augen meines Vaters erwärmten sich zufrieden und die Lippen meiner Mutter, zogen sich zu einem breiten Lächeln. Ich fragte mich, ob sie alldem glaubten oder es nur erhofften zu glauben.
„Aus diesem Grund tut es mir im Herzen weh, den Unterricht nun nicht mehr beiwohnen zu können. Doch ich glaube zu meinen, dass ich die wahre Gestalt unserer Zaubererwelt kennenlernen muss. Nur wenn man die Schatten genauestens ertragt, kann man das Licht vor Unheil wahren. Ist es nicht so?"
Dracos Schultern bebten vor unterdrückter Belustigung. Er war der einzige, der mir meine höfliche, sprachgewandte Maske nicht abnahm. Schließlich musste er diese ebenfalls alltäglich tragen.
„Und natürlich würde ich gerne vielmehr Zeit mit meinem Zwillingsbruder verbringen", setzte ich mit honigsüßer Stimme fort.
Zwei schmächtige Koboldsgestalten ließen die Silberteller auf dem Tisch anrichten. Mit flinken Fuß verschwanden sie wieder in der Küche, nur um weitere Teller voller Speisen zu reichen. „Bedient Euch, lieber Blechtey", verkündete mein Vater freudig und deutete auf das dampfende Mahl. Blechtey schnitt dankend und dennoch nervös unter der Autorität Lucius Malfoys ein Stück zartes Kalbfleisch.
Die Wärme schlug mir bis zu den Wangen, die mich flüchtig glauben ließ, noch immer jenen Schein der Sonne die Natur zu genießen. Jedoch war es in diesem Saal eine stickige, unangenehme Hitze. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn meines damaligen Privatlehrers, die sich in seinem kurzen braunen Haar sammelten. Es war wohl Angst und Feuersbrunst zugleich.
Der Verlauf des Abends war eine triste Erscheinung. Wie eine Blüte, die unter sandiger Durstigkeit langsam aus ihren Bestandteilen verfiel. Blutchey verinnerlichte die drei Gläser Wein voller Hingabe und offenbarte seine abenteuerlichen Reisen aus der Vergangenheit, erzählte von seinem Sohn, welcher ein Jahrgang über Draco unterrichtet wurde, und mit Vaters Begeisterung plauderte er über Literatur aus dem 19. Jahrhundert.
Nachdem die Nasenspitze Blutcheys sich in ein tiefes Rot färbte, verabschiedete er sich aus den schwarzen Wänden unseres Anwesens. Wir, die Familie Malfoy, standen noch am Türrahmen, um den Wagen hinterher zu blicken. Das violette Himmelszelt wandelte sich in immer dunkler werdende Nuancen. Die heiteren Baumkronen in unserer Einfahrt bildeten wieder grausame Kreaturen, in die sie sich zu jeder Dunkelheit formten.
Ehrlich gesagt, fiel mir der Abschied nicht sonderlich schwer.
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Ad fide mala
FanfictionAurora Malfoy hat es endlich geschafft, ihre Eltern zu überreden, die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei als Schülerin zu besuchen. Doch ihre Freude erblasst, als sie sich aus den brüderlichen Fängen Dracos und der Rivalität der Häuser nicht...