Aftensmat

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Abendessen - Aftensmat

„Schweigen ist eine Form der nonverbalen Kommunikation, bei der nicht gesprochen wird und bei der auch keine Laute erzeugt werden. Im allgemeinen können trotz des Schweigens vom Individuum als ein Sender bestimmte Informationen mitgeteilt und Bedeutungen gezeigt werden. Plötzlich auftretendes Schweigen kann eine gespannte Stimmung signalisieren. Wenn in einer Gruppe alle schweigen, weil niemand zu reden beginnen möchte, entsteht oft eine peinliche Situation. Diese Situation muss von den Gesprächsteilnehmern gemeistert werden. Das kann zum Beispiel geschehen, indem bereits vorher festgelegt wird, wer gegebenenfalls die ersten Fragen stellt. Oft entsteht Schweigen, wenn gefragt wird: "Hat jemand eine Frage?" Viele wollen nicht als erste reden, um nicht aufzufallen. Wenn erst einmal eine Diskussion in Gang gekommen ist, entwickelt sie oft eine Eigendynamik.“
(http://de.wikipedia.org/wiki/Schweigen)

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„Schweigen ist das Sicherste für den, der in sich selbst Misstrauen setzt.“
La Rochefoucauld

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Sie saßen schweigend am Tisch und aßen.
Hedvig hatte drinnen auf ihn gewartet. Der Tisch war gedeckt, den Fisch hatte sie gebraten. Einar mochte es nicht, dass sie in den Schränken und Regalen herumwühlen konnte, wie sie gerne wollte. Es machte ihn nervös. Aber der Fisch war gut, das musste er zugeben.
Die beiden aßen und schwiegen sich noch immer an. Hedvig schien das nicht zu stören. Einar störte es auch nicht, aber er hatte das Gefühl, dass er irgendetwas sagen müsste. 
Ihm fiel aber nichts ein. Er kaute nachdenklich auf dem Fisch herum und starrte ins Nichts.
„Schmeckt es dir nicht?“, fragte Hedvig plötzlich. Sein Blick schoss zu ihr. Sie hatte ihn mit der Frage in einem Moment erwischt, in dem er unvorsichtig war. Er würde es nie zugeben, aber er war erschrocken, als sie die Stille so unvermittelt durchbrochen hatte.
„Doch, es schmeckt gut.“, antwortete er. Sie lächelte ein wenig, dann schaute sie wieder auf ihren Teller.
„Ich war mir nicht mehr sicher, ob man Fisch wirklich so macht. Aber wahrscheinlich sind doch nicht alle meine Erinnerungen verloren.“, erwiderte sie und lächelte ein wenig mehr. Dann verschwand ihr Lächeln schlagartig. Sie schien ein bisschen blass zu werden.
„Geht es dir ein wenig besser?“, wollte Einar wissen. Sie schien Schmerzen zu haben, aber er wollte sie nicht direkt darauf ansprechen. 
„Ein bisschen, danke. Auch wenn ich mich an nichts mehr erinnern kann.“, antwortete Hedvig leise. Einar sah sie prüfend an. Sie wich seinem Blick aus. Irgendetwas hatte sie, aber er wollte nicht weiter nachfragen. Wenn sie es nicht sagen wollte, dann sollte sie es eben für sich behalten. 
„Was ist mit dir? Hast du Familie auf dem Festland?“, fragte sie und sah wieder nach oben. Er sah sie erschrocken an, dann wurde sein Blick düster. Er sprach mit niemandem über seine Familie. Er wollte nichts mehr davon wissen. Weder von seinen Eltern, noch von seiner Ex-Frau. Auch nicht von seinem Bruder.
„Tut mir leid.“, murmelte sie und wandte sich wieder dem Fisch zu. Einar nahm die Entschuldigung einfach so hin. Seine Familie war kein Thema für eine Konversation. 
Er nahm einen Schluck Milch. Die Stille fing wieder an, sich auszubreiten. Die einzigen Geräusche, die man hören konnte, waren das Klappern des Bestecks und das knarrende Holz.
„Hast du vielleicht noch eine Decke?“, fragte Hedvig und legte das Besteck zur Seite. Ihr Teller war leer. Naja, fast. An den Rändern lagen noch kleinere Stückchen und ein bisschen Soße war auch noch auf dem Teller. Eigentlich hätte sie das noch zusammenkratzen können.
Einar schüttelte schnell den Kopf. Unsinn. Nur weil er das immer so machte, musste er ihr das nicht aufzwingen. Trotzdem störte es ihn. Hoffentlich würde sie sich bald wieder an alles erinnern.
„Ja. Oben im Schrank müssten noch ein paar Wolldecken sein. Und ein oder zwei Kissen.“, antwortete er. Sie nickte lächelnd.
„Gut, dann kann ich es mir ja oben im Stroh gemütlich machen.“
Einar bemerkte, dass ihr Lächeln nicht wirklich echt wirkte. Fühlte sie sich hier nicht wohl? Wahrscheinlich nicht. Er würde sich ja in seiner Gesellschaft selbst nicht wohlfühlen.
Aber damit musste sie jetzt zurechtkommen.

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