Kapitel 1

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Manchmal versuche ich mir vorzustellen wie es wohl damals war. Damals als die Erde noch intakt war, als die Anderen, wie wir die alten Menschen nennen, sie noch nicht kaputt gemacht hatten. Als der braune Planet noch der blaue war. Als überall Meere lagen, Seen, Wälder, Grün und so viele eigenartige Tiere, die doch auch wunderschön sein mussten. Aber ich kenne lediglich die Hologramme, die Simulationen, die wohl als einziges befähigt sind meine Stimmung zu bessern, dabei sicher trotzdem nicht halb so schön sein können, wie es die Wirklichkeit war. Ich kenne nur die Pflanzen, die es schaffen in der Einöde unseres Raumschiffs zu wachsen, die Tiere, die wir züchten, damit Einige sich von ihnen ernähren können. Keine Vielfalt, nur das was die Menschen hier kontrollieren können. All das, sowie die Erinnerungen der Toten. Mehr bleibt uns nicht von der Heimat, die uns einmal zustand. Uns, den neuen Menschen, denen es hier beigebracht werden soll, fehlerlos zu sein, so wie es die Maschinen sind, die mir gerade jetzt das Essen auf den Teller spucken.

,,Wenn du's nicht willst, ich nehme es gern." Brian, welcher an der Maschine neben mir steht, streckt mir die Zunge entgegen, hofft meine finstere Miene damit zu erhellen. Tatsächlich ringe ich mir ein kleines, bitteres Lächeln ab, bevor ich dem gut zwei Köpfe Größerem den Rücken zukehre und in Richtung Cara stolziere, die mir in der hintersten Ecke, abgeschottet von den Fehlerlosen, einen klapprigen Stuhl freigehalten hat. Ich ahne was sie sagen wird, schon bevor ich sie erreicht habe, meine es an ihrem empörten Gesichtsausdruck zu erkennen. Schon während ich mich setze, verdrehe ich deshalb die Augen.

,,Was hat er zu dir gesagt?", fragt sie mich, mit einer Stimme die als Waffe hätte dienen können. Erst als ich nicht reagiere und ihren stechenden Blicken ausweiche, fährt sie mit ihrer tadelnden Rede fort: ,,Catherine James, warum hast du ihn da einfach stehen lassen, bist du jetzt komplett befehlert?". Ich höre mich selbst Schlucken, versuche nun die richtigen Worte zu finden, öffne meinen Mund für jeden kläglichen Versuch etwas zu sagen, nur um ihn Sekunden später immer wieder zu schließen. Meine verärgerte Freundin sitzt mir derweil gegenüber, rührt in ihrem Essen herum, ungeduldig nagen ihre Zähne dabei an ihren dünnen rosa Lippen, was meine Nervosität bloß noch weiter ankurbelt. ,,Er sprach davon, dass er unsere Mahlzeit auch nehmen würde. Lässt sich gut sagen, mit einem Stück Fleisch auf dem Teller, findest du nicht?", bringe ich irgendwann heraus, mit einer Stimme, die so gehässig klingt, dass ich selbst fast zusammenzucke.

Brian ist einer von denen, die das Glück hatten in eine der besseren Familien hineingeboren worden zu sein. In eine von denen, dessen Vorfahren auf der Erde mehr Geld hatten, von denen, die damals nicht nur genug hatten sich eines der wenigen Tickets für die Flucht zu sichern, nein, sogar um hier nun wie die Götter zu leben. Etwas Besseres. Sie nennen wir die Fehlerlosen. Jene, dessen Gene bereits perfekt sind, manipuliert von unseren Ärzten, immun, stark, schnell, intelligent und wunderschön. Sie haben bereits keine Fehler mehr. Wir schon. Dabei wird uns Restlichen immer wieder versichert, dass wir es auch hoch schaffen können, hoch in größere Zimmer, hoch zum Steak, hoch zur sicheren Arbeit und zum langen Leben. Diese Hoffnung habe ich schon längst verloren. Unsere einzige Chance hier ist die Heirat. Diese ist nicht nur materiell, nein, auch sozial ist es ein riesen Aufstieg der besseren Entwicklung unserer Art angehören zu dürfen.

Meine Freundin antwortet mir lange Zeit nicht, verdreht dann aber ihre Augen, um das Thema damit zu beenden. Zumindest für den jetzigen Zeitpunkt. Wir beide wissen was Brian für mich empfindet und wir beide wünschten jene Gefühle wären für sie, nicht für mich.

Während wir schweigend den Grießbrei essen, schaue ich ab und an verstohlen zu dem besagten jungen Mann. Er sieht gut aus, keine Frage. Braune, lockige Haare. Sie fallen ihm ins Gesicht beim Essen, verdecken die grünen Augen, die ich schon zu oft gesehen habe. Muskeln, breite Schultern, ein hübsches Lächeln. Es ist nicht so als fände ich ihn nicht anziehend, nicht so als würde ich ihn nicht mögen. Tatsächlich bin ich wohl oder übel kein Stück besser als jeder Andere, verurteile ihn aufgrund seiner Herkunft, für die er eben so wenig etwas kann wie ich selbst.

Meine Wenigkeit ist in der mittleren Schicht. Mir steht Bildung zu, sowie die Verpflegung für 50 Lebensjahre, ein kleines Zimmer und die Möglichkeit auf einen späteren Beruf meiner Wahl. Damals, erzählte mir mein Vater, damals auf der Erde sollen die Menschen über 100 Jahre alt geworden sein, so alt wie sie eben werden konnten. Durch den geplanten Tod der Schlechteren aber, können die Besseren nun nur noch länger leben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 19, 2019 ⏰

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Between Earth & Infinity - Was niemals stirbtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt