Vor langer Zeit brach eine Welle der Trauer über Camelot. König Artus war unerwartet gestorben, ohne einen Nachfolger zu hinterlassen. Vor allem die Älteren erinnerten sich noch gut an die Kämpfe, die man vor Artus′ Auftauchen um den Thron führte. Angst breitete sich vor den Angriffen aus, die Camelot aus diesem Grund heimsuchen würden.
Deswegen wandte man sich hilfesuchend an Merlin. Der Zauberer, der schon einmal das Thronfolgeproblem gelöst hatte, musste doch auch dieses Mal wieder einen Ausweg wissen.
Dem war jedoch nicht so. „Ich kann aus dem Nichts keinen rechtmäßigen Thronfolger heraufbeschwören, das wäre schwarze Magie. Artus war der Nachfolger aus dem Geschlecht Uthers, doch da er selbst keine Erben hat, ist ein Krieg um den Thron unausweichlich."
Doch die Bewohner von Camelot wollten nicht in den Krieg ziehen. Sie suchten nach einem Weg, um ihre Stadt vor Angriffen und Kämpfen zu schützen. Reine Manneskraft würde dazu nicht reichen, da die meisten Ritter der Tafelrunde mit Artus in den Kampf gezogen und nicht wiedergekehrt waren. Bauern, Schmiede, Schneider. Das war alles, was zur Verfügung stand, um die Stadt zu verteidigen.
„Bitte, Merlin, beschütze unsere Stadt", baten die zu ihm gesandten Bürger den Zauberer ein weiteres Mal.
Als er die Sorge in ihren Gesichtern sah, ließ sich der Zauberer erweichen. „Es gibt eine Möglichkeit, aber sie würde ein großes Opfer von euch fordern."
„Wir tun alles, um unsere Stadt und unsere Leben zu schützen", versicherten sie ihm. Schließlich waren sie aus genau diesem Grund von den Bewohnern zu Merlin geschickt worden.
Merlin zog einen dicken Band aus dem Regal. „Bevor ich euch diese Möglichkeit erläutere, müsst ihr mir versprechen, dass ihr die Entscheidung gemeinsam mit den anderen Bewohnern Camelots trefft und jedem die Wahl lasst, ob er sich diesem Schicksal fügen will." Die Blicke der Männer trafen sich und in jedem Gesicht stand Unsicherheit geschrieben. Solch eine Forderung war zuvor noch nie über Merlins Lippen gekommen.
Deshalb nickten sie auch, wohl wissend, dass Merlin diese Worte nicht an sie richten würde, wenn es ihm nicht ernst wäre. Er kümmerte sich um die Bewohner Camelots und wollte nur das Beste für sie, ohne auf seinen eigenen Vorteil zu achten. Selbst als er sich noch nicht als Zauberer zu erkennen gegeben hatte, stand er immer hinter Artus und setzte seine Kräfte für Camelot ein.
„Es gibt einen mächtigen Zauber, mit dem man eine ganze Stadt unsichtbar machen und von der Außenwelt abspalten kann. Camelot würde von der Karte verschwinden und erst wieder aus diesem Zauber erwachen, wenn Artus wiedergeboren wird und Excalibur ein weiteres Mal aus dem Felsen befreit. Für lange Zeit erfahrt ihr nicht, was um euch herum geschieht, ihr könnt nie Kontakt zu den Menschen in den anderen Städten aufnehmen, keinen Handel treiben. Es gäbe nur noch euch und alles, was innerhalb der Stadtgrenzen von Camelot existiert. Euer Leben würde weitergehen, aber in einem stark eingeschränkten Rahmen."
Die Männer schluckten schwer. Als sie hilfesuchend zu Merlin gekommen waren, hatten sie nicht mit einem so hohen Preis gerechnet. Auf ihren Gesichtern stand nun Angst geschrieben. „Das wäre so, als hätte Camelot nie existiert?", hakte einer von ihnen nach, um das Unglaubliche in Worte zu fassen.
Merlin nickte. „Überlegt euch wirklich gut, ob ihr das eurer Stadt und den Bewohnern antun wollt. Ist euch die Sicherheit eurer Stadt wirklich so viel wert?"
Es war nicht verwunderlich, dass die Männer einige Zeit brauchten, um sich untereinander zu beraten und dann die anderen Bewohner miteinzubeziehen. Jetzt verstanden sie, warum Merlin das zu seiner Bedingung gemacht hatte. Die aufgezeigte Möglichkeit bereitete ihnen allen Kopfschmerzen, sodass der Zauberer die Männer erst einige Wochen später wiedersehen sollte. Sie wollten ihre Stadt nicht aufgeben, aber gleichzeitig fürchteten sie sich vor einem Leben in der Isolation. Für sie war Camelot immer groß und mächtig gewesen, aber waren die Bewohner imstande, für sich selbst zu sorgen? Konnte man überleben, bis Artus wiedergeboren wurde? Würde der große König überhaupt wiedergeboren werden? Die Alternative war der Krieg.
Die feindlichen Armeen rückten immer näher, um das sagenumwobene Schwert und den Thron Englands in die Hände zu bekommen. Von allen Seiten kreisten die Armeen die Stadt ein und den Bewohnern rann die Zeit durch die Finger wie Sand.
Viele Menschen hatten die Stadt verlassen, um zu ihren Verwandten zu ziehen und dem Schicksal zu entkommen, das wie ein Damoklesschwert über Camelot schwebte. Sie mussten sich zwischen einem Leben in Abgeschiedenheit und aussichtlosen Kämpfen mit mehreren Armeen entscheiden.
„Alle Menschen, die sich jetzt noch in Camelot aufhalten, sind mit dem Zauber einverstanden", verkündeten die Männer, als sie sich wieder bei Merlin einfanden.
Obwohl Merlin skeptisch blieb und sich erst überzeugen wollte, dass auch wirklich alle diesen drastischen Schritt unterstützten, wurden schon bald erste Vorbereitungen getroffen. Während Merlin jeden einzelnen der wenigen verbliebenen Bürger besuchte, füllte man die Lager und richtete die Stadt für die Jahre in Abgeschiedenheit her. All das musste schnell geschehen, denn die Armeen standen schon fast vor den Toren Camelots.
Die Feinde interpretierten das als Vorbereitungen für eine Belagerung und nur die geflohenen Cameloter wussten, was auf ihre Heimat zukam. Sie konnten sich nicht entscheiden, ob sie froh darüber sein sollten, dass ihre Stadt überleben würde, oder ob sie traurig sein sollten, weil sie nie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten, sobald der Zauber gesprochen war. Sie würden die Burg und die Menschen vermissen. Nichts würde mehr wie früher sein, da ein wichtiger Teil ihres Lebens für immer fehlen würde.
Als man wegen der anrückenden Armeen nicht mehr länger warten konnte, übergab man Excalibur in die Obhut Merlins, der es beschützen und damit den wiedergeborenen Artus finden sollte.
Die Stadttore schlossen sich hinter dem Zauberer und die Zugbrücke wurde nach oben gezogen. Niemand kam mehr hinein und auch keiner mehr aus der Stadt heraus. Die Entscheidung war endgültig.
Mit bebender Stimme sprach Merlin den Zauber und entfernte sich mit jedem Wort weiter von der Stadt, bis sie zu verblassen schien. Auch Merlin fühlte den Schmerz in seinem Herzen, wenn er daran dachte, dass er die meisten seiner Freunde nicht mehr wiedersah. Aber sie waren sicher. Ein leichtes Beben erschütterte den Boden und eine Nebelwand baute sich vor dem Stadtgebiet auf. Durch den Nebel hindurch konnte man vereinzelte Blitze sehen, die sich immer mehr verdichteten, bis sie sich zu einem einzigen grellen Licht vereinten. Als der Nebel verschwand, hatten sich auch die letzten Spuren der Stadt in Luft aufgelöst. An dem Ort, an dem zuvor noch Häuser und Mauern in den Himmel ragten, befand sich nun eine Wiese. Alle Wege und Kanäle, die zur Stadt geführt hatten, waren ebenso verschwunden und es wirkte, als hätte Camelot nie existiert.
Es gab viel Gerede. Man erklärte die Soldaten für verrückt, die behaupteten, dass eine Stadt verschwunden war. Auch in der Nähe ließ sich Camelot nicht entdecken. Nachdem man einige Zeit ausgiebig nach der Stadt gesucht hatte, gab man auf und teilte das Königreich Camelot unter sich auf.
Nach und nach vergaßen die Menschen die Stadt und sie sowie ihr König wurden zu einer Legende. Nur einer wusste noch, dass Camelot und Artus wirklich existiert hatten.
Merlin versteckte Excalibur und verband es wieder mit einem Stein, sodass nur die Wiedergeburt Artus' es aus dem Felsen ziehen konnte.
Nun galtes nur noch, ihn zu finden. Doch bis zu diesem Tage sollten noch etliche Jahre vergehen.
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Excaliburs Vermächtnis (Leseprobe)
FantasyAls sich Jenni und Adam nach zehn Jahren wiedersehen, besteht zwischen den beiden noch immer jene besondere Freundschaft, die bereits ihre Kindheit beherrscht hat. Trotzdem wird Jenni das Gefühl nicht los, dass mit Adam etwas nicht stimmt. Wo sich i...