Der König des Feuers

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Es wurden drei Tage, ehe sie den Fuß des Blutberges erreichten.
Adina, die auf der Reise mehr als eine Schramme gesammelt hatte, blickte ehrfürchtig zu der Spitze des steineren Giganten auf. Der Blutberg trug seinen Namen nicht umsonst. Denn in seinem Inneren brannte ein mächtiges Feuer, das regelmäßig Ströme von glühender Lava hervor brachte, die wie Blut den dunklen Fels hinab floss und alles in ihrem Weg zu Asche verbrannte.
Doch dort, an der Quelle der Hitze, lebten eine Rasse, die das Schmiedehandwerk beherrschte wie keine andere. Die Fäng.
Sie schienen das Ziel der Himmelstochter zu sein, denn als der Eingang zu ihren Höhlen in Sicht kam, sah Adina sie das erste mal lächeln.

Aus dem Fels, der selbst wirkte wie die Haut einer uhralten Kreatur, ragte das Eisentor, das den Eingang bedeutete. Vor ihm erhoben sich zwei mächtige Wächter der Fäng, deren metallerne Panzerung und riesige Lanzen keinen Zweifel daran ließ was sie von unerlaubtem Besuch hielten.
Sie standen so reglos da, dass ein ungeübter Beobachter sie für Statuen hätte halten können. Mit ihrer grauen Haut, die rau und porös war wie das Gestein selbst, verschmolzen sie auf geradezu unheimliche Weise mit dem Hintergrund. Nur das rote Glühen, das von innen gegen ihre Felsenhaut zu drücken schien, zerstörte diesen Eindruck. Es drückte so stark, das feine Risse im Stein ihrer Körper enstanden, diese überzog ihre Körper mit einem wilden Muster aus orang brennenden Streifen und offenwarten sie als das was sie wirklich waren. Gewaltige Raubtiere.
Ihre Tiger ähnlichen Köpfe drehten sich langsam zu ihnen herum und Adina spürte wie sich die Aufmerksamkeit dieser beiden, uralten Wesen auf sie richtete. Wie ihre Blicke sie prüfend mussterten und sie, Sekunden später vergassen, als sie die Gestalt der Himmeltochter hinter ihr bemerkten.

Die Kraft der Frau aus Nachthimmel hatte in den vergangenen Tagen immer weiter nachgelassen. Adina hatte es an der Art bemerkt wie sich ihr Rücken immer weiter bog und sich ein dünner Schleier über das Licht ihrer Augen legte. Trotzdem richtete sie sich in diesem Moment zu ihrer vollen Größe auf und hob den Kopf in einem Stolz der Königen eigen war.

„Berichtet Sarek das Wellenhaut hier ist um mit ihm zu sprechen", forderte sie, noch ehe die Wachen ein zweites mal geblinzelt hatten.

„Wir wissen wer ihr seid, Herrin. Er wird euch empfangen, bitte folgt uns."
Das tiefe Grollen ihrer Stimmen schien in Adinas Knochen zu vibrieren. Es löste in ihr den Wunsch aus sich umzudrehen und zu rennen, so schnell sie konnte. Die Fäng würden der Himmeltochter nichts tun, immerhin hatten sie sie Herrin genannt, aber würden sie davor zurück schrecken einen kleinen Widdre zwischen ihren Krallen bewährten Pranken zu zerquetschen? Und sie hatte der Frau versprochen sie bis hier her zu begleiten. Sie musste nicht weiter.
Musste ihr Leben nicht riskieren.

Sie konnte die Erlaubnis, ja regelrecht den Befehl zu gehen in den Augen der Himmelstochter lesen, als sie ihr über die Schulter einen Blick zu warf. Konnte das Verständnis und die Dankbarkeit und den Respekt den sie sich verdient hatte, darin lesen.

„Deine Schuld ist beglichen," flüsterte sie sanft, dann richtete die Frau ihre Aufmerksamkeit wieder auf das gewaltige Tor, das in diesem Moment für sie geöffnet wurde.
Sie schritt auf den Schlund des Berges zu, ohne sich noch einmal nach der Widdre umzusehen.

Adina stand wie vor den Kopf gestoßen da. Ihre Schuld sollte beglichen sein? Warum nur hörte sich das an wie ein 'Lebwohl'?
Und warum tat es so weh?
Unerwartet flammte Schmerz in ihrem Herzen auf, bei der Vorstellung die Himmelstochter wirklich nie wieder zu sehen.

Sie besaß wirklich den Verstand eines Schafes.
Den Verstand eines Schafes, das selbst zur Schlachtbank lief dachte sie bei sich und musste gegen ihren Willen lächeln. Dann rannte sie der Himmelstochter hinterher.

Eine brüllende Hitze empfing sie, kaum das sie, das Innere der Höhlen betrat. Die Frau vor ihr wirbelte herum, als sie ihre Schritte hinter sich hörte. Entsetzen flammte in ihren Zügen auf.
„Was machst du? Du solltest nicht hier sein!" Da schlug das massive Tor donnernd hinter ihnen ins Schloss und versperrten den Weg zurück.

„Es tut mir leid", wollte Adina sich entschuldigen, die erst jetzt ganz begriff was sie getan hatte. Doch die Himmelstochter schien es kaum zu hören. Ihr Gesicht war eine harte Maske von unterdrückter Wut und etwas wie Sorge.

Kurz blieben die beiden Wachen stehen, als sie merkten das die Himmelstochter ihnen nicht mehr folgte. Im stummer Anklage blickten sie die beiden Frauen an.

„Nagut. Dann komm mit, aber bleib hinter mir und du sagst kein Wort, verstanden?"
Adina nickte schnell, während sie versuchte ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Schweiß trat sofort aus ihrer Haut und überzog ihren Körper mit einem dünnen Film, der den Geruch ihrer Angst an die Umwelt weiter gab. Sie wusste das der Geruch für die Fäng so deutlich war, als trüge sie das Geständnis ihrer Furcht auf der Stirn geschrieben, trotzdem lief sie weiter.

Sie hatte erwartet dass das Innere sie mit Dunkelheit empfangen würde. Doch der Raum um sie her war hell erleuchtet, von tausenden kleiner Lichtadern, die das Gestein zu allen Seiten durchliefen. Sie verstärkten den Eindruck des Berges als lebendes Wesen, als sie der Himmelstochter tiefer in die Eingeweide der Landes folgte.

Während Adina schwitzte und vor Hitze schwankte schien ihre blaue Begleiterin mit jedem Schritt weiter aufzuleben. Wenn sie für Orte und Temperaturen wie diese geschaffen war wunderte es Adina nicht, das sie unter den Decken gefroren hatte.

Dann öffnete sich der Gang vor ihnen plötzlich in eine riesige Halle, deren Decke über ihnen zu verschwinden schien. So hoch und so gewaltig, das Adina das andere Ende nicht ausmachen konnte. Flüsse aus brodelnder Magma ergossen sich, aus Felsspaten, irgendwo zu ihren Köpfen und stürzten Funken sprühend in die Tiefe. Unter ihnen sammelte es sich in riesigen, stehenden Becken, so gewaltig wie Seen. Seltsam verdrehte Gebilde aus erkaltendem Stein rankten sich überall dort in die Luft, wo diese Flüsse erloschen waren.
Sie schienen einer Laune der Natur zu sein, im Gegensatz zu den Stegen, die wie Brücken über die tötlichen Fluten hinweg führten. Sie wirkten wie vom der Hand eines Riesen behauen und bildeten ein verflochtenes Spinnennetz, das in der Mitte zu einem grauen Herzen zusammen lief. Über allem schwebte der ständige Klang von Hämmern, die auf heißes Eisen trafen. Die Schmieden, gefüllt von Fäng, so viele das Adina ganz schwindelig wurde. Sie hatten ihre Behausungen und Arbeitsstätten direkt in die erstarrte Lava getrieben und leiteten die brennenden Ströhme über schwarze Gräben in ihre Heizöfen. Mit bloßen Pranken hielten sie das Eisen, das zischend in die Hitze getaucht wurde, bis es so heiß glühte wie der Kern des Berges selbst.

Auf genau den hielt die Himmelstochter nun zu, so zielstrebig als befände sie sich nicht in einem Reich voller unsterblicher Kreaturen, allesamt mehrere Male so groß und schwer wie sie selbst.
Adina musste sich beeilen um schritt zu halten und versuchte die Hitze auszublenden, die ihr von allen Seiten entgegen schlug und ihr die Haut zu versängen drohte.

„Sarek!", rief sie laut und fordernt. Als hätte ihre Erscheinung alleine nicht gereicht jeden Fäng in diesem Berg auf sie aufmerksam zu machen.
Hunderte Augenpaare verfolgten sie und Adina begann ihre vorschnelle Entscheidung immer mehr zu bereuen.

„Wellenhaut", ein ehrerbietiges Brummen. Der Fäng der es ausgestoßen hatte ruhte im Zentrum des ganzen, pulsierenden Komplexes. Schwarzer Stein bildete etwas das einem Thron gleich kam und von diesem aus betrachtete der größte Fäng den Adina je gesehne hatte wie sie heran traten. Allein sein Schädel war so hoch wie die Widdre selber, die heftig gegen den Kloß in ihrem Hals anschluckte.
Nun verfluchte sie ihre Entscheidung aus tiefster Seele und instinktiv trat sie näher zu der Himmelstochter, die diesem Geschöpf entgegen sah, so ruhig wie das Auge eines Sturms.

„Kommst du einen alten Freund besuchen? Und was hast du dir da für ein Haustierchen mit gebracht. Pflegst du neuerdings mit Sterblichen zu verkehren?"

„Ich bin gekommen das einzufordern, was rechtmäßig mir gehört, da du das Versprechen das du mir einst gabst, nicht erfüllt hast", antwortete sie ohne auf die spitze Bemerkung einzugehen.

Ein tiefes Grollen erklang aus der Kehle des Fäng, immer wieder kurz durchbrochen von Stille. Es jagte Adina einen Schauer über den Rücken und trotz der Nähe des geschmolzenen Gesteins, durchlief es sie kalt.
Es dauerte, bis das Begreifen ihren, von Furcht verbenelten, Verstand durchdran.
Er lachte, der Fäng lachte!

Die Letzte Tochter des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt