Prolog

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An diesem Morgen erstrahlte das Königreich Tamoar schöner als jemals zuvor. Der Frühling ließ die verwilderte Landschaft außerhalb der Burgmauern in sattem Grün erstrahlen und die Sonne wurde wie glitzernder Feenstaub in den klaren Gewässern des Herzens des Nordens reflektiert. Das Zwitschern der Vögel, das durch die leicht geöffneten, schweren Vorhänge vor meinem Fenster in meine Ohren drang, erfüllte mein Herz mit Wärme und zauberte mir voller Freude auf den gerade angebrochenen Tag ein Lächeln ins Gesicht.

In aller Seelenruhe öffnete ich den zerzausten Zopf, in den ich meine Haare am Vorabend gebunden hatte und trat in den schmalen Lichtstrahl, den die Vorhänge in mein Zimmer ließen. Ich liebte es, den Tag mit einem Blick über das atemberaubende Königreich meines Vaters zu beginnen und jeden Winkel seiner Schönheit in mich aufzunehmen. Die Wärme der Sonne hinterließ ein angenehmes Gefühl auf meiner Haut und ich öffnete die Vorhänge, damit sie mein gesamtes Zimmer in Licht tauchen konnte.

Die Sonne war gerade hinter den verschneiten Bergen aufgegangen und legte sich wie eine goldene Decke über die malerische Landschaft des Königreiches. Eines Tages würde ich über die Wälder, Flüsse, Tiere und Menschen herrschen, die Tamoar ihre Heimat nannten. Ich hatte mir oft ausgemalt, was für eine Königin ich sein wollte, wenn der Tag einmal gekommen war. Ich war das einzige Kind meines Vaters und somit die alleinige Erbin des Thrones, der Verantwortung, all diese Schönheit zu erhalten und den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Mein Vater hatte mich, was die Aufgaben eines Königs betraf, bisher ziemlich im Dunkeln gelassen. Er hatte mich nie in seinem Büro geduldet, wenn er wichtige Entscheidungen traf oder mir erlaubt, ihn auf einem seiner Ausflüge ins Tal zu begleiten. Ich war niemals wirklich in Kontakt mit den einfach Menschen gewesen, obwohl ich es mir von ganzem Herzen wünschte. Ich wollte sehen, wie die Menschen, die unter der Herrschaft meines Vaters standen, lebten; wie es ihnen ging, wie ihr Alltag aussah. Doch womöglich war der Zeitpunkt nie richtig gewesen.

Vielleicht, so hoffte ich, würde sich alles mit meinem 18. Geburtstag ändern. Vielleicht hatte er nur darauf gewartet, dass ich erwachsen wurde, um mir die Pflichten und Aufgaben eines wahren Herrschers zu zeigen. Vielleicht wollte er mich meine Jugend genießen lassen, wollte mich nicht mit den Zwängen und Geboten einer Königin belasten. Doch so dankbar ich für das gute Leben, das mir meine Eltern geschenkt hatten, war; ich hatte niemals das Burggelände verlassen. Was mir blieb, war der sehnsüchtige Blick aus meinem Fenster, der einen großen Teil des Königreiches erfasste und die Hoffnung auf eine aufregende Zukunft als Königin.

"Guten Morgen", ertönte es hinter mir und ich fuhr aus meinen Gedanken gerissen zusammen. Ich drehte mich zu meiner Hofdame um und legte mir die Hand aufs Herz. "Moira", wisperte ich erleichtert und lächelte, "Du hast mich erschreckt."

Moira beugte ihren Kopf und sah zu Boden. "Bitte entschuldigt, wie dumm von mir, mich einfach so anzuschleichen." Ich legte den Kopf schief und lehnte mich mit dem Rücken an der Fensterbank an. "Bitte, das ist doch nichts, für das man sich entschuldigen muss." Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. "Außerdem freue ich mich immer, dich zu sehen."

Moira richtete sich wieder auf und strich sich ihre aschblonden Haare aus den Augen, um meinen Blick dankbar zu erwidern. "Euer Vater wünscht, mit euch zu frühstücken, Miss."

"Ach, tatsächlich?" Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich klatschte in die Hände. "Das ist toll! Kannst du ihm bitte sagen, dass ich mich gleich zu ihm geselle? Ich muss mich noch anziehen." Moira nickte knapp und verließ den Raum, ehe sie die Tür hinter sich schloss.

Glücklich pfeiffend schlenderte ich zu meinem Kleiderschrank und zog ein schlichtes, luftiges Kleid heraus, das dem guten Wetter entsprach. Es kam nicht oft vor, dass mein Vater mit mir dinierte. Häufig konnte er sich nur Zeit für mich nehmen, wenn er mir etwas auftragen wollte oder mich über etwas wichtiges informieren musste. Und obwohl unsere Treffen meist kurz und förmlich verliefen, freute ich mich jedes Mal, ihn zu Gesicht zu bekommen. Ich hatte trotz seiner generell kalten, distanzierten Art wunderschöne Kindheitserinnerung mit ihm, an denen ich ewig festhalten würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 10, 2020 ⏰

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