Gewittergedanken

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Der grollende Donner lässt die Wände unseres Hauses vibrieren und der Regen prasselt unaufhörlich gegen die Fensterscheiben meines Zimmers. Ich liege im Bett und denke an all die Menschen, die mir wichtig sind. Ob meine beste Freundin gerade auch noch wach ist, weil sie genauso wie ich nicht schlafen kann? Lenkt sie sich mit einem Buch ab oder sitzt sie vielleicht mit ihren Eltern auf dem Sofa und trinkt etwas heißes zum Runterkommen? Oder Schaut sie durch das Fenster den Blitzen zu und zählt die Sekunden bis zum folgenden Donner, so wie ich es gerade noch getan habe?
Und meine Oma, ob sie wohl Angst hat, ohne Opa, der seit über drei Jahren verstorben ist? In dem großen Haus, was langsam verfällt, ganz alleine? Ich hoffe es ist bei dem Sturm da draußen noch nicht völlig zusammengebrochen. Ich "erwische" mich dabei dafür zu beten dass es ihr gut geht, obwohl ich selber eigentlich Atheist bin. Aber für sie tue ich es, weil sie daran glaubt. Vielleicht bringt es ja was.
Und meine Eltern, die in dem Zimmer unter meinem auch schon im Bett liegen. Liegen sie sich in den Armen und reden leise miteinander darüber, wie Mutter Natur sich gerade wieder austobt? Sorgen sie sich darüber, ob das Haus heil bleibt und nicht gleich in Flammen aufgeht und wir gleich mit? Oder bleiben sie entspannt, liegen sich auch in den Armen, aber sprechen nicht? Versuchen sie zu schlafen?
Und mein Bruder. Schläft er schon? Bestimmt, er verschläft so etwas immer. Aber wenn nicht, was macht er? Hört er vielleicht Musik, um sich vom Gewitter abzulenken? Denkt er an neue Spieltechniken, die er heute in irgendwelchen von seinen Videos heute gesehen hat? Oder doch eher über seinen Crush?
Und all diese Menschen da draußen, ohne ein Dach über dem Kopf außer vielleicht eine Brücke, ein Bushäuschen oder ein kleines Bahnhofsgebäude. Haben sie Angst? Gut, sie bedeuten mir jetzt weniger als die Leute über die ich vorhin nachgedacht habe, aber auch sie sind es wert das man über sie nachdenkt. Also, haben sie Angst? Bestimmt, aber wovor? Davor, gleich von einem Blitz geröstet zu werden oder eher davor zu erfrieren oder zu verhungern? Es ist schließlich Arschkalt und es ist die Nacht von Sonntag auf Montag, also hatten die Geschäfte heute auch nicht auf, sodass sie sich im Laufe des Tages etwas zu essen kaufen konnten. Vielleicht denken sie darüber nach, wie es wäre, jetzt in einem Bett zu liegen und sich die Decke bis zur Nase hochzuziehen. Nicht frieren zu müssen, nicht sich zu sorgen, ob man noch so viel Geld hat, ohne ein großes Loch im Bauch durch die Woche, vielleicht sogar nur durch den nächsten Tag zu kommen.

Ich merke, dass das Gewitter vorbei ist. Zumindest hier. Keine Ahnung ob es ganz weg oder nur weitergezogen ist. Und ich merke, wie gut ich es doch habe. Ein Haus, Eltern, Freunde, Familie. Und ich sage nicht, dass ich mich nicht beschweren kann, weil nie alles so perfekt ist. Aber andere können es besser, haben mehr Sorgen als ich. Gravierendere Sorgen.
Ich werde ruhiger, müder. Und ich hoffe, dass es all den Menschen gut geht an die ich gerade gedacht habe.

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Ich merke gerade wie kitschig das eigentlich geworden ist, obwohl ich so eigentlich nicht gerne schreibe, aber egal. Feedback nehme ich gerne an, Danke!

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