Der Lehrer

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Es regnete, wie so oft in dieser Woche. Ich rieb mir die Augen und gähnte. 7:50 Uhr. Mist. In zehn Minuten sollte ich in der Schule sein, hatte aber noch nicht fertig gefrühstückt, konnte mein Tshirt nicht finden und hatte nur einen Schuh an. Zu allem Unglück stieß ich den Kaffee auch noch um und musste die Sauerei natürlich erst einmal aufwischen. Als ich endlich mein Tshirt gefunden hatte - es lag im Wohnzimmer auf der Couch - und den anderen Schuh ebenfalls anhatte wollte ich meine Schultasche holen.

In meinem Zimmer angekommen bemerkte ich jedoch, dass ich die falschen Schulsachen eingepackt hatte. Verdammt! Ich runzelte die Stirn und fluchte leise. Der Tag fing ja gut an und dementsprechend war auch meine Laune. Nämlich im Keller.

Als ich schließlich in der Schule war, war es bereits 15 Minuten nach 8. Ich rannte die Stufen zu meinem Seminarraum hinauf und stolperte dabei in aller Eile über einen umgeworfenen Papiermülleimer. Ich strauchelte und ruderte einige Sekunden wie wild mit den Armen in der Luft herum, fing mich aber gerade noch so ab und rannte weiter. Keuchend und schnaufend blieb ich vor der Tür des Raumes stehen. Ich öffnete sie vosichtig einen Spaltbreit und schlüpfte dann hinein. Mein Plan war, unbemerkt in das Klassenzimmer zu gelangen, bevor die Professorin etwas merkt. Ich schien Glück zu haben. Das dachte ich zumindest. "Guten Morgen der Herr." durchbrach eine scharfe Stimme die Stille. Alle sahen mich neugierig an, nur ein Augenpaar blickte mitleidig in meine Richtung. Kevin. Ich drehte mich zu dem Besitzer der Stimme um und runzelte verärgert die Stirn. "Du bist neu hier, stimmts?" sagte ich. Das war eher eine Feststellung als eine Frage. Ich kehrte dem jungen Herren den Rücken zu und ging zu meinem Platz. Dort angekommen legte ich meine Füße auf den Tisch und fragte laut in den Raum "Wo bleibt eigentlich die alte? Die Professorin meine ich."

"Die alte hat eine Magendarm und liegt im Bett." Wieder dieser Siebengescheit.

Kevin zupfte an meinem Ärmel. Er machte das schon seit ein paar Minuten und langsam fing es wirklich tierisch an zu nerven. "Ich meine, es ist immerhin schon viertel nach acht... irgendein Lehrer müsste längst hier sein. Was schreibt ihr eigentlich alle?" Kevins zupfen wurde immer nerviger. Verwirrt sah ich mich im Raum um. Die meißten saßen gebeugt über ihren Tischen und kritzelten etwas auf ihre Papierbögen. Doch nach und nach legten auch die letzten ihre Stifte weg und verfolgten mit großem Interesse meinen Monolog. "Verdammt, kannst du das mal lassen?" fuhr ich meinen Sitznachbarn wütend an. "Valle! Bist du wirklich so blind oder tust du nur so?" zischte dieser mit einer leichten Verzweifelung zurück. "Hmmh?" Ich war verwirrt. Was meinte Kevin? Da machte der Neunmalklug wieder den Mund auf. "Ich störe Ihre kleine Unterhaltung nur ungern, aber ich würde Sie bitten, ebenfalls die Aufgabe zu lösen." Jetzt reichte es. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein mich hier herumzukommandieren? Ich sprang auf. "Du hast mir garnichts zu sagen. Wieso sitzt DU nicht an deinem Platz und löst die Aufgabe?"

Er schritt langsam auf mich zu. Sein Blick war fasziniert und gleichzeitig ein wenig verärgert. Erst jetzt fiel mir auf wie groß er war. "Ich bin sehr wohl auf meinem Platz, ich löse die Aufgabe nicht, weil ich es war, der sie euch gestellt hat und wenn möglich bleiben Sie bitte bei 'Sie'." Röte schoss mir ins Gesicht, als ich begriff. Er war der Lehrer. Verdammt, was hatte ich da nur wieder angerichtet. Kevin neben mir hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schüttelte den Kopf. "Ich... ich wusste nicht -" "Das ist mir nun auch klar geworden." Er unterbrach mich und ich starrte ihn an. Schöne blaue Augen hatte er... "Sie kommen bitte nach dem Unterricht zu mir." Ich nickte verlegen. "Dürfte ich ihren Namen wissen?" fragte ich zaghaft. "Range. Erik Range." Ein leises lächeln umspielte seinen Mund. "Setzen Sie sich bitte wieder." Er drehte sich um und schritt zurück zum Pult. Er hatte ziemlich breite Schultern. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte und sah schnell weg. Wie peinlich ich mich aufgeführt hatte.

Als der Rest der Klasse am Ende der Stunde den Raum verließ, blieb ich sitzen und blickte verärgert vor mich auf die graue Tischplatte.

"Na, da ist aber jemand schlecht gelaunt, was?", sagte eine leicht rauhe, sanfte Stimme. Ich sah auf und blickte in die strahlend blauen Augen von ihm. Erik Range. Ein schöner Name.

"Ach findest du?" Er lächelte. Hatte ich das etwa gerade laut gesagt? Verdammt.

"Ja, hast du." kam es von ihm. Verflucht.

"Ich äh.. ich wollte mich entschuldigen... bei ihnen... wegen vorhin." begann ich und senkte den Blick. Diese Augen brachten mich noch um. "Stehen Sie auf." meinte mein Gegenüber fordernd.

Es klang nicht wie ein Befehl, sondern mehr wie eine Bitte. Ich stand auf und er trat einen Schritt näher an mich heran. Er war um einiges größer als ich, doch trotzdem spürte ich seinen heißen Atem in meinem Gesicht. "Ich verzeihe Ihnen. Um ehrlich zu sein, fand ich das garnicht so schlimm. Ich würde es eher als süß bezeichnen."

Verwirrt sah ich ihm in die Augen. Wortlos blickte er zurück. Einige Sekunden verstrichen, bis ich merkte, was ich da tat. Ich machte einen Schritt rückwärts und lief damit geradewegs in einen Tisch. Er fing mich auf, bevor ich fallen konnte und seine warmen Hände hinterließen eine kribbelnde Spur auf meinem Körper. Ich schämte mich für solche Gedanken und blickte auf meine Füße. Da spürte ich wie er mein Kinn leicht anhob, so dass ich ihn wieder ansehen musste. "Du hast wunderschöne Augen, wieso schaust du auf den Boden, kleiner?" Amüsiert blickte er mich an und legte die Hand nun an meine Wange. "Ich... ich meine Sie sind mein Lehrer... ich weiß nicht.." stammelte ich. "Genau das macht es nur noch spannender." flüsterte er mir leise ins Ohr und ein Kribbeln fuhr durch meinen ganzen Körper. Er zog mich langsam näher zu sich und begann mir über den Rücken zu streicheln, währrend er mich ansah, als würde er einen Engel vor sich haben. Langsam kam sein Gesicht näher und dann trafen seine Lippen auf meine und ich stöhnte leise. Ich schlang meine Beine um seinen Körper, als er mich hochhob und strich mit den Händen durch seine dunkelbraunen weichen Haare, so dass er seufzte und mich noch wilder küsste.

Nach Luft ringend löste ich mich von ihm. "Was machen wir hier nur?" fragte ich. "Weiß nich...", nuschelte er und begann mich wieder zu küssen. Ich nahm sein Gesicht in die Hände. "Ich auch nicht, aber ich wünschte es würde nie enden."

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