GUTEN MORGEN WELT

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"Lately I've been losing sleep dreaming about the things that we could be." ~Ryan Tedder

**********

Eve

Plötzlich spüre ich mich.
Noch zu sehr im Schlaf gefangen, wälze ich mich hin und her und nehme die Energie, die mir von der wohligen Wärme auf meiner Haut gespendet wird, dankbar an.
Etwas kitzelt meinen Arm, wiederholte, zarte Luftstöße und etwas, das sich so sanft wie Gras anfühlt.
Ich atme tief ein.
Frisches Gras, ja. Pollen.
Aber trotzdem stört mich eine Sache besonders und diese stinkt gewaltig.
Noch einmal rieche ich die Luft um mich herum, um mich zu vergewissern, richtig gelegen zu haben und kurz darauf angewidert meine Nase zu rümpfen.
Ich setze mich auf, während ich verwirrt und von etwas geblendet, blinzelnd die Augen öffne.
Das erste, was ich sehe - nach der Sonne, die mir meine Pupillen zu verbrennen scheint - ist eine weite Ansammlung an Bergen und Bäumen, ein glitzernder See zwischen ihnen und vor dem Feld voller Gänseblümchen, in welchem ich hocke und schützend einen Arm vor die Stirn halte.
Der Gestank wird so schlimm, dass ich glaube, mich übergeben zu müssen.
Perplex rieche ich unter meinem Arm und falle beinahe in Ohnmacht.
Aber nicht wegen des Geruchs - zumindest nicht nur, sondern wegen des Kerls, der vollkommen nackt neben mir, ins Gras gekuschelt da liegt und seelig schnarcht.
Geschockt wende ich den Blick ab.
Erst jetzt kommen Fragen in mir auf, die ich nicht beantworten kann und mir immer mehr Angst bereiten.
Wo bin ich?
Was tue ich hier?
Was tut er hier?
Wer ist er?
Und... Wer bin ich überhaupt?
Die wichtigste Frage ist allerdings, ob es ihn wohl störte, wenn ich noch einen Blick riskierte.
Ich beschließe, dass er da sowieso nicht so viel mitzureden hat, schließlich hat er mich nackt 'überwältigt' und nicht ich ihn.
Neben der Tatsache, dass man es nicht wirklich als Überfall bezeichnen kann, was er da tut, muss ich mir schließlich nach einiger Zeit des Anschmachtens - ich meine Betrachtens außerdem eingestehen, dass er ziemlich ansehnlich ist.
Ausgerechnet seine intime Stelle - welche ich mir natürlich sowieso nicht angesehen hätte aus reinem Respekt vor ihm - ist von einigen Gänseblümchen bedeckt, die den Rest seines muskulösen Körpers umschmeicheln.
Jetzt entdecke ich außerdem, dass nicht nur sein Atem, sondern auch seine langen, braunen Haare mich gekitzelt haben, die ihm strohig vom Kopf abstehen.
Zu allem ungepflegten Überdruss hat er sich anscheinend noch einen XXL- Vollbart stehen lassen, der wohl glücklicherweise einen Teil seines Mundgeruchs abfängt.
Kann ich die 'ansehnliche' Beschreibung seiner Erscheinung noch durch 'wild und dreckig' ersetzen?
Nein? Tja, mach ich einfach.
Er sieht echt heruntergekommen aus.
Ich bin gerade dabei, etwas unwohl von ihm wegzurutschen, als er vorsichtig die Augenlider aufschlägt.
In den ersten Sekunden scheint ihm nicht sonderlich viel ungewöhnliches aufzufallen. Zumindest nicht bis er mich entdeckt und sich ruckartig aufrichtet.
Verwirrt und anschließend peinlich berührt davon, dass er meinen ebenfalls nackten Körper mustert, bedecke ich mich mit meinen Armen, Beinen und allem sonst irgendwie greifbarem.
"Was fällt dir ein?", fauche ich und strenge mich dabei wirklich an, meinen Blick nicht auf die Stelle zu senken, die nun bei ihm frei liegt.
Er grinst verschmitzt. "Das gleiche könnte ich dich fragen."
Ich schnaube verächtlich und recke mein Kinn in die Höhe. Vermutlich hätte ich ihn erwürgen sollen als ich noch die Chance dazu hatte.
"Was machen wir hier überhaupt?", fragt er stirnrunzelnd.
Haha. "Jetzt bist du plötzlich der, der das nicht weiß?" Entweder hat dieser Kerl ernsthafte psychische Probleme oder er ist das Mastermind schlechthin. Ich gehe allerdings eher von ersterem aus. "Was hast du mir gegeben?"
"Was meinst du mit 'gegeben'?"
Jetzt auch angeblich durcheinander blickt er mich halb erwartungs-, halb vorwurfsvoll an.
Ich seufze genervt. "Jetzt tu doch nicht so. Du hast mich unter irgendwelche Drogen gesetzt. Ich... Ich weiß gar nichts mehr."
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn bitten soll, das rückgängig zu machen oder mir mehr von der gedächtnislöschenden Substanz zu verabreichen nach dem Anblick gerade.
"Ich weiß nicht wovon du redest.", lügt er mir dreist ins Gesicht und wagt es auch noch dabei ahnungslos den Kopf zu schütteln.
"Ich weiß gar nichts mehr.", schimpfe ich nachdrücklich."Da ist was, das spür ich, aber ich kann es einfach nicht greifen."
Verzweifelt schlage ich mir gegen die Stirn während er mir irritiert dabei zusieht. "Zum Teufel ich weiß nicht mal, wer ich selbst bin!"
"Ich hab dich nicht unter Drogen gesetzt. Es sei denn... Ich hab diese Droge auch genommen."
Bestimmt reißt er mir die Hand von der Stirn. "Verstehst du? Ich weiß auch NICHTS mehr!"
Wow. Kein Grund so zu schreien. Irgendwann wird mir langsam die Bedeutung seiner Worte bewusst. "Meinst du, dass wir..." Ich schlucke."... Dass wir unsere Erinnerungen beide verloren haben?"
"Nein! Obwohl. Ich weiß es nicht, okay?" Mutlos lässt er die Arme in seinen Schoß fallen. "Sieht so aus, oder?"
Was sollen wir tun? Tiefe Fassungslosigkeit macht sich in mir breit und ich schaue ihn bettelnd an. "Bitte mach das rückgängig. Bitte!"
"Bist du wirklich so schwer von Begriff? Ich kann das nicht rückgängig machen, ich bin nicht dafür verantwortlich!"
"Woher willst du das so genau wissen, wenn du dich angeblich an nichts erinnern kannst?"
"Weißt du was?", räumt er sichtlich genervt ein und erhebt sich aus dem hohen Gras, "Ich werde jetzt Antworten suchen anstatt den nächstbesten mit Scheiße vollzulabern."
"Wo willst du hin?"
"Ich suche irgendwen, der uns helfen kann.", informiert er mich herablassend. "Aber erstmal brauchen wir beide was zum Anziehen und Waschen. Den Anblick halt ich nicht aus. Außerdem... Wann hast du eigentlich das letzte Mal geduscht?"

*

Adam

"Warte auf mich!", kreischt dieses unerträgliche Mädchen, mit dem ich aufgewacht bin.
Verärgert wie ich bin werde ich das bestimmt nicht. Außerdem sind es nur noch ein paar Meter laut dem Ortsschild, das wir entdeckt haben. Sowieso habe ich nicht vor auf diese Göre zu warten.
Das erste, woran ich mich erinnern kann, ist ihr Gestank und ihre Augen, die wohl gern Löcher in mein Fleisch geschnitten hätten. Dann hat sie auch noch gemeint, sich herausnehmen zu müssen, mir wild drauf los irgendwelche sinnfreien Beschuldigungen an den Kopf zu werfen.
Ich wünsche mir schon die ganze Zeit, sie wäre einfach stumm. Oder wenigstens nett. Aber selbst am See hat sie mich angemault, ich solle wegsehen. Nicht, dass ich sie gerne anschauen würde.
Ich hab nicht mal hingesehen.
Sie leidet wahrscheinlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit oder so ähnlich. Wunschgedanken halt.
Was kann ich dafür, wenn wahrscheinlich nie ein Junge sie besonders lang angeschaut hat?
Allerdings kann man ohne diesen ganzen Geruch und ihre wirren Haare erkennen, dass sie wohl doch nicht so abstoßend ist.
Ihr Charakter allerdings schon.
"Jetzt bleib doch endlich mal stehen!", fordert sie laut, wodurch ich mich schließlich doch zu ihr umdrehe.
Die Kleidung, die wir uns aus Blättern und Gänseblümchen gebastelt haben, sieht echt lächerlich aus. Aber irgendwie hat es auch etwas. Einen gewissen Charme. Zudem betont es ihre breite Hüfte sehr gut.
"Wie wär's, wenn du mal einfach einen Zahn zulegst, statt Forderungen an mich zu stellen?", werfe ich ihr an den Kopf und laufe einfach weiter.
Was nimmt sie sich raus? Ich hoffe, ich werde sie bald los. Das hält man keine 5 Minuten aus.
Stampfend holt sie doch noch auf, nur um mich weiterhin zu nerven. "Tut mir leid, dass der Herr sich ungerecht behandelt fühlt. Ist nicht meine Schuld, dass ich dich nicht ernst nehmen kann."
Vielleicht ist es einfach besser sie zu ignorieren. Entschlossen beschleunige ich meinen Schritt und freue mich als wir endlich in einem kleinen Dorf ankommen.
"Außerdem hast du-", fängt sie in Rage an, doch gerät ins Stocken, als sie sich umsieht.
Meine Wut ist auch ruckartig verflogen, als ich sehe, dass nicht ein Mensch weit und breit sein Unwesen treibt. Es stehen bloß überall bemooste Fahrzeuge und heruntergekommene Häuser herum.
"Die... Sind bestimmt alle drin!", versuche ich uns zu beruhigen und Laufe schnurstracks auf ein schimmliges Gebäude zu. Nicht gerade eine Traumimmobilie, aber es konnte schließlich nicht jeder reich sein.
Die Zicke eilt mir hinterher und klopft leise an die Haustür.
Nachdem lange nichts passiert ist, hämmere ich stärker dagegen. "Hallo?! Jemand zuhause?"
Keine Antwort.
"Was machst du da?"
Sie ist wohl blind, nicht zu sehen, dass ich mit dem scharfen Stein, den ich vom Boden aufhebe, vorhabe, ein Fenster einzuschlagen. "Sehen, was hier vor sich geht. Aber wenn du Schiss hast, kannst du gern hier warten."
"Schiss? Ich?", entgegnet sie und reißt mir den Stein aus der Hand, als die Scheibe zum dritten Mal unversehrt zurückbleibt.
Ich will sie gerade aufziehen, dass sie das mit ihren dürren Ärmchen sowieso nicht hinbekommen würde, als mir bereits tausende Glassplitter um die Ohren fliegen.
Selbstsicher greift sie durch den Fensterrahmen hindurch und öffnet es. "Siehst du? So macht man das."
"Das hat doch nur funktioniert, weil ich es darauf vorbereitet habe."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 21, 2019 ⏰

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