Donnerstag, 8.45h, Hbf BS

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Gleich geht es los. Wohin? Nach Hamburg, und zwar zu meinem ersten internationalen Turnwettkampf, den Hamburg Gymnastics. Mit dabei ist natürlich mein Team, denn das ganze ist ein Mannschaftswettkampf.

Und dazu gehören Martha, 12, Pauline, 17, meine Schwester Katharina, 20 und ich. Ich bin übrigens Caroline und 18 Jahre alt. Seit ich klein bin turne ich und ohne Turnen könnte ich nicht leben. Als ich ungefähr 15 war, ist Turnen für mich zu meinem Leben geworden. Da habe ich nämlich angefangen, fünfmal die Woche zu trainieren um noch besser zu werden. Denn ich hatte damals nur ein Ziel, meinen 15. Platz beim Deutschland -Cup aus dem Vorjahr zu verbessern. Seitdem dreht sich bei mir alles nur ums Turnen, meine Familie und meinem Freund. Und das ist gar nicht so leicht, das alles unter einen Hut zu bringen, denn die Schule hatte da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Aber das ist jetzt vorbei. Ich habe im Juni mein Abi bestanden und das nicht schlecht und fange in zwei Wochen mit dem Studium an. Mathe und Sport auf Lehramt. Ich freue mich schon ziemlich.

So jetzt aber zurück zu meinem Team. Normalerweise gehören da noch mehr Mädels dazu, durch Schule und das verlängerte Wochenende ist es den anderen aber leider nicht möglich mit zu machen. Da unsere kleinen Turnerinnen bald ihren ersten wichtigen Wettkampf haben, kann unsere Hauptrainerin uns nicht begleiten. Dafür haben wir Angelika dabei, sie ist auch Trainerin, turnt selbst noch und studiert mit meiner Schwester zusammen.

Und dann haben wir noch Samira dabei. Sie turnt auch bei mir im Team, hatte sich aber den Fuß gebrochen und ist noch nicht wieder fit. Ich bin froh das mein Knie wieder gut verheilt ist, ich hatte mir vor den Sommerferien das Innenband gerissen. 8 Wochen Pause hab ich hinter mir. Seit fünf Wochen trainier ich wieder. Auf Boden werde ich deshalb in der Quali morgen verzichten.

"So Mädels, ich wünsche euch ganz ganz viel Glück, verletzt euch nicht und genießt es, zeigt, dass es euch Spaß macht, auch  wenn etwas nicht so gut klappt. Ich weiß, dass ihr gut drauf seid." Unsere Trainerin Anett ist extra mit zum Bahnhof gekommen, um uns zu verabschieden, wenn sie schon nicht dabei sein kann.

Wir verabschieden uns von unseren Mamas, (die Papas müssen alle arbeiten), und Geli, Katha, Pauli und Sami geben ihren Freunden noch einen letzten Kuss, bevor wir in den Zug steigen. Da komme ich mir ein bisschen alleine vor. Mein Freund Leon wohnt in Hannover, 60km die uns trennen, aber wir haben das jetzt schon drei Jahre durchgehalten und das ist auch das Erfolgsrezept für unsere gute Beziehung. Die 3/4 Stunde Fahrt mit dem Auto ist nicht so dramatisch. Als wir noch zur Schule gegangen sind, haben wir uns jedes zweite Wochenende gesehen und mehr oder weniger die ganzen Ferien. Seit dem Abi und mit meiner Verletzung war er ziemlich oft bei mir. Ich konnte ja kein Auto fahren mit dem Knie. Dafür war er immer mehrere Tage am Stück da.

Naja, also jedenfalls kommen unsere Jungs am Samstag nach Hamburg, um uns anzufeuern, auch Leo.

Aber jetzt heißt es erstmal 3,5h Zug fahren und dann die Gedanken auf den Wettkampf lenken, weg von Jungs und anderem Kram. Das lenkt sonst zu stark ab.

"So, Marta, jetzt musst du uns erstmal auf den neuesten Stand bringen, was dein Training so macht", fragt Geli.

Marta ist unsere Top Turnerin, die seit einem Jahr auf das Sportinternat in Leipzig geht. Da ist das mit der Kooperation von schule und Training sehr viel besser. Das anfängliche Heimweh hat sich ausgezahlt, Sie ist deutsche Jugendmeisterin am Sprung. Sie hat sehr viel gelernt innerhalb eines Jahres.

"Ich hab jetzt ein mal die Woche Training mit der ganzen Bundesliga mannschaft. Das ist richtig cool, von Lea kann man ganz schön viel lernen", sagt Marta und grinst.

"Du trainierst zusammen mit Lea?!", stellt meine Schwester erstaunt fest.

"Wir sind immerhin in einem Team. Ist ja auch ganz gut sich nicht nur während des Wettkampfes zu unterstützen. So lernen wir uns jetzt viel besser kennen." Martas grinsen ist noch breiter geworden.

Zur Erklärung, Lea kommt aus Halle und die beiden Vereine haben zusammen eine Bundesliga Mannschaft. Lea ist die beste deutsche Nachwuchs Turnerin Deutschlands, hatte sich nur leider vor einem Jahr das Kreuzband gerissen. Aber jetzt scheint sie langsam wieder fit zu sein.

"Und euch geht es auch gut?", fragt Marta, "ihr scheint ja sehr glücklich zu sein mit euren Jungs."

"Ich glaub, dass liegt daran, dass grad Semesterferien sind und wir nichts zu tun haben. Naja außer Pauli vielleicht. ", antwortet Katha.

"Dankeschön ", entgegnet Pauli, "ihr wisst gar nicht, wie stressig das bei mir grad ist. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wann ich noch Hausaufgaben machen soll und Felix seh ich auch nur noch voll selten. Das ist total doof. Caro, ich versteh bis heute nicht, wie du und Leo das so aushaltet."

Pauli mag Stress überhaupt nicht. Das war auch ein Grund, warum sie vor 1 Jahr auf meine ehemalige Schule gewechselt. Die Freistellung vom Unterricht wegen Wettkämpfen ist da gar kein Problem und auch so sind die Lehrer kooperativer, was Hausaufgaben angeht. Außerdem senkt sich für Leistungssportler die Pflichtstundenzahl mit Genehmigung und guter Begründung. Aber es ist natürlich trotzdem schwer, der Stoff aus der Oberstufe muss schon sitzen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich die letzten beiden Jahre überstanden hab. Aber mit Sicherheit waren meine Eltern, Katha und Leo ziemlich wichtige Unterstützung. Mein Tag bestand praktisch aus Schule, Hausaufgaben, Kleine trainieren  (das hab ich die letzten zwei Monate vor dem abi sein gelassen), und selber trainieren. Und nach dem Training noch lernen. Da kann ich echt froh sein, dass mir vieles zufällt.

Am Samstag bin ich zu Leo, manchmal haben wir zusammen gelernt, Sonntags vormittags training im Leistungszentrum, den Nachmittag mit Leo verbracht und abends dann wieder nach Hause. Meistens mit dem Zug, das war entspannter.

In der Woche war ich echt nur nachts zu Hause. So blöd es auch klingt, ich vermisse es ein wenig. Es war keinen Falls so negativ, wie es klingt, Turnen ist einfach mein Leben. Dafür macht man Abstriche und ja, die Freunde werden da schon vernachlässigt. Wenn das nur eben wie bei mir genauso Sportler sind wie ich, dann fühlt man sich verstanden. Denn Franzi und Miri, meine besten Schulfreunde, sind Tänzerin und Sportgymnastin auf ähnlichem Niveau wie meinem. Wir hatten so gut wie den selben Tagesablauf. Aber eins war uns immer wichtig. Einmal samstags im Monat war Mädchentag. Der Tag gehörte ganz uns. Meistens waren unsere großen Schwestern auch mit dabei.

Eine Nachricht von Leo. 'Hi meine Süße, ich hoffe ihr habt eine tolle Zugfahrt und habt schön viel Spaß. Genießt die zeit, wo ihr mal allein unter euch seid. Aber stellt nicht zu viel dummes zeug an '

Leo ist einfach zu süß.

Geli, Katha, Pauli, Sami, laura und ich unternehmen, wenn es die zeit zulässt, und das tut sie grade, weil ja Semesterferien sind, ziemlich gerne was zusammen mit unseren Jungs. Unsere Trainerin findet das manchmal nicht so lustig, wenn wir die Nacht durchgefeiert haben. Aber dann sagt sie sich, dass wir dazu sonst nur so selten zeit zu haben und ist stolz auf uns, dass wir mal nicht ans turnen denken, sondern mal abschalten. Wir gehen aber nicht nur feiern, wir haben auch anders ganz schön viel spaß, zb. beim kanufahren, geli hats geschafft ins wasser zu fallen, sie ist einfach unheimlich tollpatschig.

"Hey, was grinst du so?", fragt Marta mich.

"Ich musste grade an die Nummer von geli denken, als sie ins wasser gefallen ist."

"Ihr seid gemein, dass war sau kalt."

Alle fangen an zu lachen. Bis auf Marta waren alle live dabei, aber Marta kennt natürlich alle Fotos.

Laura turnt bei uns in der km3 Gruppe. Da die anderen aber alle jünger sind, machen wir viel mit ihr.

Mein Wochenende in HamburgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt