Einleitung

4 0 0
                                    


Vergleicht man Städte mit Speisen, dann ist Peking eine scharf gewürzte Suppe. Rostock liegt der Fisch nahe, Dessau-Roßlau Grießbrei mit Bratwurst und Feldkirchen-Austria mit Knödeln.
Steeg ist Salat.
Es ruht genauso passiv neben Karawanken wie die Gurke neben den Tomaten. Die Konsistenz ist auch ungefähr die gleiche: Im Winter Schneematsch, im Sommer Regen schlamm. Der Altersdurchschnitt beträgt 55,3 Jahre. Die Teenager von Steeg denken mit Sehnsucht an die Stadt Landeck. Einige ganz Verwegene studieren die Zugfahrpläne nach Landeck. Die Pensionisten träumen von einem Alterssitz am Wörthersee oder zumindest einem wöchentlichen Skatabend in der Bierstube. 
Andere Aktivitäten sind seit der Schließung der Schwimmhalle und des Jugendclubs kaum möglich, und wer die vierzehn Bücher in der Dorfbibliothek schon gelesen hat, sollte sich dringend nach einem anderen Wohnsitz umsehen.
Steeg's ganzer Stolz ist das Parkhotel, von den Einheimischen liebevoll >Dornröschen < genannt.
Vor 20 Jahren war es in einer internationalen Zeitung als >billige Alternative zum Schloss Wörthersee in Velden< bezeichnet worden, inzwischen kann man jedoch keine Vergleiche mehr zu Tirols High-Society-Hochburg ziehen. Im Parkhotel geht es geruhsam zu. Von Glanz und Glamour weit entfernt, blättern die Blümchen Tapeten langsam von den Wänden und die alten Holz Dielen knarren bei jedem Schritt.
Alles in allem ist das Leben in Steeg so aufregend, wie jeden Tag Salat zu essen. Es ist langweilig

Todlangweilig ...



Montag

Kay Uwe, vor 18 Jahren in Steeg geboren und nun angehender Koch im Dornröschen des Ortes, mochte Salat. Er fand es beruhigend zu wissen, dass man sich beim Essen von Salat nicht an einer Gräte verschlucken oder ersticken konnte.
Es war Montagvormittag, es war Frühling, es war ein wunderschöner Tag und genau 9 Uhr und 5 Minuten . Exakt 5 Minuten nach Dienstbeginn stellt Kay Uwe sein Fahrrad am Seiteneingang des Parkhotels ab, drückte die Tür auf und machte sich bereit für den bevorstehenden Arbeitstag. Im breiten Flur stieß er beinahe mit dem Chefkoch Franz Schmar'l zusammen.
>'tschuldigung<, keuchte Kay und verschwand fix ins Nebenzimmer, um sich umzuziehen. 
Kaum hatte er die Tür hinter sich zufallen lassen, stieß Franz Schmarl diese auch schon wieder auf.
Schmar'l war einer dieser Menschen, die immer alles wissen müssen und sich in die Angelegenheiten anderer einmischen musste. Vornehmlich, um sich darüber aufzuregen. Es war wahrscheinlich Schmar'ls Schicksal, solch ein unauffälliges Äußeres zu besitzen, dachte Kay. Er musste schreien, um wahrgenommen zu werden.
>Mit dieser Einstellung kommst du hier nicht weit!<, meckerte Schmar'l wie erwartet und stach Kay mit seinem erhobenen Zeigefinger fast ins Auge. >Wenn du es morgen nicht schaffst pünktlich zur Arbeit zu kommen, dann brauchst du gar nicht mehr wieder kommen.<
Es überraschte Kay nicht, das keiner der anderen Köche Schmar'l leiden konnte. Wenn man es recht bedachte, mochten ihn die Kellner ebenfalls nicht. Während Schmar'l weiter schimpfte, öffnete Kay seinen Spind, holte die Kochjacke heraus und sah dabei Arnold Schwarzenegger in die Augen. Er straffte die Schultern, drehte sich zu Schmar'l um und - gab nach. >Tut mir wirklich leid<, sagte er und fühlte Arnold's vorwurfsvollen Blick im Nacken. Das Poster war der erste Schritt seines Plans zu mehr Mut und Stärke. Kay hoffte, dass Arnolds Männlichkeit auf ihn abfärbte. Bisher blieb der erwünschte Effekt aus.
>Beeile dich gefälligst, es wartet eine ganze Kiste Karotten auf dich!< beendete Schmar'l seine Schimpftirade und trampelte aus dem Zimmer. 
Kay knöpfte die Kochjacke und verstaute seinen Rucksack im Spind. Das nächste Mal würde er sich Schmar'ls Gemecker nicht mehr kommentarlos anhören.
Er würde Kontra geben und sich wie ein  richtiger Mann verhalten. Seufzend schlug Kay seine Spindtür zu. 

... Nächstes Mal. 
>Ich bringe Dich um, du Hund!<
Kay blinzelte erschrocken. Ein schmaler, ihm unbekannter Mann fuchtelte in der Küche aufgebracht mit den Händen, während er wüste Beleidigungen gegen den Chefkellner Thomas Herdt ausstieß. Franz Schmar'l stand sichtlich verängstigt neben dem Herd, während sich der Chefkellner verwirrt am Kopf kratzte. 
>Was soll denn das?<, fragte Herdt, als der tobende Dünne ein Brettchen mit geschnittenen Schnittlauch von der Arbeitsfläche fegte.
>Oh, ich sag's dir, was das soll!< schrie der Unbekannte. 
>Ich werde dich fertig mache, Herdt. Ich werde dich fertig mache, so wie du mich fertig gemacht hast.< Er schnappte sich einen Teller und warf ihn mit aller Kraft in Richtung des Chefkellner's. Der duckte sich trotz seines Übergewichts geschickt, verlor aber einen Großteil seiner Nonchalance. 
>Hey<, rief er empört und ging gleich vor der nächsten Attacke in Deckung. 

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jul 01, 2019 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

SchweinsHaxnWhere stories live. Discover now