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„Liebling, merkst Du es eigentlich, wenn mich andere Männer beobachten? Ich meine nicht nur auf der Bühne, denn das ist ja was ganz Normales. Viele können ihre Augen nicht von mir lassen. Langsam weiß ich nicht mehr, ob es nur Neugier ist oder richtiges Interesse."
Lonette saß auf dem Bett und arbeitete an ihrer Flasche Gin. Ernie saß auf einen Stuhl, mit einem Glas und dem Canadian Club, und schaute auf den Fernsehschirm. Die letzte Sendung des Abends lief die „Garry Moore Show".
„Natürlich haben sie alle Angst vor Dir. Ist Dir das überhaupt mal aufgefallen, dass sie immer so tun, als würden sie mich nicht ansehen? Aber sie tun es, und sie versuchen, es Dich nicht merken zu lassen. Du musst die Leute mehr beobachten, Schatz. So wie diese Leibwächter des Präsidenten das tun. Du musst die Augen hinter Deinem Kopf benutzen."
Ernie sah sie an und verstand nicht, was sie meinte.
„Ja, Ernie, die Augen hinter Deinem Kopf! Die anderen nutzen sie, also ihre eigenen Augen hinter dem Kopf. Sie wissen, obwohl sie ganz woanders hinschauen, wo Du bist und worauf Du achtest. Es gibt da irgendwelche Tricks, mit denen man sein Blickfeld erweitern kann. So Übungen. Weißt Du, man muss immer damit rechnen, dass andere viel fieser sind als man selbst. Okay, vielleicht sind die Leute, mit denen wir zu tun haben, nicht fies, aber sie wollen immer mehr für ihr Geld, als sie bekommen. Das ist ein Urinstinkt. Und man muss ihnen mit jeder Faser den Eindruck vermitteln, dass sie es nie bekommen werden. Aber, aber, aber ... Man muss es sie glauben lassen, es andeuten, ihnen einen kleinen Hinweis darauf geben, dass sie etwas Besonderes sind. Besonderer als das Publikum an einem anderen Ort. Aber mehr nicht. Nur einen Wink, einen Blick, etwas winzig winzig kleines. Das ist die Kunst an der Sache, richtig?"
Lonette legte sich flach hin. Ihre Flasche war fast leer. Ernie schaltete den Fernseher aus, holte eine Flasche Chesterbrook Whiskey und setzte sich zu Lonette auf das Bett. Sein Gewicht ließ das Gestell schmerzvoll ächzen. Ernie war nicht fett. Nur groß und breit.
„Wir wechseln die Schallplatte, Ladies und Gentlemen, nun Mister Chesterbrook!" rief Lonette, die Ernie auf dem Pfad zur Trunkenheit um einige Längen voraus war.
„Willst Du nicht mal dieses Jackett ausziehen? Das ist so ungemütlich. Los, zieh es aus!"
Ernie gehorchte. Sein sauber gebügeltes Oberhemd wirkte nicht unbedingt häuslicher.
„Das Hemd auch!"
Ernie zog vorsichtig das Hemd aus und präsentierte ein gelbliches Feinripp-Unterhemd. Lonette streichelte mit dem rechten Fuß seinen Rücken.
„Wir dürfen morgen nicht so lange schlafen, Liebling." sagte sie in vager Andeutung, dass sie nun einen ausgedehnten Liebesdienst erwartete. Ernie trank seinen Whiskey direkt aus der Flasche, die er mit einem Zug um ein Drittel leerte. Er gab einen kurzen Grunze von sich.
„Los Bärchen, mach das scheiß Licht aus. Nur nicht das am Bett."
Das Bett federte nach, als Ernie aufstand und das Hauptlicht ausschaltete. Er zog sich die Anzughose aus.
„Bitte lass mich nicht die Innenseite Deiner Unterhose sehen! Ich dreh mich besser um ..."
Lonette hasste es, wenn in Ernies Unterhose noch Spuren seines Stuhlgangs zu sehen waren. In all den Jahren hatte er nie gelernt, sich ordentlich den Hintern abzuwischen. Lonette hatte sich nur bedingt daran gewöhnt. Mit dem Gesicht im Kissen rief sie:
„Schmeiß sie bitte gleich in die Tüte mit der Schmutzwäsche!"
Ernie stieg nun nackt zu Lonette ins Bett.
„Hoffentlich hat das Motel morgen einen ordentlichen Waschsalon" sagte Lonette und streifte sich den Slip herunter. Ernie kam neben ihr zum Liegen und sagte:
„Gut gesungen!"
„Danke, Schatz."
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Atomic Ernie - Teaser
General FictionEin Alkoholikerpaar tingelt durch den Südwesten der USA des Jahres 1958. Sie ist Sängerin, er ein ehemaliger Wrestler. Sie trinken, sie tritt auf, sie trinken. Schließlich bleiben sie ohne Benzin in der Wüste liegen, und der Gatte muss zu Fuß loszie...