2•Kapitel•2

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Ich erwachte früh am Morgen von dem Rumoren irgendeiner Maschine und öffnete verschlafen die Augen. Dies war der erste richtige Tag meines Lebens! Plötzlich war ich hellwach und so voller Neugier, dass ich am liebsten gleich die ganze Welt erkundet hätte. Ich rappelte mich auf und befreite mich aus dem Kuddelmuddel von Beinen und Ohren meiner Geschwister. Mama lag ausgestreckt neben uns, die Augen noch geschlossen und auch meine Geschwister schliefen noch. Also tappte ich vorsichtig die paar Schritte zum Stallgitter, durch die man einen grauen Gang sehen konnte. Gegenüber, neben und sogar hinter uns waren zahlreiche weitere Käfige. Darin lagen dicke Schweine. Ich stupste mit der Nase gegen die Gitterstäbe, sie waren kalt und rau. Ich wollte am liebsten einfach hindurch gehen und noch mehr entdecken, aber ich merkte schnell, dass es nicht ging. Plötzlich wurde das Rumoren immer lauter. Jetzt konnte ich auch einen komischen weißen Arm auf Rädern sehen, der bedrohlich auf uns zu kam. Ich bekam Angst.
Was war das?
Um mich herum begannen nun auch die anderen Schweine auf zu wachen. Sie riefen und grunzten aufgeregt. Und dieses "Etwas" kam immernoch auf mich zu, es war schon fast da...
Ich stieß ein ängstliches Quiken aus und stolperte zurück zu Mama, die mittlerweile auch aufgewacht war. Der Arm war jetzt direkt über mir, drückte gegen eine Metallklappe und guckte dann bedrohlich in unserem Käfig rein. Ich begann zu schreien und zu quiken, jetzt würde mich dieses Ding holen! Ich drückte mich an Mamas Bauch. Das Rumoren war unerträglich! Und dann landete etwas Schleimiges, Weiches auf meinem Kopf und der Arm zog weiter, um auch den anderen Schweinen Frühstück zu bringen. Ich schüttelte mich und zitterte vor Schreck. Ich wusste nicht richtig was passiert war, aber ich lebte auf jeden Fall noch! Nasses Kraftfutter tropfte mir von der Schnauze. Ich zitterte immer noch, doch ich spürte, wie eine warme Zunge mir behutsam über den Kopf schleckte. Mama befreite mich von dem schleimigen Zeug und grunzte dabei beruhigend. Langsam verflog meine Angst. Mama hatte auch keine Angst vor diesem Zeug gehabt, also konnte es auch nichts allzu schlimmes sein! Mama fing sogar an das Glibberzeugs zu essen und auch in den Gesichtern meiner Geschwister las ich den langsam weichenden Schrecken. Meine Schwester war schon hellwach und beschnupperte es vorsichtig. Da war meine Angst plötzlich wie weggeblasen, ich lief zu meiner Schwester und stupste sie aufmunternd an, dann lief ich mir wedelndem Ringelschwanz davon. Es dauerte kaum eine Sekunde, da lief sie mir auch schon hinterher und versuchte meinen Schwanz zu erwischen. Ich lief zu meinen Brüdern und versteckte mich hinter ihnen. Doch davon ließ die sich nicht aufhalten und stürzte sich auf mich! Ich versuchte in ihr Ohr zu beißen und wir rauften uns auf dem harten Boden, dann drehte sie den Spieß um und lief davon. Ich hinterher. Und unsere zwei Brüder, die eben noch verschlafen zu geguckt hatten, vergaßen ihre Müdigkeit und rannten hinterher. Da der Käfig so klein war, hatten wir sie sofort erwischt und wir spielten zusammen, auch wenn wir gegen die Gitterstäbe prallten, bis wir alle erschöpft und dreckig in dem Glibberfutter lagen und schnauften. Plötzlich merkte ich, dass ich einen Bärenhunger hatte! Ich lief zu Mama und trank ihre Muttermilch, sie schmeckte weich und gut. Lange hatte ich allerdings nicht meine Ruhe, denn meine Geschwister kamen und wir stritten uns um den besten Platz. Plötzlich war ich wieder erschöpft. Ich kuschelte mich müde an Mama und meine Geschwister, grunzte noch einmal leise und schlief sofort ein.

Als ich wieder aufwachte, hatte ich eine Gänsehaut, denn es war kalt. Ich streckte meine steifen, schmerzenden Glieder. Wie lange ich geschlafen hatte wusste ich nicht, denn es war immernoch das gleiche Dämmerlicht wie vorhin, aber es war mir auch egal. Ich stand leise auf, ohne die anderen zu wecken und sah mich um. Plötzlich kam die ganze Neugier von vorhin zurück! Neben mir lag Mama, die Augen leicht geöffnet, sah sie mich liebevoll an. Ich tapste zu ihr und stupste sie mit der Nase an, sie lächelte. Dann machte ich mich auf, um den Käfig nochmal in Ruhe zu entdecken. In der hinteren Ecke schnüffelte ich an etwas Rotem, das zwischen dem Dreck auf dem Boden lag. Es sah seltsam aus.
Ich lief schnell zurück zu Mama und entdeckte das gleiche rote Zeug auf ihrer Stirn, dem Bauch und den Beinen.
Was ist das? fragte ich sie.
Das ist mein Blut, sagte sie.
Warum ist das hier?
Ich verliere es, wenn ich Schmerzen habe.
Schmerzen?
Das ist nichts Schönes, aber ich passe auf euch auf, versicherte sie mir und sah mich aufmunternd an, auch wenn sie wusste, dass sie das nicht für immer tun konnte.
Ich dachte nicht weiter drüber nach, sondern ging wieder zum Gitter und spähte hindurch. Die meisten anderen Schweine schliefen oder lagen einfach da.
Im Käfig neben uns lag auch eine Sau mit ihren Ferkeln, sie hatte die Augen geschlossen, ihre Ferkel ebenfalls. Ich wollte gerade wieder zu meiner Familie zurück, doch da sah ich plötzlich ein kleines Ohr hinter ihrem Rücken hervor gucken...
Meine Neugierde verdoppelte sich schlagartig!
Ich lief aufgeregt am Gitter entlang, um einen Blick auf den Ohrenträger werden zu können, konnte aber nicht hinter das schlafende Schwein gucken. Plötzlich bewegte sich das Ohr und etwas quikte leise.
Ich quikte freundlich zurück.
Kurz darauf erschien ein kleiner Kopf, zögernd sah er mich an. Misstrauen und Angst in seinen Augen, aber auch die gleiche Neugier wie bei mir. Ich quikte nochmal.
Wer bist du? fragte ich neugierig.
Ein paar Sekunden sah er mich nur an, dann sagte er:
Meine Mama nennt mich Quastor. Und wer bist du?
Ich überlegte kurz.
Ich weiß es nicht... sagte ich ehrlich.
Viele wissen es nicht, sagte er und starrte in die (nicht vorhandene) Ferne. Ich wusste nicht ganz, was ich damit anfangen sollte, also fragte ich ihn eine der tausend Fragen, die mir auf der Zunge brannten:
Ist das hier die ganze Welt? Oder gibt es noch mehr?
Quastor sah mich traurig und nachdenklich an.
Du bist noch nicht so alt, oder?
Da ich nicht antwortete, fuhr er fort.
Ich habe die andere Welt da draußen noch nicht gesehen, ich war bisher nur hier drin, aber so alt bin ich auch noch nicht. Es werden viele Geschichten über die andere Welt erzählt und die meisten unserer Eltern waren schon mal da, als sie hierher gebracht wurden. Dort hinten, hinter der Tür,
er nickte mit dem Kopf zu einer großen Tür am Ende des Gangs,
dort soll die Luft klar und kühl sein, dass du nicht genug vom Atmen bekommst! Es gibt dort grüne Wiesen, frisches Wasser, ganz ohne Klümpchen und die Sonne scheint, dass dir ganz warm und gemütlich zu mute wird! Doch das Beste ist, es gibt kein Ende. Kein Käfig. Keine Gitterstäbe. Freiheit! Du könntest laufen, so weit du kannst. Aber wir dürfen nicht hin gehen, wo wir wollen.
Wir schwiegen.
Es klingt schön, nicht wahr? sagte er verträumt.
Ja, sagte ich, auch wenn ich nicht wusste, was eine Wiese oder die Sonne war. Es klang schön, wie eine andere, sehr weit entfernte Welt und doch war sie bloß hinter dieser Tür...
Ich wünschte, ich könnte hinter die Tür gucken! sagte ich sehnsüchtig. Was es da alles zu entdecken gab!!
Wahrscheinlich werden wir es bald mit eigenen Augen sehen. Manchmal kommen Langbeiner und nehmen ein paar von uns mit, wenn sie alt genug sind. Das ist immer ein großes Disaster, wenn sie kommen.
Ich weiß aber nicht, wo sie hin gebracht werden, denn sie kommen nie wieder zurück, sagte er traurig.
Ich fragte mich was Langbeiner waren, doch Quastor schloss die Augen und murmelte:
Jetzt bin ich müde, wir können gerne wann anders weiter reden, kleine Endeckerin, er lächelte mich an und legte den Kopf auf den Rücken seiner Mutter. Ich schluckte die vielen Fragen hinunter, die mir in den Kopf schossen.
Schlaf gut, sagte ich.
Ich sah zur Tür und versuchte mir vorzustellen, wie es dahinter aussah.
Da ich das nicht konnte, lief ich zu Mama zurück, sie blinzelte und ich kuschelte mich zwischen sie und meinen Bruder.
Mama, warst du schon mal hinter der Tür? fragte ich.
Ja, als ich hier her kam. Es war ein kurzer Weg, aber es war das erste Mal, dass ich richtig laufen konnte, gerade aus, ohne zu einem Hindernis zu kommen! Es gab mehr Farben und kein Dach, antwortete sie. Ich sah nach oben zu dem dunklen Dach.
Was war dann da oben? fragte ich.
Ein blauer Himmel. Er ist riesengroß und hoch. Er ist immer da, auch wenn wir ihn nicht sehen. Egal wie dunkel es ist, der Himmel ist immer über uns. Das beruhigt mich.
Ich versuchte ihn mir vorzustellen.
Werde ich wirklich weggeholt Mama?
fragte ich leise die Frage, die mir am meisten Angst machte. Sie antwortete nicht sofort.
Es tut mir so leid, aber was er erzählt hat ist wahr, flüsterte sie, wir leben in einer bösen Welt, das wirst du noch früh genug merken. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns haben!
Ich kuschelte mich an ihren weichen Bauch. Das war also mein erster Tag gewesen! Er war ganz schön lang und wunderlich. Und ich hatte sogar schon einen Freund gefunden!
Und eine Ladung Schleimzeug ins Gesicht bekommen... In diesem Moment kam mir diese Welt gar nicht so böse vor, ich war müde und wollte nur noch schlafen!
Schon im Halbschlaf flüsterte ich:
Mama, wie heiße ich?
Sie schwieg.
Ich will einen Namen haben, so wie Quastor, sagte ich.
Ja, ich überlege gerade.
Sie schwieg lange und als ich schon fast eingeschlafen war, flüsterte sie:
Dein Name soll Taqui sein.
Ich fand ihn schön, meinen Namen.
Dann schlief ich ein.

Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zu kam.


Hallo an die, die das lesen!
Ich hoffe euch gefällt die Geschichte, ich glaube man braucht ein bisschen um rein zu kommen...
Es ist ein bisschen kompliziert, aus der Sicht eines Schweins zu schreiben, da ich ja kein Schwein bin. Ich will sie auch nicht zu sehr vermenschlichen.
Ihr könnt euch das aber so vorstellen, dass ich die Unterhaltungen quasi in Menschensprache "übersetze", damit sie für uns verständlich sind, denn eine Unterhaltung bei Schweinen würde natürlich total anders klingen!
Ich habe die wörtliche Rede auch absichtlich nur kursiv geschrieben, um den Unterschied zur menschlichen Sprache noch iwie ein bissl deutlicher zu machen...
Also nicht wundern!
Bye🌷

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 25, 2019 ⏰

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