Den ganzen Flug und die darauffolgende Taxifahrt hatte ich schweigend mit Kopfhörer aus dem Fenster geschaut oder eher gestarrt. Als unser Fahrer nun anhielt, stieg ich langsam aus dem Wagen und betrachtete das Haus das nun unser Heim sein sollte. Ungläubig drehte ich mich zu meiner Mutter, die den Taximann zutextete, der unsere einziges Gepäckstück, zwei Koffer, aus dem Auto hievte. „Das ist nicht dein Ernst.", war alles was ich raus brachte. Lächelnd stöckelte meine Mutter auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Ich wusste du würdest es lieben.", quietschte sie glücklich in mein Ohr. Ich löste mic ruckartig, lachte kurz ironisch auf und hob spottend eine Augenbraue. „Es lieben? Ich finde es schrecklich. Viel zu kitschig und was soll diese bescheuerte Veranda?", schnaubte ich und meine Mutter runtzelte die Stirn. Das Haus war als hätte man es aus einem Teen-Drama-Film von 1980 geklaut und hier in eine perfekte Straße einer perfekten Kleinstadt gestellt. Es war schlicht und ergreifend ekelerregend süß, unschuldig und perfekt. „Das Haus ist verdammt nochmal symmetrisch.", bemerkte ich kopfschüttelnd, „sogar die Blumenkästen. Die Abstände sind bestimmt Zentimeter genau abgemessen." Ich schnappte mir meinen Koffer und meine Handtasche und lief richtig Haustür. Mit einem lauten Knall ließ ich sie auf die Veranda plumpsen und betrat mein neues Zuhause nicht ohne vorher die Blumenkästen zu verstellen. Meine Mutter bedankte sich überschwänglich bei unserem Fahrer und zog dann ebenfalls ihren Koffer über den Kiesweg. „Du darfst dir dein Zimmer aussuchen.", rief mir meine Mum durch die offene Haustür zu. Ich stöhnte laut und fing an mich umzusehen. Die gute Laune meiner Mutter war einfach nicht kleinzukriegen egal was für abwertende Bemerkungen ich über das Haus fallen ließ. Die Küche war viel zu groß für zwei Personen, das Wohnzimmer hingegen fiel zu klein. Die beiden Schlafzimmer lagen direkt gegenüber und die Tapetten waren entweder zu bunt oder zu schnörkelig oder beides. Das einzig positive war das ich immer noch ein eigenes Badezimmer besaß, was mich erleichtert aufatmen ließ. Wenn ich mir mit meiner Mutter auch noch ein Bad hätte teilen müssen, würde ich höchstwahrscheinlich Selbstmord begehen. Nachdenklich schritt ich weiter durch die Räume und versuchte in meinem Kopf schon möglich Dekorationspläne anzufertigen. „Hier ein Spiegel, da ein Bild.", murmelte ich vor mich hin. Ich hasst leere, nackte Häuser, alles wirkte so steril und kalt obwohl die widerlich bunten Wände geradezu das Gegenteil schrien. Und während dieser ganzen Besichtigungstour dackelte meine Mutter mir heiter hinterher und erzählte irgendetwas von ruhiger Nachbarschaft, toller Schule und anderem unwichtigen Zeug. Letztendlich musste ich mich bei der Zimmerwahl zwischen schwarz-weiß gemusterter Tapete mit Teppichboden und kotzgrünen Wandanstrich oder wie meine Mutter es formulierte „ein sattes Moosgrün" mit passendem hässlichen Parkettboden entscheiden. Ohne ein weiteres Wort verließ ich dieses Haus das ich fortan nun mein Zuhause nennen musste und setzte mich auf die Treppen zu unserer Veranda. Nachdenklich betrachtete ich meine neue Nachbarschaft. Alles war gleich, die Häuser hatten alle einen gepflegten Garten, eine Veranda, die Häuser an sich hatten immer die gleich Form, das einzige was variierte war die Hauswandfarbe, wobei auch hier an Ausgefallenheit sehr gespart wurde. Ein langweilige Vorstadt mit langweiligen Familien, die Eltern mit langweiligen Jobs und die Sprösslinge dieser Einfaltspinsel waren denke ich nicht viel besser darin ihr Leben irgendwie aufregend zu gestalten. Das war ja wirklich ein toller Umzug, von der Einzigartigkeit und Schönheit Floridas zu diesem öden und winzigen Landstrich einer Stadt. Seufzend erhob ich mich und ging wieder ins Haus, meine Mutter war schon emsig damit beschäfftigt sich genau Pläne zu zeichnen wo welche Möbelstück hingehörte. „Ich möchte das schwarz-weiße Zimmer haben.", kam ich sofort zur Sache und meine Mutter nickte lächelnd. „Wie gesagt du darfst entscheiden." Gott, ihre gute Laune konnte wirklich nichts dämpfen. Ich schleifte meinen Koffer so wie meine Tasche in mein neues Zimmer und ließ sie in der Mitte auf den Boden fallen. Schnell schnappte ich mir meine letzte Zigarettenschachtel aus meinem Geheimfach sowie ein Feuerzeug und steckte beides in meine Pullitasche. „Ich gehe etwas spazieren und schaue mir die Gegend an.", rief ich meiner Mutter beim Hinausgehen zu. „Tu das, aber sei in spätestens einer Stunde zurück, dann gehen wir essen, ich kenn da von früher noch...." Den Rest hörte ich nicht mehr, weil ich schon zu weit weg. Als ich um die nächste Ecke gebogen war, zündete ich mir eine Kippe an und sog den beruhigend Rauch tief in meine geschwärzte Lunge ein. Ich schloss die Augen und atmete lange aus. Als ich meine Augen wieder öffnete, spürte ich einen Schlag an der rechten Schultern und wurde zur Seite gedrückt. „Pass auf wo du hinläufst.", wurde mir angepisst ins Ohr gebrummt. „Hei pass doch selber auf.", rief ich aufgebracht dem Typen der mich gerade angerempelt hatte hinterher. Er drehte sich um und wir schauten uns kurz in die Augen, bevor er wortlos weiterlief. „Penner.", murmelte ich und lief in die entgegengesetzte Richtung weiter. Diese Stadt war genauso wie ich sie wage in Erinnerung hatte. Sie war nichts besonderes. Gedankenverloren schlurfte ich durch die Straße, hoffte vielleicht auf etwas Abwechselung hier irgendwo anzutreffen. Da meine Zigarette mittlerweile fast fertig geraucht war, drehte ich um und machte mich auf den Heimweg. Gerade als ich den Zigarettenstummel wegwerfen wollte, rief jemand: „Hey." Ich drehte mich erst nicht um, weil ich unmöglich gemeint sein könnte, doch dann ertönte das 'Hey' ein zweites Mal. Als ich mich umdrehte und mich umschaute, saß in einem der Vorgärten ein rothaariges Mädchen in einer Hollywoodschaukel und winkte mir zu. „Ja genau dich meine ich.", rief sie mit einem Lächeln, „Komm mal her." Langsam lief ich auf sie zu. „Kennen wir uns?", fragte ich vorsichtig als in an dem Gartentörchen ankam. „Nein aber ich wollte nach einer Zigarette fragen wenn du eine entbehren kannst.", sagte sie lachend und schüttelte ihre kurzen lockigen Haare. „Ähh ja klar.", erwiderte ich und zog eine aus der Verpackung. Sie stand auf, nahm sie entgegen und hielt sie an eine Kerze die auf einem kleinen Tischchen neben ihr stand. „Hallo, ich bin Evelyn." Während sie an der Zigarette zog, streckte sie mir auffordernd die Hand entgegen und wir schüttelten unsere Hände. „Avery." „Bist du neu hier?", fragte sie nach einem weiteren Zug an der Zigarette, „ich hab dich nämlich noch nie hier gesehen glaube ich." Ich schnaubte und lehnte mich mit der Seite an die blauen Holzlatten. „Ja ich bin neu hier. Meine Mum und ich sind vor genau.", ich warf einen Blick auf meine Uhr, „1 Stunde hier angekommen." „Cool von wo kommst?", mittlerweile hatte sie sich wieder hingesetzt und legte interessiert den Kopf schief. „Uhm.. warum ist das wichtig?", fragte ich und fühlte mich irgendwie etwas unwohl. „Das ist kein Verhör.", sagte sie lachend und keinesfalls gekränkt von meiner anlehnenden Haltung, „es ist nur immer schön wenn jemand neues hier her zieht. Dann passiert hier endlich mal was anderes." Sie fing an leicht hin und her zu schaukeln und blies entspannt Rauch in die Luft. Ich sagte nicht. „Also.", wiederholte sie, „Avery, woher kommst du?" „Aus Florida." Ihre Augen fingen an zu leuchten. „Waas? Du hast in Florida gelebt? Das ist ja Wahnsinn. Ich war noch nie in einer Großstadt. Wie ist es da so? Ich würde auch so gern mal so eine Erfahrung machen. Sobald ich mit der Schule fertig bin, zieh ich in eine Großstadt." Ich war total überfordert mit ihrem Redeschwall und wartete einfach bis sie fertig war. „Wir müssen unbedingt Nummern austauschen, du wirkst so als würden wir uns gut verstehen." „Wir kennen uns seit fünf Minuten.", erwiderte ich skeptisch. „Keine Sorge, ich hab dafür ein Gespür.", sagte sie mit einer gespielt rauchigen Stimme und wedelte theatralisch mit den Händen durch die Luft. Ich konnte mir nicht helfen und musste schmunzeln. „Ha.", rief sie und zeigte auf mich, „du spürst es auch! Also was ist deine Nummer?" Sie zog ihr Hände aus ihrer Jackentasche, entsperrte es und schaute mich erwartungsvoll an. Ich seufzte und gab hingegen meiner normalen Verhaltensweise meine Handynummer. Aber irgendwas an ihrem aufgewecktem Verhalten sagte mir, dass sie in Ordnung war. „Ich muss jetzt los, meine Mutter wartet bestimmt schon auf mich.", sagte ich nachdem ich auch ihre Nummer in mein Handy getippt hatte. „Kein Problem. Wir bleiben in Kontakt.", lächelte sie und lehnte sich in ihrer Schaukel zurück. Ich nickte nur noch, drehte mich um und lief los. Evelyn fing an zu Lachen. „Du musst in die andere Richtung." Verdammt, dachte ich und drehte mich etwas peinlich berührt in die andere Richtung, mein beschissener Orientierungssinn. „Danke.", murmelte ich und lief in die entgegengesetzte Richtung. Sie lachte und winkte zum Abschied. Gedankenverloren lief ich zum meinem 'Zuhause' zurück
So das war der zweite Teil. Ich hoffe er hat euch gefallen und bald folgt natürlich der nächste Teil. Danke fürs Lesen
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Das Leben ist kein Zuckerschlecken...
Teen FictionAuszug: „Musst du nicht irgendein Weib für die Nacht aufreißen?", fragte ich ohne das es mich sonderlich interessierte und drehte mich zum Fenster um den Rauch hinaus zu pusten. „Vielleicht tu ich das ja grade.", raunte Tobias. Avery zieht wieder in...