Prolog

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"Mark! Christopher! Kommt ihr bitte rein? Essen ist fertig!"
Mark saß gerade ganz gedankenversunken in einer matschpfütze, wohlgemerkt der einzigen auf der ganzen Wiese, und spielte, als der Ruf seiner Mutter durch den Garten schallte und seine friedliche Welt zum Einsturz brachte.
Er war gerade dabei, das letzte Teil des Hubschraubers zu finden, damit er und seine Crew von der einsamen Insel fliehen konnten, aber jetzt hatte seine Mutter alles kaputt gemacht.
Jetzt würde er wieder monatelang brauchen um all diese Teile zusammenzusuchen.
Jetzt... War er sauer.
So blieb er sitzen, mitten in dem Schlamm. Vielleicht aus Trotz.
Seine Mutter hatte ihn zwar mitten im spielen gestört, dass hieß aber lange nicht, dass er ihr Nun gehorchen musste. Nein, jetzt erst recht nicht.
Mark zog seine Jogginghose die ausgestreckten Beine hinauf, nahm eine Handvoll Schlamm und begann sich damit die kompletten Beine einzureiben. Einfach nur weil er wusste, seiner Mutter würde das Nicht passen. Sie würde mit ihm schimpfen, ja, aber das war ihm egal. Er Provozierte sie, und zwar absichtlich.

Seine Mutter hatte währenddessen verstanden, dass ihr Sohn und sein bester Freund nicht freiwillig reinkommen würden.
Seufzend schlüpfte sie in ihre gelben Sandalen und ging in den Garten hinaus, um die beiden hinein zu holen.
Ihr Sohn saß mitten auf der Spielwiese neben dem Gartenhäuschen in einem... Schlammloch!? Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei Mark. "Das gibt es doch nicht! Der einzige Matschhaufen hier und du setzt dich mitten hinein! Ich habe die Hose gerade frisch gewaschen. Und was machst du da mit deinen Beinen - hör sofort damit auf! Was soll das denn???"
Als Antwort strich sich der Junge mit seiner matschigen Hand durch die Schwarzen Haare. Warum er sich da rein gesetzt hatte? Er wusste es nicht. Er wollte ganz einfach.
Verärgert zog Mutter ihn am Arm hoch, wohl bedacht ihre Kleidung dabei nicht zu beschmutzen. Als ihr Junge nun mit verschränkten Armen, vorgeschobene Unterlippe und einem trotzigen Ausdruck in den Augen vor ihr stand, seufzte sie ergeben.
Sie kannte dieses Spiel schon. Sie konnte ihn jetzt zwar schimpfen, aber sie wusste, das würde nun nichts mehr bringen.
Mark würde heute Abend halt wohl oder übel noch ein Bad nehmen müssen. Sie beschloss dass das Strafe genug war und die Sache nun auf sich beruhen zu lassen.
"Ich habe Essen gemacht, wollt ihr beiden nicht reinkommen ?" Sagte sie nun sanfter. Mark zuckte, immer noch schmollend, die Schultern. Mark- aber wo ist Christopher?
"wo ist dem Chris ?" Fragte sie ihren Sohn.
Der zeigte in Richtung Gartenhaus.
"Wollte Schaufeln holen .", kam die knappe Antwort.
Wozu die Jungs wohl Schaufeln brauchen?, wunderte sie sich, während sie auf den Schuppen zu gehen, um auch Christopher zum Essen zu holen.
Eigentlich hatte sie den Jungs verboten den Schuppen zu betreten, denn dort wimmelt es nur so von Möglichkeiten sich zu verletzen. Und Kinder, Kinder finden jede einzelne davon.

Als sie angekommen war schob sie die bereits einen Spalt offen stehende Schuppentür etwas weiter auf, so dass auch sie hindurch passte.
Als sie eintrat, war es als betrete sie eine andere Welt. Die Luft schmeckt auf einmal nicht mehr nach Sommer und frisch gemähten Gras.
Hier war sie kalt, feucht, und roch nach einer Mischung aus Schimmel, Rost, Sägespänen und irgendwelchen weiteren undefinierbaren Bestandteilen.
Ein Schauer lief ihr erst die Arme hinauf, dann den Rücken wieder hinab, weshalb sie sich was du in die Arme um ihren Körper schlang. "Christopher?" Fragte sie in die Dunkelheit.
Da ihre Augen sich noch nicht an die Schwärze gewöhnt hatten, konnte sie nicht viel erkennen. Das Licht war schon lange kaputt und die Fenster hatten sie zugenagelt, nachdem diese bei einem Hagel eingeschlagen wurden. Eine kaum genutzte Abstellkammer war Der Schuppen nun geworden.
"Chris?" Rief sie nur etwas lauter. Keine Antwort. Vorsichtig trat sie ein paar Schritte vor. Sie wusste nicht warum aber etwas hier machte ihr Angst. Etwas war anders. Es war ruhig. Zu ruhig. Langsam tastend ging sie weiter hinein.
Besorgt, wie sie nun einmal als Mutter war, fing sie an sich langsam Sorgen zu machen. "Christopher, das ist nicht lustig, das ist kein Spiel. Du hast gewonnen. Komm jetzt also bitte raus ."
Stille.
" jetzt. "
Nun wurde sie richtig panisch.
"Christopher!"
Im Kreis drehend suchte sie den Schuppen mit ihren Augen ab.
Vielleicht hatte Christopher das Gartenhäuschen schon längst wieder verlassen, und Mark hat es schlicht und einfach nicht bemerkt.
Nein. Chris war noch hier drin. Sie wusste es einfach.
Krampfhaft versuchend gegen die Dunkelheit anzukommen, achtete sie nicht mehr Recht darauf wo sie hintrat und stolperte prompt. Erstaunt blickte sie zu ihren Füßen.
Ein Holzbalken war der Übeltäter. Ein Teil des Holzgestells das an der Wand gelehnt hatte, stellte sie fest.
Ihr Mann hatte vor 3 Jahren einmal angefangen eine Art Kinder - Spielhaus zu bauen, es aber nie fertiggestellt.
Wieso war es umgefallen? War Christopher etwa dagegengestoßen?
Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Die Balken aus Massivholz waren nicht gerade leicht.
Nun konnte sie etwa in zwei Meter Entfernung eine Art Schatten ausmachen, einen Gegenstand villeicht, der unter dem Holz lag.
Zwei große, hektische Schritte und sie stand genau davor.
Immer noch war es zu dunkel um genaues auszumachen. Langsam ging sie in die Hocke, und je mehr sie sich dem Ding Näherte, desto klarer zeichneten sich die Umrisse gegen die Schwärze ab. Die Umrisse eines Körpers.
Sie wollte schreien, doch nur ein erstickender Laut drang aus ihrer Kehle. Binnen einer Sekunde froren all ihre Bewegungen ein, als wäre sie gelähmt. Oder als hätte jemand die Zeit angehalten.
So saß sie da, in der Hocke, mit halb offenem Mund, ausgestrecktem Arm und vor Panik geweiteten Augen, die auf den leblosen Körper eines Kindes starrten.
Den Körper von Christopher.
Erschlagen von einem Holzgestell.

WIN WIN - Wenn Ein Satz ReichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt