// 3 // Taehyungs Morgen

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"Du bist also Kim Taehyung?"

Der zierliche Junge mit dem blonden Haar krallte seine kleinen Finger in die Riemen seines Schulranzens, senkte den Kopf und nickte.

"Ach, sieh an! Ich bin auch ein Kim", sagte der Mann fröhlich, in der Hoffnung, den verängstigten Jungen aufzumuntern.

"W-Wirklich?", murmelte Tae, der seinen Kopf nun ein bisschen hob.

"Wirklich. Ich heiße Kim Namjoon" erwiderte der Ältere lächelnd. "Ich bin der Direktor dieser Schule und heiße dich bei uns herzlich willkommen!"

Taehyung verbeugte sich höflich. Seine Mutter stand liebevoll lächelnd neben ihm und streichelte sein Haar.

Sie befanden im Büro von Mr. Kim und besprachen Taehyungs neuen Lehrplan.

Tae hörte nur halb zu, während er auf dem Sessel gegenüber des Schreibtischs saß und an seinem Ärmel nestelte. Ihm passte das alles gar nicht. Er wollte nicht in die neue Schule! Er hatte geweint und seine Mutter angefleht. Selbst der neue Schulranzen, den seine Mutter ihm in der Hoffnung gekauft hatte ihn umzustimmen, hatte nichts gebracht.

Er hatte Angst vor allem Neuen.

Er fürchtete sich vor neuen Umgebungen und fremden Menschen. Wenn es nach ihm ginge, blieb er für immer zu Hause, bei seinen Spielsachen und seinen Eltern.

"So, das wäre dann alles", sagte Mr. Kim plötzlich und Tae hörte, wie Stühle gerückt wurden. "Dann bringen wir dich mal in dein neues Klassenzimmer, Taehyung."

Taehyung nickte schwach. Er stand auf und griff nach dem Blindenstock, der neben dem Sessel lehnte. Seine Mutter nahm seine freie Hand und zusammen verließen sie das Büro.

Auf dem Weg zum Klassenzimmer erläuterte Mr. Kim Taehyungs Mutter die verschiedenen Räumlichkeiten, wie dem Speisesaal und die Toiletten.

Tae hörte erneut nur halbherzig zu, während er neben seiner Mutter herstapfte, den Blindenstock vor sich her haltend. Wozu auch? Er fand diese Räumlichkeiten sowieso nicht ohne Hilfe, wozu also sollte er sich das alles merken.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Unterricht bereits begonnen und alle Schüler waren in ihren Klassen, weshalb der Flur Gott sei Dank leer war. So konnte sich Taehyung ohne dem Pausenlärm und die Hektik der Schülermassen auf dem Flur einen ersten Eindruck verschaffen. Seine Mutter fürchtete, dass er sonst direkt Panik bekommen hätte.





"So, wir sind da", hörte er Mr. Kim sagen und sie blieben stehen. "Dies ist dein neues Klassenzimmer."

In Taehyungs Augen bildeten sich Tränen, denn er wusste, was jetzt kommen würde.

"Mein Liebling", sagte seine Mutter und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich werde nun gehen. Aber ich wünsche dir ganz viel Spaß an deinem ersten Tag."

Taehyung flüsterte ein leises "Geh nicht...", das aber ungehört blieb.

Seine Mum verabschiedete sich höflich von Mr. Kim. Bevor sie jedoch ging, konnte sie nicht anders, als ihren Sohn noch ein Mal fest an sich zu drücken. Auch ihr viel es schwer ihn allein zu lassen. Sie hatte Taehyung bis jetzt mit Hilfe von einer Privatlehrerin zu Hause unterrichtet. Er wusste also nicht, wie es in einer richtigen Schule war und hatte Angst.

Aber beim Gespräch vor der Einschulung hatten Mr. Kim und der Leiter der Förderklasse ihr bereits erklärt, dass sie den Abschied am ersten Tag so kurz und schmerzlos halten sollte, wie es eben möglich war.

Taehyung war hier in guten Händen. Da war sie sich sicher.

Trotzdem schmerzte ihr Mutterherz.

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