One Eins

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Es war der erste Tag, an dem Howard den merkwürdigen Geruch in seinem New Yorker Loft im dritten Stock wahrnahm.

Nachdem er aufgestanden war, sich mit eiskaltem Wasser abgeduscht und ein Butterbrot geschmiert hatte, war er in den Schlagzeilen der Times versunken.

"Allie Murphy; das neue Hôte cauture Model" stand über der Plakation einer dürren Frau, deren Körperhaltung unnatürlich verdreht war.

Howard schüttelte den Kopf, biss von seinem Brot ab und ließ die Butter in seinem Mund zergehen, während er die Figur auf dem Blatt vor sich anstarrte.

Sie hatte genauso ausgesehen, stellte er fest und fuhr mit seinem Zeigefinger die Züge des Models nach. Die gleichen glatten Haare, die großen dunklen Augen und die kantigen Hüftknochen. Die Haut um das Schlüsselbein eingefallen und durchsichtig schimmernd wie Pergament.

Als er bei dem Gesicht ankam, zog er seine Hand zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen, und stieß dabei mit seinem Ellenbogen gegen den Teller, der daraufhin scheppernd zu Boden fiel und zersprang.

Stumm blickte er auf den Scherbenhaufen vor sich und erkannte darin daß Lächeln, das er ihr einst nahm.

"Hundertfünfzig Kilo" war in dem Teller eingraviert gewesen. Die Illusion des Glücks, dass er in der spiegelnden Oberfläche immer rigoros erkannt hatte, war gestorben.

Er nahm eine der Scherben auf und erinnerte sich an den Tag, der sein letzter vor dem Aufwachen gewesen sein sollte.

Gefeiert hatten sie. Teuren Sekt getrunken, zu Tschaikowsky schunkelnd getanzt und aus dem Fenster in die Nachbarschaft geschrien, sie habe es geschafft.

Eine Siegerin, das war sie für ihn gewesen.

Sich selbst hatte sie als leere Hülle gesehen, ein blasser Schatten dessen, was sie einst war.

Aber das hatte er erst viel zu spät erkannt.

Der Geruch von Verwesung breitete sich seit dem stetig in seinem Arpartment aus.

Ein ignoranter Egoist, das war er für sie gewesen.

Sich selbst hatte er als Motivationstrainer, als gutherzigen Liebhaber gesehen, der die best mögliche Version von ihr zum Vorschein brachte, die es je gegeben hatte.

Aber die Wahrheit hatte er erst viel zu spät erkannt.

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