Wladimir und die neue Welt

19 1 0
                                    

Wladimir war ein toller Hüpfer, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit seinen grünen, langen, gebogenen Beinen konnte er so hoch und so weit hüpfen wie keiner seiner Freunde. Seine weit auseinander stehenden Zehen machten es möglich auch die tollkühnsten Sprünge von einem Seerosenblatt zum anderen zu stehen. Etwas peinlich war es Wladimir, wenn seine Mutter ihren Freundinnen erzählte, was er für außerordentlich schöne Glubschaugen hätte, aber wenn er manchmal sein Spiegelbild im Teich betrachtete, musste er ihr insgeheim zustimmen.

Wladimir war ein glücklicher Frosch, der den lieben langen Tag damit verbrachte mit seinen Freunden um die Wette zu hüpfen, im Sonnen- und im Mondenschein im Wasser zu planschen und so laut zu quaken, dass alle Tiere sich die Ohren zuhielten und flüchteten.

 Für ihn hätte es immer so weiter gehen können, aber die Dinge hatten sich schon geändert, bevor Wladimir es überhaupt bemerkte.

Zunächst spürte er nur, dass die erwachsenen Frösche ihn anders ansahen als sonst, die Köpfe zusammensteckten und sich über sein Alter und dass, was er im Herbst tun würde, unterhielten. Damit konnte Wladimir nun gar nichts anfangen, denn er war sich sicher, dass er im Herbst das Gleiche tun würde, wie heute auch. Damit vergaß  er die ganze Sache wieder, wenigstens für den Moment. Aber nur kurze Zeit später begegnete er der Veränderung wieder, als ihn seine Tante fragte, ob er sich denn schon darauf freute Fliegenfangen zu lernen. Er wusste natürlich, dass seine Eltern nicht ewig dafür sorgen würden, dass er etwas zu Essen bekommen würde, aber dass er so bald selber dafür sorgen müsste, hatte er nicht gedacht. Und weil er so verdattert war, antwortete er einfach mit einem dünnen:“ Ja, klar freue ich mich!“

Wladimir wurde heiß und kalt zugleich, denn so faustdick hatte er noch nie in seinem ganzen Leben gelogen.

Von jetzt an konnte er die Veränderung nicht mehr ignorieren, denn wohin er auch kam, hörte er plötzlich Geschichten vom Fliegenfangen. Es schien nichts mehr anderes auf der Welt zu geben. Sogar Wladimirs Eltern erzählten ihm, wie schwierig es  für sie war diese Kunst zu erlernen, und die älteren Froschkinder gaben damit an, wie viel sie schon gelernt hatten.

Wenn Wladimir Ohren gehabt hätte, so hätte er sich diese zugehalten, so sehr machte ihm diese Sache zu schaffen.

Als Papa Frosch ihn eines Tages dann auf die Seite zog, konnte er sich schon denken, um was es ging.“ Mein lieber Sohn, es wird Zeit für dich. Ich habe dich bei Meister Quax zum Fliegenfangen angemeldet. Er ist der beste Lehrer weit und breit. Er wird dir alles beibringen, was du brauchst!“

Wladimirs Herz setzte einen Schlag aus, denn er hatte viel erwartet, aber nicht das! Ausgerechnet Meister Quax, den die größeren Froschkinder manchmal als „ Meister mach bloß kein Quatsch“ verspotteten, aber auch nur die mutigsten unter ihnen. Die anderen hatten einen Heidenrespekt vor ihm, denn er galt als ausgesprochen streng. Aber nicht nur Meister Quax's Strenge machte Wladimir Sorgen, sondern auch die Tatsache, das der Teich an dem sein neuer Lehrer unterrichtete, am weitesten von seinem entfernt war. Diesen langen Weg sollte er  von nun an jeden Tag hüpfen, das war schon etwas anderes, als aus reiner Freude und Übermut die größten Hopser zu machen! Wladimir fühlte sich jetzt schon ganz platt und außer Atem, wenn er nur daran dachte.

Als die Bäume am Uferrand begannen sich zu verfärben, war es dann soweit. Vom ersten Moment an schien sich alles gegen Wladimir verschworen zu haben. Schon am Vorabend hatte er schlecht einschlafen können, vor lauter Aufregung, und als seine Mutter ihn im Morgengrauen weckte, schien es ihm, als hätte er nur ein paar Minuten geschlafen. So grau, wie die Natur im ersten Dämmerlicht um ihn herum aussah, so grau fühlte er sich selbst auch. Ihm fiel auf, dass er noch nie so früh aufgestanden war, und er beschloss sofort, dass dies nicht sein Ding war. Und alles bloß wegen diesem blöden Meister Quax und der vermaledeiten Fliegenfängerei, Wladimir fühlte Wut in sich hochsteigen.

Wladimir und die neue WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt